Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Grave search Become a member Donate online Donate

Von der Angst des Bomberpiloten – Kriegsgräber in Irland

Wolfsburger Schüler erforschen Schicksale und die Geschichte des Soldatenfriedhofs Glencree

Glencree südlich von Dublin ist Irlands einziger deutscher Soldatenfriedhof. 134 Gefallene aus beiden Weltkriegen liegen hier begraben – vom 19 Jahre alten Kampfflieger bis zu einem 56-Jährigen, der für Deutschland spionierte. Jugendliche der Wolfsburger Eichendorffschule haben im Rahmen eines mehrjährigen Projekts Biographien einiger der hier ruhenden Kriegstoten erforscht. Sie besuchten den Friedhof bei einer Projektfahrt und brachten QR-Codes an, die zu ihren Texten führen.
 

Der kleine Friedhof Glencree tief in den Bergen des County Wicklow könnte idyllischer nicht liegen. Im Halbrund eines ehemaligen Steinbruchs zeigen Symbolkreuze, dass hier Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Auf der einen Seite rauscht der Glencree River durch ein Tal mit Rhododendren.

Ein mächtiges keltisches Kreuz überragt die Kriegsgräberstätte und am Eingang liest der Besucher die Worte des Dichters Stan O’Brien: „It was for me to die / Under an Irish Sky“ – „Mein Los war der Tod / Unter irischem Himmel“.

Die fünf Mädchen und drei Jungen sind sichtlich beeindruckt. Sie gehören alle zum neunten Jahrgang der Oberschule und des Gymnasiums der katholischen Eichendorffschule aus dem niedersächsischen Wolfsburg. Ein Besuch auf einem Soldatenfriedhof – dazu in so exotischer Lage – ist für die meisten eine Premiere.

Schicksale im Fokus

Auf diesen Besuch haben sie sich viele Monate vorbereitet, erklärt Lehrerin Susanne Wolf. Sie kennt die einzige deutsche Kriegsgräberstätte Irlands von früheren Besuchen und hat die Jugendlichen animiert, sich mit der Geschichte des Friedhofs und den Schicksalen der hier Ruhenden zu beschäftigen. Hauptsächlich waren es Angehörige der Luftwaffe, der Kriegsmarine, aber auch Kriegsgefangene.

Am Ende standen drei ausgearbeitete Biographien, die Geschichte des Friedhofes sowie der Untergang  des Passagierschiffes „Arandora Star“. Es war am 2. Juli 1940 auf seinem Weg nach Kanada vom deutschen U-Boot U 47 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Günter Prien vor der irischen Küste versenkt worden. 800 Menschen ertranken, darunter auch viele Deutsche jüdischen Glaubens.

Geschichte der „Arandora Star“

Zurück auf die Kriegsgräberstätte: Dalena Junge und Paula Thönebe haben die Geschichte der „Arandora Star“ erforscht und aufgeschrieben. 46 deutsche Kriegsgefangene, die den Untergang nicht überlebten, liegen auf dem Friedhof Glencree. Jetzt geht es darum, einen Grabstein auszusuchen, an dem sie eine Schieferplatte mit QR-Code niederlegen. Nach längerer Überlegung entscheiden sie sich für den Stein mit der Inschrift „Zwei deutsche Soldaten“. Bis heute konnten sie nicht identifiziert werden.

Wer diesen Code mit dem Handy scannt, wird auf eine Internetseite der Eichendorffschule geleitet. Dort ist die Geschichte des Schiffes „Arandora Star“ auf Deutsch und Englisch nachzulesen. „Wir haben im Herbst begonnen, Datenbanken durchzusehen, Bundesarchive anzufragen und auch irische Quellen zu nutzen“, erläutert Lehrerin Susanne Wolf.
 

Abgestürzt am 5. März 1941

Auf diese Weise stießen beispielsweise Nils Karius und Fiona Kliemann auf einen Mann, der ihnen von seinem Onkel Anton „Toni“ Böhner berichtete. Wer nun den QR-Code scannt, liest über Böhners Angst, im Einsatz als Bomberpilot abgeschossen zu werden. Eine Angst, die offenbar berechtigt war: Am 5. März 1941 starb er bei einem Absturz nach Beschuss durch britische Spitfire-Jagdflugzeuge.

Ex-Spion kümmert sich um Waisenkinder

Den wohl komplexesten Lebenslauf hat sich Neuntklässler Timo Kutsche vorgenommen. Er beschreibt die Lebensgeschichte von Dr. Hermann Görtz aus Lübeck, der schon im Ersten Weltkrieg kämpfte, später Irland kennen- und lieben lernte, für deutsche Nachrichtendienste spionierte und sich mit IRA-Kämpfern befreundete. Nach dem Krieg kümmerte er sich um deutsche Waisenkinder in Irland und nahm sich im Mai 1947 aus Furcht vor einer Auslieferung nach Deutschland das Leben. Ein eigener Grabstein erinnert daran, dass Görtz zunächst in Dublin bestattet und erst 1974 nach Glencree umgebettet wurde.

Idee bei Pflegeeinsatz gereift

Schulleiter Christian Lübke hat beobachtet, dass sich viele Schülerinnen und Schüler nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine noch mehr für Geschichte interessieren, sich intensiver mit ihr befassen. 2022 war Susanne Wolf mit sechs anderen Schülern in Glencree, um „Steine zu schrubben“, wie die Lehrerin den Pflegeeinsatz ihrer Projektgruppe nennt. Dabei sei die Idee für ein Biographieprojekt gereift. Die Volksbund-Stiftung „Gedenken und Frieden” hat es finanziell unterstützt.

Am 2. Mai 2023 besuchten Volksbund-Vertreter die Schülergruppe in Wolfsburg und zeichneten sie für ihren besonderen Einsatz aus.
 

Projekt geht weiter

Mit dem kommenden Jahrgang will die Lehrerin die Arbeit fortsetzen: „Nach dem Projekt ist vor dem Projekt.“ Die Eichendorff-Schule kann dabei weiter mit Volksbund-Unterstützung rechnen. „Es ist ein schönes Beispiel, wie die Arbeit am Kriegsgrab Interesse an Geschichte und an den Schicksalen der Menschen im Krieg wecken kann“, freut sich Generalsekretär Dirk Backen.

Auf der Internetseite der Schule ist ein Artikel zu finden, den Schülerinnen und Schüler geschrieben haben.

Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit