Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Grave search Become a member Donate online Donate
Volksbund-Ansichten

Wünsche erfüllen ist seine Aufgabe

Uwe Enders kümmert sich um Grabschmuck und Fotos
Ein Artikel von Christiane Deuse

„Wir zaubern!“ Wenn Uwe Enders das sagt, steckt viel dahinter: was seine Arbeit beim Volksbund ausmacht, vor allem aber, was ihn antreibt. Und dann spricht er von Blumen und Fotos, von Kriegsgräberstätten in fernen Ländern, von Männern, die am Telefon weinen. Von Dankbarkeit und seinem Wunsch, zu helfen und Gutes zu tun – Hand in Hand mit vielen anderen.
 

1992 übernahm der gebürtige Frankfurter beim Volksbund die Verantwortung für Grabschmuck- und Fotowünsche. Sein Arbeitsplatz gehört zur Angehörigenbetreuung, Referat Service, in der Bundesgeschäftsstelle. Anschrift: Sonnenallee 1 in Niestetal bei Kassel. Seit 36 Jahren ist er schon beim Volksbund (Anmerkung der Redaktion:  Im Frühjahr 2023 ist Uwe Enders ausgeschieden und in Altersteilzeit).

Wünsche erfüllen ist seine Aufgabe. Wünsche, die ihn telefonisch, per Mail, per Brief und auch schon mal auf Postkarte erreichen. Es sind die Wünsche derer, die nicht selbst eine Kriegsgräberstätte besuchen können. Die nicht selbst Blumen oder einen Kranz niederlegen und ein Foto machen können - sei es von einer Grabstelle oder von einem Namen in endloser Reihe. Bei 832 Kriegsgräberstätten, die der Volksbund in 46 Ländern pflegt, versteht sich von selbst, dass Reisen an diese Orte in den wenigsten Fällen für Angehörige möglich ist. Und regelmäßig schon gar nicht.

Darum bietet der Volksbund an, im Auftrag einen Kranz oder Blumenstrauß auf der Kriegsgräberstätte niederzulegen oder ein Foto zu verschicken. Oder beides. Darum kümmert sich Uwe Enders – und setzt alles daran, so viele Wünsche wie möglich zu erfüllen.

Rossoschka-Fotos im Archiv

Manches ist leicht: Das Foto eines Namenwürfels in Rossoschka (früher Stalingrad) in Russland zum Beispiel. Viele dieser Bilder liegen im Volksbund-Archiv. Abzüge verschickt Uwe Enders in einer Fototasche mit der Aufschrift „Erinnerung an einen lieben Menschen“. Wenn ein dreiteiliges Set bestellt ist, zeigen weitere Bilder die Kriegsgräberstätte.

Manches aber ist auch schwer – vor allem, wenn Corona dazwischenfunkt: Grabschmuck und Fotos zum Beispiel im russischen Besedino bei Kursk, rund 500 Kilometer südlich von Moskau. Dort sind mehr als 50.000 Kriegstote begraben. Dem Mitarbeiter in Moskau, Dimitri Chapij, und den russischen Friedhofsarbeitern waren die Hände gebunden.

Freundschaftsdienst nach weitem Weg

Uwe Enders fand einen anderen Weg: Dimitri Chapij fragte Mitarbeiter einer Firma aus Sankt Petersburg, die weit mehr als 1.000 Kilometer fuhren, um Namentafeln nach Kursk zu bringen. Und sie waren tatsächlich bereit, sich dort zusätzlich um Grabschmuck und Fotos zu kümmern. „Das hat mich riesig gefreut“, sagt der 58-Jährige. Das ist für ihn vielleicht das Schönste an seiner Arbeit: wenn etwas unmöglich scheint und dann doch geht. Auch, wenn die Umstände manchmal abenteuerlich sind.

Was auch bezeichnend ist: Uwe Enders hat das Ganze im Blick, nicht nur seinen Part dabei. Und verweist darum so oft es geht auch auf die anderen: auf alle, die in Niestetal beteiligt sind, und auf die Helfer in so vielen Ländern, an so vielen Orten. Die sich „riesengroße Mühe machen“, um Wünsche zu erfüllen – genauso wie er.

Wenn die Post zurückkommt …

Viel Zeit verbringt der Volksbund-Mitarbeiter am Telefon und erkennt manche Anrufer inzwischen sofort. Nicht wenige sind es, mit denen er seit vielen Jahren regelmäßig telefoniert. Er kennt nicht nur ihre ganz persönlichen Kriegserinnerungen. Er weiß auch, dass manche keinen anderen Ansprechpartner haben, wenn es um die Vergangenheit geht. „Wenn dann nach vielen Jahren plötzlich unsere Post zurückkommt, weil der- oder diejenige verstorben ist, dann ist das schon traurig“, sagt er.

Die, die Einzel- oder Daueraufträge für Grabschmuck erteilen, sind in der Regel Volksbund-Mitglieder. Inzwischen ist es die Kinder-, die Enkel- und auch die Urenkel-Generation. Die Aufträge, die über mehrere Jahre laufen, werden weniger, denn der Abstand wird größer – auch innerhalb der Familien.

Tränen vieler alter Männer

Dass Ehefrauen von Kriegstoten sich mit Wünschen melden, hat er schon länger nicht mehr erlebt. Wohl aber Männer, die noch immer um ihre Kameraden trauern. „Ich habe am Telefon schon so viele alte Männer weinen hören“, sagt er. Dann spürt er, wie lebendig bei ihnen die Erinnerung, wie groß die Trauer selbst nach so langer Zeit noch ist.

Gibt es Momente, die ihm ganz besonders im Gedächtnis geblieben sind? Pomezia fällt ihm ein, eine Kriegsgräberstätte in Italien, südwestlich von Rom, auf der gut 27.000 Kriegstote ruhen. „Einige Jahre habe ich die Volksbund-Aktion ‚Blumen gegen das Vergessen‘ betreut. Wir haben Spenden gesammelt, um auch die Gräber unbekannter Soldaten mal zu schmücken“, berichtet er.

 „Als ich mich bei einer Gedenkfeier in Pomezia um die Blumen gekümmert habe, fiel mir eine Familie auf, die offenbar eine Grabstelle suchte.“ Es ging um einen Toten des Zweiten Weltkrieges, der nicht identifiziert worden war – ein „unter den Unbekannten Ruhender“. Eine konkrete Stelle ließ sich auf dem Sammelgrab also nicht bestimmen. Uwe Enders kam mit der Familie ins Gespräch und gemeinsam legten sie einen Platz fest, an dem fortan über mehrere Jahre hinweg Blumen an den Verstorbenen erinnerten.

Ehrenamtlich geht es weiter

Sein Engagement für das Gedenken der Kriegstoten reicht bis in die Freizeit hinein: Den letzten Schritt bei Aufträgen in der Region um Kassel übernimmt er selbst. Ehrenamtlich. Seit Jahren zum Beispiel legt er Blumenschmuck an einem Grab in Hannoversch Münden nieder – für eine alte Dame aus Essen, mit der ihn inzwischen eine Freundschaft verbindet. Ihr Schwager ist dort bestattet, der auf dem Weg aus einem Lazarett in Wien zurück in die Heimat seinen Kriegsverletzungen erlegen war.

Welchen Wert das Gedenken an im Krieg verstorbene Verwandte haben kann, hat Uwe Enders schon als Junge erfahren: „Es gibt viele Bilder aus meiner Kindheit, die zeigen, dass ich mit der Familie oder Freunden am Grab des Verlobten meiner Großmutter stehe.“ Und bis heute ist es selbstverständlich für ihn, dass er dieses Grab aus dem Ersten Weltkrieg in Flandern besucht, wann immer sich die Möglichkeit bietet.

Dass aus langjährigen telefonischen Kontakten Freundschaften geworden sind, zeigt auch das: Angehörige rufen nicht nur an, um einen neuen Auftrag zu erteilen, sondern auch, um nach ihm und seinem Wohlergehen fragen. „Im vergangenen Jahr“, erzählt er, „haben im Lockdown sogar manche angerufen, die tatsächlich nur hören wollten, wie es mir geht.“

Dankbarkeit hat großen Wert

Zwei Dinge sind es, die dafür sorgen, dass Uwe Enders die Arbeit auch nach so vielen Jahren noch wichtig ist und Spaß macht. Zum einen sind es die Wünsche, die in Erfüllung gehen. Zum anderen ist es die große Dankbarkeit derer, denen er damit Gutes tut. Und die äußert sich auch in Anrufen, in denen es nicht um Aufträge geht.

„Im Lockdown haben sogar manche angerufen, die nur hören wollten, wie es mir geht.“

Uwe Enders