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Biographie

Feldpostbrief in einer Vitrine auf Kreta

Biographisches Material: Der Weg bis in die Ausstellung
Ein Artikel von Christiane Deuse

Welchen Weg geht biographisches Material beim Volksbund, bis Ausschnitte einer Lebensgeschichte in einer Ausstellung im Ausland sichtbar sind? Im Fall des 20-jährigen Karl Lüftl, der am ersten Tag der Invasion auf Kreta 1941 starb, beginnt er Anfang Mai 2020.


Der Volksbund erhält das, was seine Nichte Ingrid Heubeck auf den Weg gebracht hat:

Briefe, Fotos und Dokumente, die das Schicksal ihres Onkels dokumentieren.

Ein Schreiben ihrer Mutter zur Familiengeschichte gehört dazu, außerdem 27 Luftpostbriefe und ein Fotoalbum, Kenn- und Ausweiskarte und ein Porträt, das ihn in Uniform zeigt.

Schließlich der Brief mit der Todesnachricht und die Anzeige.

Zu jeder Kriegsgräberstätte eine Biographie

In der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit ist seit Anfang 2020 – neben dem Schwerpunkt Ausstellungen – auch das Projekt „Kriegsbiographien“ zu Hause. Drei ehrgeizige Ziele verfolgt es langfristig: für jede der 832 Kriegsgräberstätten des Volksbundes mindestens eine Biografie vorweisen; möglichst vielen Namen an Gräbern eine Geschichte und ein Gesicht geben; einen Fundus schaffen für die Gedenk- und Bildungsarbeit. Neben Veranstaltungen, Workcamps für Jugendliche oder Publikationen gehören dazu auch Ausstellungen im Ausland – wie sie 2020 für Maleme auf Kreta entsteht.

Zum Team „Kriegsbiographen“ gehören aktuell Franziska Haarhaus, Annette Uhr (bis Ende Juli) und Flemming Menges. Sie sichten die Dokumente, scannen sie ein und schicken sie zurück. Darf der Volksbund einen Nachlass behalten, findet er seinen Platz im Archiv. Ist alles erfasst, wertet das Team aus, transkribiert zum Beispiel Feldpostbriefe und erstellt eine Kurzbiographie. Dafür sind zum Teil auch wissenschaftliche Recherchen nötig. Abschließend wird alles in eine Datenbank übertragen. Im „100er“ Bestand, der für deutsche Kriegstote auf Kriegsgräberstätten im In- und Ausland angelegt ist, ist auch das Konvolut zu Karl Lüftl zu finden. 173 Dateien umfasst es schließlich. 
 

Schnittstelle Volksbund – Agenturen

Danny Chahbouni ist in der Abteilung für Ausstellungen zuständig. Er koordiniert die weiteren Schritte. Konvolute, die die „Kriegsbiographen“ für ein aktuelles Projekt herausgesucht haben, gibt er weiter an die, die mit der Ausstellung betraut sind. Für Maleme ist das die Agentur „kursiv | text – objekt – raum“ in Dresden. Sie wertet aus, sucht aus, stellt zusammen und recherchiert weiter bei Bedarf, um Lücken zu füllen. Die Auswahl für diese Kriegsgräberstätte auf Kreta soll international sein: damalige Kriegsgegner und Angehörige, Widerstandskämpfer, zivile Wehrmachtsopfer, Zwangsarbeiterinnen, KZ-Überlebende. Möglichst vielschichtig – „multiperspektivisch“ – soll das Bild sein, das dadurch entsteht.

Das Schicksal Karl Lüftls ist eins von 16, die schließlich ausführlicher dargestellt sind. Drei Fotos und Text informieren über den Soldaten, vor allem aber über den jungen Mann, Sohn, Bruder und Freund, der er war. Eine Vitrine zeigt außerdem einen Feldpostbrief samt Umschlag und eine Postkarte.
 

Anschaulich für jüngere Generationen

„Biographien zeichnen ein ganz anderes Bild von den Lebensumständen, davon, wie es im Krieg war“, fasst Ingrid Heubeck  zusammen, was sie am neuen Ausstellungskonzept des Volksbundes schätzt. Sie sagt auch: „Einerseits ist es ein bisschen befremdlich, dass so viele teilhaben werden am Schicksal meines Onkels. Andererseits schmerzt es immer noch, dass er so jung und so sinnlos verstorben ist.“ Genau das sollen gerade die nächsten Generationen, für die der Krieg und seine Folgen weit weg sind, erfahren und nachvollziehen können.

Die Biographie Karl Lüftls wird auf Kreta mit Fotos, Text und Exponaten ihren Teil dazu beitragen. Die Ausstellung in Maleme sollte ursprünglich zum 80. Jahrestag der Invasion am 20. Mai eröffnet werden. Jetzt ist die Eröffnung für den Herbst geplant. 
 

Karl Lüftl – zur Person

Geboren wurde er am 21. Januar 1921 in Unterhaching bei München. Karl Lüftl war Gefreiter im II. Bataillon des Fallschirmjägerregiments 1. Er starb am 20. Mai 1941, am ersten Tag der Invasion deutscher Truppen auf Kreta („Unternehmen Merkur“) noch während des Sprungs. Begraben ist er auf der Kriegsgräberstätte Maleme, Block 1, Grab 677.
 

Projekt Kriegsbiographien

Bis Mai 2021 hatte das Team 359 Biographien zu 82 Kriegsgräberstätten in 30 Ländern bereitgestellt. Der Gesamtbestand umfasst Material zu 2.145 Toten auf 278  Kriegsgräberstätten in 37 Ländern.

Geplant ist, die Biographien auch mit der Gräbersuche online und mit den Seiten der Kriegsgräberstätten zu verknüpfen.