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„Ein Geschenk, mit dem wir sorgsam umgehen müssen“

25 Jahre Kriegsgräberstätte Siemianowice: Volksbund dankt Polen für große Versöhnungsbereitschaft

Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan gedachte in Polen aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Dabei nahm er zuerst das polnische Leid in den Blick. Die Gedenkveranstaltung in Siemianowice Śląskie (früher Laurahütte), die vor 25 Jahren eingeweiht worden war, zeigte tröstlich, dass Versöhnung möglich ist.
 

Die erste Station war Warschau. Wolfgang Schneiderhan legte am 12. Mai unter militärischen Ehrenbezeugungen im Beisein des deutschen Botschafters in Polen, Thomas Bagger, einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten in Warschau ab. An der feierlichen Veranstaltung nahmen mehr als 100 Menschen teil, darunter viele junge Leute.

Beim anschließenden Delegationsgespräch in der Botschaft wurden aktuelle Fragen zu Themen der Kriegsgräberfürsorge erörtert. „Es fand in einer außerordentlich offenen und verständnisvollen Atmosphäre statt“, sagte Schneiderhan.
 

Grabstätte für sechs unbekannte Soldaten

Am nächsten Tag reisten der Präsident und der Volksbund-Länderbeauftragte für Polen, Joachim Franke, nach Kattowitz. Auf dem Friedhof Katowice-Bogucice liegen sechs unbekannte polnische Soldaten, die in den ersten Kriegstagen im September 1939 ihr Leben verloren hatten. Das schlichte und doch eindrückliche Kriegerdenkmal hatten Menschen aus der Region gestiftet.

Hier legten Wolfgang Schneiderhan gemeinsam mit der stellvertretenden Bürgermeisterin von Siemanowice, Beata Galecka, dem Konsul in Opole (früher Oppeln), Peter Herr, und dem Generalkonsul in Wrocław (früher Breslau), Martin Kremer, im Rahmen eines stillen Gedenkens Kränze ab – stellvertretend für alle polnischen Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
 

Größte deutsche Anlage in Polen

Siemianowice Śląskie ist die größte deutsche Kriegsgräberstätte des Landes. Dort sind mehr als 34.000 Tote des Zweiten Weltkrieges bestattet. Das 3,4 Hektar große Gelände war dem Volksbund von den polnischen Behörden in den 1990er Jahren kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Ab 1997 wurden deutsche Soldaten aus der Umgebung dort eingebettet. Die Kriegsgräberstätte wurde im Oktober 1998 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Daran erinnerte die Gedenkveranstaltung, zu der am 13. Mai 2023 rund 120 Gäste anreisten – unter ihnen etwa 50 Angehörige.

Nachdem ein Orchester der deutschen Minderheit aus Kotulin (früher Groß Kottulin) die deutsche und die polnische Nationalhymne gespielt hatte, begrüßte Präsident Wolfgang Schneiderhan alle Teilnehmenden. Beata Galecka, die stellvertretende Bürgermeisterin, zitierte den Arzt und Humanisten Albert Schweitzer – „Kriegsgräber sind die großen Prediger des Friedens“ – und betonte, dass Friedhöfe auch immer ein Zeichen der Menschlichkeit zivilisierter Völker seien. Sie sei dankbar, so Galecka weiter, dass solch ein Friedhof in ihrer Stadt vorhanden sei.

Aus der Geschichte gelernt

Ein Grußwort von Staatssekretär Jarosław Sellin verlas Andrzey Krzystyniak, stellvertretender Direktor der Abteilung für zivile Angelegenheiten und Ausländer im Woiwodschaftsamt Schlesien. Darin hieß es, dass Kriegsgräberstätten nicht nur ein Zeichen der Menschlichkeit seien, sondern auch eine Pflicht und sogar ein Zeichen der Freundschaft. Denn die 25 Jahre, die diese Kriegsgräberstätte in Siemanowice existiert, seien auch ein Symbol der Verbundenheit, die aus den Lehren der Geschichte hervorgegangen sei. Sellin dankte dem Volksbund für die schwere und verantwortungsvolle Arbeit und erinnerte daran, dass in der Ukraine aktuell ständig neue Gräber entstehen.

Generalkonsul Martin Kremer betonte, dass Polen am stärksten unter der brutalen Besatzungs- und Vernichtungspolitik Deutschlands gelitten habe. Er hob hervor, dass gemeinsame Gedenkveranstaltungen wie diese der beste Beweis dafür seien, dass Schritte zur Versöhnung zwischen den Nationen möglich sind. Dieser Friedhof sei auch eine Mahnung, damit nicht vergessen werde, was sich nie wiederholen darf. Deshalb dürfe man nicht gleichgültig bleiben gegenüber der russischen Aggression in der Ukraine und der Tatsache, dass schon Tausende Opfer brutaler Luftangriffe wurden und ihre Häuser, Freunde und Verwandte verloren.
 

Gräber früher heimlich gepflegt

Marcin Lippa, Vizevorsitzender des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen und Vorsitzender des Deutschen Freundschaftskreises in Schlesien, zitierte den Romantikdichter Eichendorff: „Der Tod ist nur ein kurzes Trennen, bis wir uns wiedersehen …“  Das Schicksal der Soldaten, fuhr Lippa fort, sei immer ähnlich gewesen: „Sie verließen ihre Familien und wussten nicht, wohin sie gehen und wo sie sterben würden. Uns, die wir an Gott glauben, sind solche Orte wichtig, denn dort können wir uns auf ein Wiedersehen freuen!“ Er erinnerte auch daran, dass die deutsche Minderheit solche Gräber früher heimlich pflegte – erst ab 1989 durfte der Volksbund in Osteuropa arbeiten.

Auch Polen pflegten die Gräber deutscher Soldaten, wie die Geschichte von Max Erb eindrucksvoll zeigt. Er ist in Siemianowice begraben.

„Unermessliche menschliche Größe“


Die Gedenkansprache hielt Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan. Er dankte den polnischen Partnern für ihre Bereitschaft zur Versöhnung. „Die Zerstörung des polnischen Landes und der polnischen Gesellschaft waren so immens, dass es unmöglich schien, zu einem wie auch immer gearteten Miteinander zu gelangen.“ Schon 20 Jahre nach dem Krieg hätten die Polen den Deutschen die Hand zur Versöhnung gereicht. „Wir vergeben und wir bitten um Vergebung,“ hätten die polnischen katholischen Bischöfe 1965 an ihre deutschen Amtsbrüder geschrieben und sie in ihr Land eingeladen. „Das war der Ausdruck einer unermesslichen menschlichen Größe“, so Schneiderhan.

„Eine solche Versöhnung kann man nicht einfordern, darauf gibt es keinen Anspruch“, sagte der Volksbund-Präsident weiter. „Das Versöhnungsangebot von polnischer Seite ist für uns ein Geschenk – und zwar ein Geschenk, mit dem wir sorgsam umgehen müssen und bei dem wir nicht vergessen dürfen, wie außergewöhnlich es ist. Ebenso werte ich es als großes Geschenk, dass wir unseren gefallenen Soldaten in der polnischen Erde eine letzte Ruhestätte geben, in Polen ihrer gedenken und um sie trauern dürfen.“

zur Rede im Wortlaut
 

Nicht an die Macht des Stärkeren glauben

Pater Dr. Robert Chudoba, der katholische Bischofsvikar von Gleiwitz, und der evangelische Pastor Wojciech Pracki sprachen ein ökumenisches Gebet mit bemerkenswerten Zeilen: „Ich glaube nicht an die Macht des Stärkeren. Ich glaube daran, dass Gott Männer und Frauen gleichberechtigt geschaffen hat und an eine Welt, in der Frieden und Gerechtigkeit sich küssen.“

„Eine solche Versöhnung kann man nicht einfordern, darauf gibt es keinen Anspruch.“

Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan

Das „Eine-Million-Projekt“

Noch immer sucht und findet der Volksbund Kriegstote – auch in Polen – und wird diese Aufgabe in den kommenden Jahren weiter erfüllen. Mit dem „Eine-Million-Projekt” will er einen Meilenstein erreichen: Bis zum Herbst 2023 sollen eine Million Tote des Ersten und Zweiten Weltkrieges seit 1992 vor allem in Osteuropa ausgebettet sein. Diejenigen, die in Siemianowice begraben sind, gehören dazu.


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