25 Fragen und Antworten zum Leitbild
25 Fragen und Antworten zum Leitbild
25 Fragen und Antworten zum Leitbild des Volksbundes
1) Was ist ein Leitbild?
Nach allgemeinem Verständnis ist ein Leitbild die Erklärung einer Organisation über ihr Selbstverständnis und ihre Grundprinzipien. Es formuliert Schwerpunktsetzungen für die aktuelle und künftige Arbeit. Nach innen soll ein Leitbild Orientierung geben und somit handlungsleitend und motivierend für die Organisation als Ganzes sowie auf die einzelnen Mitglieder wirken. Nach außen soll es deutlich machen, wofür eine Organisation steht.
2) Warum braucht der Volksbund jetzt ein Leitbild?
Der Volksbund wandelt sich, er muss sich wandeln. Die Zahl der direkt betroffenen Angehörigen, auch der Toten des Zweiten Weltkrieges, nimmt stark ab, damit auch die Zahl der vor allem familiär motivierten Mitglieder und Spender. Der Bekanntheitsgrad des Volksbundes sinkt. Für jüngere Menschen wird der Volksbund mit seiner Arbeit – wenn sie diese überhaupt kennen – zunehmend erklärungsbedürftig. Dies gilt auch für die Vertreter wichtiger Institutionen und Organisationen bis hin zur Politik.
3) Wer bestimmt, was in diesem Leitbild steht?
Eine vom Präsidenten berufene Arbeitsgruppe aus ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern formulierte 2014 einen Entwurf für das Leitbild und stellt ihn zur Diskussion. Grundlage waren die Ergebnisse eines Reformentwicklungsprozesses ab 2010 („Strategie-Arbeitsgruppe Hannemann“). Der Inhalt des Leitbildes wurde in einem umfangreichen Prozess unter Beteiligung der Verbandsgremien (Bundesvorstand, Bundespräsidium), der Landesverbände, der Vertreter der Jugend im Volksbund (Bundesjugendausschuss, Bundesjugendarbeitskreis), zahlreicher ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter und von interessierten Volksbundmitgliedern diskutiert und weiterentwickelt. Die endgültige Fassung wurde von den gewählten Gremien des Volksbundes 2016 beschlossen. Von Anfang an waren auch Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Kirchen und Bundeswehr in die teils interne, teils öffentliche Diskussion einbezogen und lieferten wertvolle Impulse.
4) In welchem Verhältnis steht das Leitbild zur Satzung des Volksbundes?
Das Leitbild ersetzt die Satzung nicht, sondern ergänzt sie. Da ihre Ziele relativ allgemein und breit angelegt sind, gibt das Leitbild Orientierung mit Blick auf Schwerpunkte der aktuellen Volksbund-Arbeit.
5) Was bedeutet es für die praktische Kriegsgräberfürsorge, wenn man sie als Teil der Gedenkkultur begreift?
Die „praktischen Aufgaben“ der Kriegsgräberfürsorge – die Suche nach Kriegstoten, ihre Identifizierung und würdige Bestattung, die Information und Betreuung der Angehörigen sowie Bau, Erhalt und Pflege der Friedhöfe – haben dauerhaft Bestand. Das bleibt die zentrale Aufgabe des Volksbundes. Die Zahl der Umbettungen etwa richtet sich nach den praktischen Möglichkeiten, in den Ländern Mittel- und Osteuropas zu arbeiten und die Toten noch zu finden.
Die Kriegsgräberstätten waren immer schon Orte persönlicher Trauer und gemeinsamer Erinnerung, eindrucksvoller Mahnung und durch die vom Volksbund seit den 1950er Jahren organisierten Jugendbegegnungen auch Orte der Versöhnung. Mit zunehmendem Abstand zu den Weltkriegen verlieren sie die Funktion als Orte persönlicher Trauer. Sie werden aber immer bedeutender als Stätten, die zum Lernen aus der Geschichte auffordern. Statt in Vergessenheit zu geraten, sollten die Gräber von Millionen Kriegstoten nach unserer Überzeugung eine bedeutende Funktion in der öffentlichen Gedenkkultur haben. Diese Bedeutung wird eher größer als kleiner.
6) Treten Erinnerungs- und Friedensarbeit an die Stelle der praktischen Gräberfürsorge?
Es ist umgekehrt: Die Erinnerungs- und Friedensarbeit des Volksbundes ist undenkbar ohne Bezug auf die Kriegsgräberstätten! Die schon früher von manchen angezweifelte Notwendigkeit der Kriegsgräberfürsorge auf lange Sicht wird künftig – wenn keine trauernden Angehörigen mehr da sein werden – stärker damit begründet werden, dass gerade die Kriegsgräber Basis und Ausgangspunkt einer intensiven und überzeugenden Erinnerungs- und Friedensarbeit sind.
7) Warum sprechen wir von Kriegsgräberstätten und nicht von Soldatenfriedhöfen?
Auf sehr vielen vom Volksbund gepflegten Kriegsgräberstätten sind nicht nur Soldaten bestattet, sondern auch Zivilpersonen, die dem Krieg zum Opfer fielen. Das Wort „Kriegsgräberstätte“ – verwendet statt „Soldatenfriedhof“ – trägt diesem Umstand Rechnung. Schon im Zweiten Weltkrieg verloren mehr Zivilpersonen als Soldaten ihr Leben. Die Vielfalt der Opfergruppen verlangt nach einem umfassenderen Begriff. Aus diesem Grunde heißen wir auch Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
8) Bezieht der Volksbund die Formulierungen im Leitbild nur auf den Zweiten Weltkrieg?
Die Formulierungen im Leitbild beziehen sich generell auf die Kriege und die Toten auf den Friedhöfen, für die der Volksbund verantwortlich ist (also auch die Toten des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71). Die auf eine Resolution des Bundestages gestützte Formulierung zum „Angriffs- und Vernichtungskrieg“ bezieht sich in der Tat nur auf den Zweiten Weltkrieg.
9) Ist die Frage nach historischer Schuld nicht immer umstritten und verhindern Schuldzuweisungen nicht die Versöhnung über den Gräbern?
Ja, eine glaubwürdige Arbeit für Versöhnung, Verständigung und Frieden muss auf gegenseitige Aufrechnung von Taten und Verantwortlichkeiten verzichten. Insofern sind Schuldzuweisungen an andere tatsächlich schädlich. Ein eigenes Schuldanerkenntnis, wie es zum Beispiel die Evangelische Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg in Stuttgart abgelegt hat, ist aber das Gegenteil einer Schuldzuweisung an andere. Es erklärt vielmehr, dass die Schuld – oder besser: Verantwortung – des eigenen Landes an den Kriegen und Gewalttaten von uns selbst erkannt und anerkannt wird. Die ehrliche Auseinandersetzung damit ist die notwendige Basis unserer Versöhnungs- und Friedensarbeit.
10) Darf der deutschen Kriegstoten, insbesondere der Soldaten des Zweiten Weltkrieges, nur noch gedacht, aber dürfen sie nicht mehr geehrt werden?
Das Leitbild verwendet bewusst nicht den Begriff Totenehrung, sondern spricht von Gedenken. So macht es auch der Bundespräsident in seinem Totengedenken am Volkstrauertag, so steht es seit vielen Jahren in der Präambel der Satzung des Volksbundes. Dies liegt daran, dass der Begriff „Ehre“ vielschichtig ist und im Sprachgebrauch verschiedener Länder anders benutzt wird als im Deutschen. „Ehren“ heißt hier „Anerkennen“ oder „Würdigen“ des Einsatzes der Soldaten für ihr Land bis zu ihrem Tod. Sie sollen jedoch dafür nicht unkritisch „verehrt“ werden. Die Vorstellung vom „Tod auf dem Feld der Ehre“ ist überholt.
Ein geeigneterer Begriff als „Ehre“ ist in diesem Zusammenhang „Würde“. „Würde“ kann man, unserem Grundgesetz folgend, keinem Menschen absprechen. Und dies gilt auch für die Toten. Geeigneter als „Ehrung“ ist „Gedenken“. Der Begriff „Gedenken“ unterliegt anders als „Ehren“ oder „Ehrung“ keiner Verwechslungsmöglichkeit. „Gedenken“ umfasst auch die Beschäftigung mit den Motiven, den Möglichkeiten, den Handlungen, ja der Persönlichkeit des Toten. Das „Gedenken“ an ihn ist ganzheitlich – „Ehren“, „Ehrung“ reduziert ihn auf seinen Einsatz zum Beispiel als Soldat und blendet einen großen Teil der tatsächlichen Komplexität seines Lebens und Sterbens aus.
11) Zählen deutsche Tote nicht als Opfer? Ist der gefallene Soldat nicht immer, überall und allein schon deswegen zu ehren, weil er im Glauben an eine gute Sache sein Leben geopfert hat?
Der Volksbund wird niemandem – nachträglich – absprechen, dass er im Glauben an eine gute Sache im Krieg sein Leben geopfert hat. Er ist dennoch nicht allein deswegen zu „ehren“. Die Überlegung, was der Soldat gedacht und geglaubt hat, was er – auch von Verbrechen der eigenen Seite – wusste und wissen konnte, ist Teil des Gedenkens an ihn. Viele, Soldaten wie Zivilpersonen, sind allerdings auch Opfer eines Geschehens geworden, das sie selbst durch Tun oder Unterlassen mit verursacht haben. Die Berücksichtigung eigener Anteile am Geschehen geht über einen Begriff hinaus, der Menschen nur als hilflose „Spielbälle“ übermächtigen, schicksalhaften Geschehens betrachtet.
12) Verliert ein einzelner Mensch, der gegen seinen Willen dazu gezwungen wurde, persönlich große Opfer zu bringen, damit seine Ehre?
Einem Menschen, der gegen seinen Willen gezwungen wurde, persönlich große Opfer zu bringen, kann selbstverständlich nicht nachträglich seine Ehre und Würde abgesprochen werden. Auch einem Menschen, der gegen seinen Willen gezwungen wurde, an Verbrechen mitzuwirken, kann nicht nachträglich seine Würde abgesprochen werden. Dennoch wird sich in seinem Fall immer die Frage stellen, ob es für sein Handeln gangbare Alternativen gab.
13) Sollte das Gedenken an die Toten unterschiedlich sein, basierend auf moralischen, politischen oder weltanschaulichen Kriterien?
Nein. Dazu gäbe es ohnehin keine wissenschaftlich anerkannten und menschlich angemessenen Verfahren. Eine pauschale Verurteilung nach dem Tod wäre diffamierend. Zu den allermeisten Toten können wir keine Aussage über ihr persönliches Verhalten treffen.
14) Sollen alle deutschen Soldaten als „Täter“ gekennzeichnet werden?
Nein. Solche unzulässig vereinfachenden Vorwürfe sind absurd. Sie werden mit polemischer Absicht besonders von Menschen oder Organisationen mit rechtsextremem Hintergrund gebraucht, von denen sich der Volksbund nachdrücklich distanziert. In dem der Volksbund sich differenziert mit der Rolle und dem sehr unterschiedlichen Handeln deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg beschäftigt und Biographien ins Zentrum seiner Bildungsarbeit rückt, wird ja gerade Tendenzen entgegengewirkt, deutsche Soldaten pauschal als Täter zu bewerten.
15) Ist der Volksbund eine Institution, die sich – zumindest im Gedenken – der Opfer aller Kriege und Gewaltherrschaften auf der ganzen Welt annimmt?
Der Volksbund kümmert sich gemäß seinem vom deutschen Staat verliehenen Auftrag um die Gräber der deutschen Kriegstoten. Er gedenkt aber nicht nur dieser Toten auf den von ihm gepflegten Kriegsgräberstätten, sondern gemäß dem deutschen Totengedenken aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Das Gedenken an deutsche Kriegstote muss das Gedenken an die Gefallenen der ehemaligen Kriegsgegner und die Opfer deutscher Verbrechen einbeziehen. Der Volksbund gedenkt auch der Toten der Konflikte und Kriege unserer Tage auf der ganzen Welt. Eine glaubwürdige Mahnung zum Frieden kann sich nicht darin erschöpfen, nur auf die Toten der Weltkriege hinzuweisen.
16) Gehen die Mittel des Volksbundes in der Zukunft schwerpunktmäßig in die Jugend-, Schul- und Bildungsarbeit?
Nein. Ein sehr viel größerer Anteil wird auch künftig für die umfangreichen Aufgaben der Kriegsgräberpflege und Schicksalsklärung benötigt werden. Zwar werden nur noch wenige Friedhöfe neu anzulegen sein (mit Schwerpunkt in Südosteuropa), aber die vorhandenen Anlagen müssen weiterhin erhalten und gepflegt werden. Außerdem stellen sich große, bisher nicht überzeugend gelöste Fragen wie vor allem die einer angemessenen Lösung für die Millionen Kriegsgefangenen und Vermissten, die bisher keine würdigen Gräber erhalten haben. Obwohl wir als Volksbund entsprechend dem Gräbergesetz für alle Kriegstoten bis 1952 zuständig sind, hatten wir die deutschen Internierten in der ehemaligen Sowjetunion kaum im Blick.
17) Unterwirft sich der Volksbund von außen kommenden Ansprüchen, um so den Zufluss von (staatlichen oder anderen) Mitteln sicherzustellen?
Die Arbeit des Volksbundes ist direkt abhängig von den ihm zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Die Förderer des Volksbundes und die deutsche Bundesregierung sind diejenigen, die entsprechende Ansprüche an ihn stellen könnten. Ein solcher Druck existiert nicht, sieht man von den selbstverständlichen, bekannten Erwartungen an die Arbeit des Volksbundes ab. Anderen Einflüssen unterliegt der Volksbund nicht und hätte auch keinen Anlass, solchen nachzugeben. Nur soweit Projekte aus Mitteln Dritter (etwa der Europäischen Union) finanziert bzw. mitfinanziert werden, sind entsprechende Ansprüche bei der Konzeption und Umsetzung der Projekte zu berücksichtigen. Diese müssen ungeachtet dessen satzungskonform sein und bleiben.
18) Soll der Volkstrauertag zu einem internationalen Friedensmahntag werden, wo aller Opfer vergangener und gegenwärtiger Kriege, Konflikte und Gewaltherrschaften gedacht und um sie getrauert wird? Wenn ja, ist das eine Entwicklung, die auch in den Nachbarländern und anderswo zu beobachten ist?
Am Volkstrauertag wird seit langer Zeit nicht nur der deutschen Toten gedacht, sondern auch der Toten anderer Nationen. Es wäre sicher zu begrüßen, dass dieser Tag zu einem internationalen Tag der Erinnerung und der Mahnung zum Frieden würde. Der Volksbund setzt sich dafür ein, dass sich die deutsche Erinnerungs- und Gedenkkultur stärker in den europäischen Kontext einordnet, ohne ihre Wurzeln zu verlieren. Dies allerdings kann nur in einem internationalen Prozess behutsam vorangetrieben werden. Dazu entwickelt der Volksbund derzeit mit anderen Kriegsgräberorganisationen in Europa Ideen und Ansätze.
19) Was haben die Weltkriege und ihre Folgen mit den totalitären Diktaturen im 20. Jahrhundert zu tun?
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen waren die Basis für die Entstehung mehrerer totalitärer Diktaturen. Dadurch, dass die deutsche Heeresleitung Lenin und seinem Gefolge den Weg nach Petrograd bereitet hat, trug sie zur „Oktoberrevolution“ 1917 und der Entstehung der Sowjetunion bei. Die Entstehung der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland hat einen Ursprung in den Versailler Verträgen, ohne die Hitler kaum seine Mehrheiten gefunden hätte, die zu seiner Herrschaft führten. Der Hitler-Stalin-Pakt stand am Beginn des Zweiten Weltkrieges. Die Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und der Herrschaftsanspruch der Sowjetunion führten zur Teilung Europas und Deutschlands, die erst 1989/1990 überwunden wurde. Die Folgen der beiden Weltkriege betrafen die ganze Welt und wirken bis heute nach.
20) Was sagt der Volksbund zu Verbrechen, die von anderen an Deutschen begangen wurden?
Jedes Verbrechen, egal von wem begangen, egal an wem begangen, ist verurteilungswürdig. Der Volksbund wird jedoch nicht anderen Ländern die von deren Bürgern in deren Namen begangenen Verbrechen vorhalten oder versuchen, diese gegen Verbrechen der deutschen Seite aufzurechnen. Dies würde die Basis einer ehrlichen Versöhnung zerstören. Jedes Land muss sich selbst mit der eigenen Geschichte in allen ihren Facetten auseinandersetzen.
21) Wie kann man von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erwarten, dass sie in Auslandseinsätzen kämpfen, wenn sie nicht gewiss sein können, dass ihr Handeln nicht später als kollektives und auch persönliches Verbrechen begriffen wird?
Diese Anmutung ist absurd. Die Bundeswehr ist die Armee eines demokratischen Staates und führt keine Eroberungs- und Vernichtungskriege. Sie hat sich bewusst und ausdrücklich nicht in die Tradition der deutschen Wehrmacht gestellt. Die Einsätze im Ausland werden durch den Deutschen Bundestag beschlossen, sie finden gemeinsam mit den Streitkräften anderer demokratischer Staaten statt. Sie stehen unter dem wachsamen Blick der internationalen kritischen Öffentlichkeit. Man kann dennoch nicht ganz ausschließen, dass spätere Generationen das Handeln von heute anders bewerten werden als die Menschen von heute. Dies bezöge sich allerdings vor allem auf das Handeln der internationalen Staatengemeinschaft oder von Bundesregierung und Bundestag. Sollten einzelne Soldatinnen und Soldaten bei einem solchen Einsatz tatsächlich individuell schuldig werden, greift eine geordnete Gerichtsbarkeit. Sie haben überdies die Möglichkeit, sich der Teilnahme an solchen Einsätzen zu verweigern, ohne dafür – anders als im Dritten Reich – mit schwersten Folgen für sich und ihre Familien rechnen zu müssen.
22) Warum beschäftigt sich der Volksbund mit Fragen der Schuld und Verantwortung für deutsche Verbrechen, wenn Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und wichtige gesellschaftliche Institutionen im In- und Ausland dies längst getan haben? Was ist an neuen Informationen zu erwarten?
Mit zunehmendem Abstand von den Kriegen werden Fragen immer wieder neu gestellt, ein familiäres Vorwissen kann nicht mehr vorausgesetzt werden. Der Volksbund muss also die Vermittlung von Wissen über unsere Kriegstoten sicherstellen. Allein schon die Arbeit auf den Kriegsgräberstätten mit jungen Menschen gebietet es, sich ihren Fragen zu stellen. Dies tut der Volksbund seit 1953. Dabei geht es selbstverständlich nicht allein um Verbrechen. Es geht um die Schicksale der Menschen, um die Rahmenbedingungen, denen sie ausgesetzt waren, um ihre Handlungsoptionen und ihre tatsächlichen Handlungen. Die Arbeit an den Kriegsgräbern, an den Biographien der Einzelnen bringt eine individuelle Dimension in die Beschäftigung mit der Vergangenheit, die in Wissenschaft und Forschung vielfach nicht berücksichtigt wurde.
23) Warum schafft man den toten Soldaten „würdige Ruhestätten“, wenn sie gleichzeitig als Mitwirkende an einem vom eigenen Land verschuldeten verbrecherischen Krieg verstanden werden?
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein würdiges Grab. Die Rolle deutscher Soldaten als aktiv Handelnde in einem verbrecherischen Angriffskrieg wie dem Zweiten Weltkrieg kann diesen humanitären Grundsatz nicht in Frage stellen. Gerade für diese Position, die eine Grablegung auch für Angehörige der Waffen-SS immer einschloss, wurde der Volksbund in der Vergangenheit wiederholt angegriffen. Der Volksbund sortiert nicht, der Volksbund richtet nicht, aber er klärt auf und trägt auf diese Weise dazu bei, dass der Wert des Friedens nicht in Vergessenheit gerät.
24) Ändert sich die Gedenkkultur auch mit Blick auf die Soldatinnen und Soldaten heute?
Ja, der Volksbund gedenkt auch der Einsatztoten der Bundeswehr inzwischen alljährlich zum Volkstrauertag, indem er an Veranstaltungen am Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin und im „Wald der Erinnerung” bei Potsdam teilnimmt. Auch an den Gräbern der Toten in ihren jeweiligen Heimatorten setzt der Volksbund an besonderen Gedenktagen ein Zeichen – wenn die Angehörigen damit einverstanden sind.
25) Ist ein Ende der Umbettungen von Toten des Zweiten Weltkrieges absehbar?
Nein, allein für Osteuropa rechnet der Volksbund noch immer mit mehr als zwei Millionen Toten, die noch nicht geborgen sind.
VERSÖHNUNG ÜBER DEN GRÄBERN – GEMEINSAM FÜR DEN FRIEDEN
Dieses Leitmotiv bestimmt seit Jahrzehnten die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die sich als aktiver Beitrag zur deutschen Erinnerungskultur versteht. Im gesellschaftlichen Diskurs über Krieg und Gewaltherrschaft dürfen seine Erfahrungen mit Leid, Trauer, Verständigung und Versöhnung nicht fehlen.