Deutschland

Schlüchtern

Auf der 1963 eingeweihten Gräberstätte sind 338 Tote bestattet. Nahezu alle starben im Zweiten Weltkrieg, die meisten im März und April 1945: Soldaten der Wehrmacht und Waffen-SS, KZ-Häftlinge, die auf einem Todesmarsch aus den Frankfurter Adlerwerken ermordet wurden, und zivile Kriegstote der deutschen Bevölkerung. Neben ihnen sind sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Osteuropa begraben, zudem vier Tote des Ersten Weltkrieges. 91 der Toten sind Unbekannte. Zu diesen zählen die 20 hier bestatteten Männer, die mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit Opfer des Todesmarsches waren.

Alle Toten der Kriegsgräberstätte waren zuvor in anderen Gräbern bestattet, meist an ihrem Sterbeort. Ab 1961 wurden sie vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – in Zusammenarbeit mit Landkreisen und Gemeinden, dem ehemaligen Regierungspräsidium Wiesbaden und der »Deutschen Dienststelle« in Berlin – aus umliegenden Landkreisen auf die Kriegsgräberstätte umgebettet. Für deren Pflege und Erhalt ist die Stadt Schlüchtern zuständig. Die Kosten trägt die Bundesrepublik Deutschland.

Rechtlicher Rahmen der Umbettungen war das »Kriegsgräbergesetz« der Bundesrepublik von 1952. Es legte fest, dass Gräber von Toten der Weltkriege aus öffentlichen Mitteln zu pflegen und dauerhaft zu erhalten waren. Für viele der verstreut und oft isoliert gelegenen Kriegsgräber im Inland schien dies allerdings schon in den 1950er Jahren nicht mehr gesichert. Um Erhalt und Pflege der Gräber zu gewährleisten, lag es nahe, sie auf Sammelfriedhöfen wie in Schlüchtern zusammenzulegen. Diese Aufgabe wurde in der Regel dem 1919 gegründeten Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge übertragen.

Den Opfern des NS-Regimes und vielen ausländischen Toten des Zweiten Weltkrieges sicherte das Gesetz von 1952 jedoch nur die öffentlich finanzierte Pflege ihrer Gräber zu, nicht aber deren Erhaltung über die ortsübliche Ruhefrist hinaus. So gab das zuständige Regierungspräsidium bei der Anlage der Kriegsgräberstätte Schlüchtern vor, dass etwa die auf dem Todesmarsch ermordeten KZ-Häftlinge an den Rand des Friedhofs umgebettet wurden, »damit bei der späteren Auflassung [ihrer Gräber] nach Ablauf der Ruhefristen die Gesamtgestaltung nicht in Mitleidenschaft gezogen wird«. Hierzu kam es jedoch nicht: Die Neufassung des »Kriegsgräbergesetzes« von 1965 garantierte fortan auch NS-Opfern und allen ausländischen Kriegstoten den dauernden Erhalt ihrer Gräber.

Geschaffen als Orte der Trauer und Mahnung, werden Kriegsgräberstätten mit der Zeit erklärungsbedürftig. Die Ursachen ihrer Entstehung müssen nachfolgenden Generationen vermittelt werden. Kriegsgräberstätten können Lernorte der historisch-politischen Bildung sein. Daher hat der hessische Landesverband des Volksbunds 1999 damit begonnen, die Geschichte ausgewählter Kriegsgräberstätten zu erforschen und die Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen. Im Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte Schlüchtern stand seit 2003 eine erste Informationstafel. Ihr Inhalt wurde 2022/23 vom Volksbund in Hessen überarbeitet und ergänzt. Dabei wurden auch exemplarische Schicksale einzelner Toter der Kriegsgräberstätte erforscht und dargestellt.