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Sie waren nie verschwunden

50 Jahre Kriegsgräberstätte in Costermano

Am Ende des Textes finden Sie eine Fotostrecke mit 16 Aufnahmen.

 

Man begreift das Ausmaß des Krieges

Costermano ist ein idyllischer Ort, nicht weit vom Gardasee entfernt. Steigt man einen kleinen Berg südlich des Ortes hoch, bietet sich ein beeindruckender Rundumblick. Im Norden die Alpen, Weinberge und Zypressen im Osten und Süden, im Westen der Gardasee. Auf diesem Bergrücken liegt der deutsche Soldatenfriedhof, auf dem fast 22.000 Kriegstote bestattet sind. Mindestens alle zehn Jahre bittet der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Angehörige der dort ruhenden Kriegstoten, Interessierte, kirchliche und gesellschaftliche Würdenträger zur Gedenkfeier nach Costermano. Die Patenschaft über die Kriegsgräberstätte Costermano hat der Volksbund-Landesverband Bayern.

Blumen gegen das Vergessen

Am glühend heißen Nachmittag des 5. August 2017 treffen nach der Niederlegung eines Kranzes am italienischen Denkmal mehrere hundert Menschen auf dem Friedhof Costermano ein. Es sind Familienangehörige der Kriegstoten, deutsche und italienische Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Militär sowie Jugendliche eines internationalen Workcamps des Volksbundes. Die zwanzig Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren hatten dort vorab Gräber gepflegt und sich gemeinsam mit den Soldaten des Arbeitseinsatzes mit Biographien der dort Bestatteten befasst. Dieses Workcamp hat schon Tradition, seit 1991 findet es jährlich statt.

Die vielen Menschen, die an der Gedenkfeier teilnehmen gedenken ihrer Angehörigen, legen Kränze und Blumen nieder. Auch an den Gräbern der unbekannten Soldaten, zu denen nur selten jemand geht, stehen frische Blumensträuße. Der Volksbund hatte mit der Aktion: "Blumen gegen das Vergessen" um Spenden für diese Blumensträuße gebeten. Jetzt konnten rund tausend Gräber mit gespendeten Blumen von den Teilnehmern der internationalen Jugendbegegnung und den Soldaten des Feldjäger Regiments 3 aus München geschmückt werden. An diesem 50. Jahrestag der Eröffnung der deutschen Kriegsgräberstätte Costermano kam auch der Kunstschmiedemeister Bergmeister aus Ebersberg, der letzte noch lebende Künstler, der persönlich beim Bau mitgewirkt hat und unter anderem das eindrucksvolle Hochkreuz schuf. Wie er kamen auch einige Gäste, die schon vor fünfzig Jahren bei der Einweihung anwesend waren und die diesmal vielleicht das letzte Mal nach Costermano fahren konnten.

Wir erhalten die Mahnmale für den Frieden

Viele der Angehörigen sind erfreut und auch sehr gerührt, wenn sie sehen, dass junge Menschen die Gräber pflegen. Sie wüssten nicht, so sagten einige, wie lange sie noch nach Costermano kommen können. Deshalb wäre es schön zu sehen, dass junge Menschen sich um die Gräber kümmern würden. Auch für die jungen Leute war die Gedenkveranstaltung ergreifend. Sie unterstützten die Angehörigen bei der Suche nach bestimmten Gräbern, sie versorgten die Menschen bei 42 Grad Hitze mit Trinkwasser. Die Arbeit auf der Kriegsgräberstätte, die Begegnungen mit den Angehörigen hinterließen bei ihnen tiefe Eindrücke:

In den zwei Wochen unserer Jugendbegegnung in Costermano haben wir uns nicht nur mit den Themen Krieg, Gewaltherrschaft und Menschenrechte auseinander gesetzt, sondern hier auf dem Friedhof gemeinsam gearbeitet. Bei den Pflegeeinsätzen haben wir uns intensiv mit den Schicksalen der Menschen beschäftigt, die hier begraben sind. Wir haben uns auch gefragt, was unser Engagement für uns persönlich bedeutet und welche Gedanken wir mitnehmen.

Was bedeutet dieser Friedhof für uns?

Natürlich ist uns die Geschichte Deutschlands bekannt; allerdings wird sie hier zur Realität. Die Zahlen aus den Büchern werden zu Namen und Identitäten. Man begreift nun das volle Ausmaß, das volle Leid des Krieges.

Was haben wir beim Anblick der Gräber gedacht und gefühlt?

Uns erfasste eine tiefe Trauer. Die Frage, warum es so viel unnötiges Leid geben musste, war allgegenwärtig.

Welches Grab hat uns besonders berührt?

Besonders berührt haben uns die Gräber derer, die ganz jung gefallen sind. Einer von ihnen war erst 14 Jahre alt.

Was kann ich persönlich zum Frieden beitragen?

Es gibt immer weniger Zeitzeugen und darum ist es die Aufgabe unserer Generation, sich gegen das Vergessen einzusetzen. Durch unsere Teilnahme an Jugendbegegnungen tragen wir dazu bei, Kriegsgräber als Mahnmale für den Frieden zu erhalten.

Was wünschen wir uns für die Zukunft?

Wir möchten, dass alle in einer friedvollen Welt leben, in der sich Menschen vorurteilsfrei und respektvoll begegnen

Wie geht man mit denen um, die schuldig geworden sind?

Der Friedhof stand eine Zeitlang in der Kritik. Denn man weiß, dass dort auch SS-Angehörige liegen, die verantwortlich an der Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen und in Italien mitgewirkt haben. Der Volksbund, der im Auftrag der Bundesregierung für die Pflege der Kriegsgräberstätten im Ausland verantwortlich ist, setzt sich damit auseinander. Er informiert die Besucherinnen und Besucher der Kriegsgräberstätte in Texttafeln darüber. Ein Credo des Volksbundes lautet: 'Die hier liegenden Toten mahnen uns zu Frieden und Versöhnung. Auch die Schuldigen, die hier begraben sind, mögen ihre letzte Ruhe finden, obwohl sie unaussprechliches Leid über viele Menschen und ihre Familien gebracht haben. Ihre Verbrechen sind uns jedoch zugleich Aufforderung, aus der Geschichte zu lernen und auch unter schwierigen Umständen stets für die Achtung der Menschenrechte und -würde einzutreten'. Dies betonte auch Prof. Rolf Wernstedt in seiner Gedenkrede, just an dem Tag, an dem sein eigener Vater vor 73 Jahren an der Ostfront fiel.

Erinnerung darf kein fernes Echo sein

Dr. Cioacchino Alfano aus dem italienischen Verteidigungsministerium begrüßte besonders herzlich die Familienangehörigen der Kriegstoten, die aus Deutschland nach Costermano gereist waren. In seinem Totengedenken forderte er, dass Erinnerungen nicht in Vergessenheit geraten dürften, sondern zu einem lebendigen Moment für eine kollektive Sensibilisierung für die Macht des Krieges, der Gewalt und des Bösen werden.

Um mit Eli Wiesel zu sprechen: "Ohne Erinnerung gäbe es keine Hoffnung. Wir können nichts mehr für die Toten tun, es ist zu spät. Aber wenn wir uns an die Vergangenheit erinnern, können wir sehr viel für die Jungen, für die neuen Generationen tun".

Eine junge hochschwangere Besucherin des Friedhofes bedankte sich sehr ergriffen bei den Volksbund-Mitarbeitern vor Ort, als sie unverhofft den Namen ihres Großvaters auf den neu angebrachten Namentafeln am Gemeinschaftsgrab in der Gedenkhalle sah. Nachträglich konnten aufgrund von intensiven Recherchen 653 Namen von "Unbekannt" Bestatteten ermittelt und beschriftet werden - so bekamen auch diese Toten ihren Namen zurück.

Versöhnung über den Gräbern, Arbeit für den Frieden, das ist Motto und Inhalt der Arbeit des Volksbundes. Der Volksbund pflegt im Auftrag der Bundesregierung über 800 Kriegsgräberstätten in 146 Staaten, auf denen über 2,7 Millionen Kriegstote ruhen.

 

Text: Diane Tempel-Bornett
Redaktion: Arne Schrader