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Erinnern und Gedenken

Verständigung, Versöhnung & Frieden

Erinnern und Gedenken

Verständigung, Versöhnung & Frieden

Der Volksbund ist ein gemeinnütziger Verein mit dem zentralen Anliegen des Erinnerns und Gedenkens. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen.

Wir gestalten öffentliches Gedenken und suchen nach Wegen dialogischen Erinnerns. So wollen wir die unterschiedlichen historischen Erfahrungen und Erinnerungskulturen unserer europäischen Nachbarn kennenlernen und verstehen. Für die Friedensarbeit ist es wichtig, die Vergangenheit zu beleuchten und sie für nachfolgende Generationen erfahrbar zu machen. Unsere Arbeit leistet einen Beitrag dazu, dass wir aus der Geschichte lernen und diese nicht vergessen. Darüber hinaus unterstützen wir das würdige Andenken an alle, die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft waren.

 

„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen.“

George Santayana

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"Projekt trägt zur historischen Versöhnung bei“

Virtuelle Diskussion in Moskau: Russlands Außenminister Sergej Lawrow lobt Gemeinschaftsprojekt zu Kriegsgefangenen

Es war so etwas wie ein weißer Fleck, nicht nur in den deutsch-russischen Beziehungen, sondern auch in der  Geschichtsschreibung beider Länder: Die Tatsache, dass während des Zweiten Weltkrieges an die 5,7 Millionen sowjetische Soldateninnen und Soldaten, Offizierinnen und Offiziere sowie Zivilisten in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten und drei Millionen von ihnen starben. Dieses Thema war viele Jahre tabu. Der Volksbund rückte es jetzt mit Partnern bei einer Diskussion unter der Titel "Die Tragödie der Kriegsgefangenschaft" in den Fokus.

Erst nach und nach beschäftigten sich Historiker mit dieser grausamen Vergangenheit. Bahnbrechend dabei: das Gemeinschaftsprojekt „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte“, das der Volksbund auf deutscher Seite als Träger koordiniert. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren hatten es die Außenminister beider Länder ins Leben gerufen. Deshalb ließ es sich Sergej Lawrow auch nicht nehmen, in seinem Grußwort noch einmal die Bedeutung dieser Forschung hervorzuheben. „Dieses Projekt trägt zur historischen Versöhnung unserer beider Völker bei“, schrieb der russische Außenminister, „die Wahrheit darf nicht vergessen werden.“ Und Außenminister Heiko Maas ergänzte in seinem Grußwort: „Deutschland steht zu seiner Verantwortung, auch zu den dunkelsten Kapiteln seiner Geschichte.“

Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion hatte der Volksbund zusammen mit der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU) und dem Deutschen Historischen Institut (DHI) in Moskau eine große Veranstaltung geplant – mit den wichtigsten russischen Partnern, auch als Zeichen der Dankbarkeit für die gelungene Zusammenarbeit. Doch die plötzlich wieder steigenden Corona-Zahlen in der russischen Hauptstadt machten die sorgsame Planung im letzten Moment zunichte. Aufgrund eines Erlasses des Moskauer  Bürgermeisters bleiben die Universitäten zur Zeit geschlossen. Statt RGGU hieß es deshalb DHI digital. Keine persönlichen Begegnungen, sondern online zwischen Moskau,  Perm, Woronesch und Berlin.
 

Spuren überall in der Provinz

Die  digitalen Schalten quer durch Russland machten klar: Überall in der russischen Provinz finden sich noch Karteikarten, Lebensläufe  oder Briefe von Kriegsgefangenen. In Nischni Nowgorod genauso wie in den Akten des berüchtigten Geheimdienstes NKWD in St. Peterburg oder anderen Städten. Immer wieder kommt es zu überraschenden Funden in den Archiven der verschiedensten Ministerien. Oder in Krankenhäusern, in Polizeistationen, Staatsunternehmen. Archive der Wehrmacht wurden nach Kriegsende als Beute von der Sowjetarmee mitgenommen. Sie in den entlegensten Orten Russlands zu entdecken und zu durchforschen, bedeutet noch viel Detailarbeit.

Wichtiger Ansprechpartner für deutsche und russische Historiker ist das Staatliche Militärarchiv in Moskau. Dessen Leiter Wladimir Tarassow berichtete, dass  die Zahl der Anfragen nach vermissten Kriegsgefangenen auch heute noch extrem hoch sei. Früher galten sowjetische Kriegsgefangene, wenn sie in ihre Heimat zurückkehrten, oftmals als Verräter. Die Beschäftigung mit ihrer Geschichte war tabuisiert. „Erst mit dem Wegfall der Ideologie in den 90er Jahren konnte die Forschung beginnen.“

Präsident Wolfgang Schneiderhan wies in seinem Grußwort darauf hin, dass die sowjetischen Soldateninnen und Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, nicht damit rechnen konnten, gemäß dem Kriegsvölkerrecht human behandelt zu werden. „Sie wurden, sofern sie der sofortigen Ermordung entgangen waren, durch Hunger und Misshandlung gequält und als Zwangsarbeiter ausgebeutet. Auch diese Torturen folgten einer herrenmenschlichen Rassenideologie, weshalb die Todesrate unter sowjetischen Kriegsgefangenen um ein Vielfaches höher war als unter den Gefangenen der anderen Alliierten.“
 

Gute Zusammenarbeit in schwieriger Zeit

Die Dokumente gemeinsam zu sichten, zu erforschen, zu analysieren und Daten auszutauschen, ist Ziel des Projekts, das beim Volksbund von Dr. Heike Winkel betreut wird, die zusammen mit Prof. Wasilij Christoforow von der RGGU die Veranstaltung moderierte. Winkel: „Auch in schwierigen Zeiten arbeiten Historiker und Archivare vertrauensvoll miteinander.“

Dabei geht es aber nicht nur um Geschichtsschreibung oder darum, historische Lücken aufzufüllen. Jede Karteikarte, jede gefundene Marke, jeder Brief ist Zeugnis eines Schicksals. Wolfgang Schneiderhan: „Wir können diesen Menschen ihr Leben nicht zurückgeben. Aber wir können sie und damit auch das Opfer, das sie gebracht haben, wieder sichtbar machen, indem wir ihre Biografie rekonstruieren und aus einem namenlosen Sowjetsoldaten eine konkrete Person mit Namen und Lebensweg in unserer Erinnerung entstehen lassen. Auch für die Angehörigen, wenngleich mittlerweile in der dritten oder sogar vierten Generation, ist das wichtig.“

Sowjetische Kriegsgefangene wurden durch halb Europa transportiert. Unterlagen finden sich nicht nur in den ehemaligen Sowjetstaaten, sondern auch in Frankreich, Ungarn, Rumänien oder in Serbien. In die Schweiz flohen auf abenteuerlichen Wegen an die 10.000 Gefangene, auch dort existieren Archive, in denen sich ihre Spuren finden. Sie konnten dem sicheren Tod entgehen. Dies aber gelang nur den Allerwenigsten.

 

„Deutschland zeigen, wie es heute ist“

Der deutsche Botschafter Dr. Geza Andreas von Geyr betonte in seinem Grußwort: „Mir ist wichtig, dass mit der heutigen Veranstaltung auch dieses schwierige Thema Teil des Deutschlandjahres in Russland ist. Im Deutschlandjahr wollen wir Deutschland so zeigen, wie es heute ist, nicht nur wie es glänzt. Auch wie mein Land heute mit den furchtbaren Verbrechen der Nazi-Zeit umgeht, mit dem millionenfach verursachten Leid. Wir wollen zeigen, wie wir umgehen mit diesem Tiefpunkt unserer Geschichte.“

Dass es immer noch unerforschte Teile dieser Geschichte gibt, machte dann Luisa Eckert, Promovendin an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg, deutlich. In der Sowjetarmee dienten etwa eine Millionen Frauen. Wie viele in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, wie es ihnen dabei erging, was sie erlitten und durchmachten, dies ist bisher noch nicht ausgiebig erforscht worden. Wurden auch sie wie ihre männlichen Kameraden nach der Rückkehr in die Heimat als Verräterinnen gebrandmarkt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt? Ja, auch Frauen landeten in KZs, Lagern oder in der Verbannung. Eckert: „Es ist dringend erforderlich, sich diesem Thema ausgiebig zu widmen.“
 

Soldaten bei der Länder pflegen Gräber

Dass die russische Seite diesen gemeinsamen Versuch, Schicksale zu klären, sehr hoch einschätzt, machte auch  Generalmajor  Alexander Kirilin, Berater des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers, in seinem Grußwort  deutlich. In diesem Jahr werden wieder junge Soldaten im jeweils anderen Land gemeinsam Friedhöfe pflegen und nach Gefallenen des Zweiten Weltkrieges suchen – ein Projekt des Volksbundes und des russischen Verteidigungsministeriums mit Unterstützung des deutschen Verteidigungsministeriums.

Diesmal sind es die russischen Soldaten des 90. Spezial-Suchbatallions des Westlichen Militärbezirks, die dann rund zwei Wochen im Sommer in einer deutschen Kaserne bei Berlin untergebracht sind. „Und das Wichtigste“, so Generalmajor Kirilin, „dabei lernen sie sich persönlich kennen.“ Und dann zitierte er Albert Schweitzer: „Versöhnung über den Gräbern, das  ist Arbeit für den  Frieden.“    

Text: Hermann Krause
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