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Spuren jüdischen Lebens in Hamburg retten

Friedhof Ilandkoppel ist einzigartig – Volksbund koordinierte 2021 acht Einsätze der Bundeswehr

Der jüdische Friedhof Ilandkoppel in Hamburg ist ein ganz besonderer Ort. Das heute etwa zwölf Hektar große Areal stammt aus einer Zeit, als die jüdische Gemeinde der Hansestadt mit rund 20.000 Mitgliedern zu den größten in Deutschland zählte. Einmalig bundesweit: Ein Teil war ausschließlich für jüdischen Kriegstote angelegt. Den Friedhof zu erhalten und zu pflegen – dazu tragen Volksbund und Bundeswehr seit 2021 und mindestens noch zwei weitere Jahre bei.
 

Im August des vergangenen Jahres hatten Soldatinnen und Soldaten das erste Mal mit angepackt. Sieben weitere Pflegeeinsätze folgten bis zum Jahresende. Sobald es das Wetter zulässt, gehen die Arbeiten weiter – am liebsten schon im März. Der Rahmen: eine Kooperation von Bundeswehr, Volksbund und jüdischer Gemeinde.
 

„Ehrenfriedhof für die Kriegsgefallenen“

1883 wurde der Friedhof eröffnet, auf dem sich heute unter anderem eine große Trauerhalle und ein Mahnmal für die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Juden befinden. An keinem anderen Ort in Hamburg werden auch jetzt noch Menschen nach jüdischem Ritus bestattet.

Einzigartig macht diese Anlage der „Ehrenfriedhof für die Kriegsgefallenen der Deutsch-Israelitischen Gemeinde zu Hamburg“. Er ist in seiner Art und Beschaffenheit ein in Deutschland einmaliger Ort. Nirgendwo sonst gibt es ein Areal, das ausdrücklich nur zu dem Zweck angelegt wurde, die Gebeine von jüdischen Kriegstoten aufzunehmen.
 

Gestaltung 1922 abgeschlossen

Nach einer Ausschreibung durch die jüdische Gemeinde war das Areal von den beiden jüdischen Architekten Fritz Block und Ernst Hochfeld gestaltet worden. Die Arbeiten waren 1922 abgeschlossen. 85 Hamburger Soldaten jüdischen Glaubens, die im Ersten Weltkrieg zu Tode kamen, sind hier begraben. Hinzu kommen weitere 70, die als ehemalige Kriegsteilnehmer in späteren Jahren noch ehrenvoll bestattet wurden. Die Namen 400 weiterer Hamburger Soldaten jüdischen Glaubens, die an der Front starben und dort auch begraben wurden, sind auf gesonderten Stelen verewigt.
 

Schrittweiser Verfall nach 1945

Der jüdische Friedhof Ilandkoppel hat die Zeit des Nationalsozialismus trotz einiger Bombenschäden relativ gut überstanden, doch in den folgenden Jahrzehnten begann ein schrittweiser Verfall. Dadurch, dass die Angehörigen geflohen oder ermordet worden waren, gab es niemanden mehr, der sich der vielen Gräber und Grabfelder annehmen konnte.

Der ursprünglich völlig unbewachsene Friedhof verwandelte sich allein durch Flugsamen aus benachbarten Wald- und Parkanlagen in ein dicht bewachsenes Gelände mit Bäumen auch auf und zwischen den Gräbern. Das Wurzelwerk warf Grabsteine um. Die wenigen Freiwilligen der jüdischen Gemeinde standen dieser Entwicklung weitgehend machtlos gegenüber.
 

Fünf Millionen reichen nicht aus

Schließlich stellten Bund und Land 2019 rund fünf Millionen Euro zur Sanierung bereit. Diese Summe reicht aber nicht aus. Allein die baulichen Schäden an der Trauerhalle erfordern umfassende Renovierungsarbeiten. 2021 verabredeten der für den Friedhof verantwortliche Verein der jüdischen Gemeinde, Chewra Kadischa Hamburg, der Volksbund-Landesverband und das Landeskommando der Bundeswehr Hamburg eine Kooperation. In einem Jahr, in dem an vielen Orten an 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erinnert wurde, beschlossen die drei Institutionen, auf Worte Taten folgen zu lassen.

Aus Hamburg und Schleswig-Holstein

Im August begannen Soldatinnen und Soldaten aus Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen mit Angehörigen der jüdischen Gemeinde vorsichtig damit, die Grabflächen wieder freizulegen. Angeleitet von Friedhofsmitarbeitern und unterstützt von Anwohnern leisteten die Soldatinnen und Soldaten bei acht Pflegeeinsätzen 2021 wertvolle Arbeit.

Philipp Stricharz, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, und Landesrabbiner Shlomo Bistritzky dankten ihnen und dem Volksbund für die tatkräftige Unterstützung. Die Volksbund-Landesvorsitzende, Karen Koop, kündigte an, dass der Landesverband die Sanierungsarbeiten weiter begleiten und dass die Geschäftsstelle die Pflegeeinsätze der Bundeswehr weiter koordinieren werde.

2022: von der Uni zum Arbeitseinsatz

Im vergangenen Jahr hatte Michael Oswald, Bundeswehrbeauftragter des Volksbundes in Norddeutschland, die Koordination übernommen und vor allem Freiwillige der FlaRakGrp 61 aus Todendorf angefragt. 2022 übernehmen federführend Studentinnen und Studenten des Fachbereichs „Charlie“ der Universität der Bundeswehr in Hamburg die Gräberpflege.

Bis 2023 sollen wesentliche Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein. Anschließend soll vor Ort ein Informationszentrum entstehen. „Es ist uns sehr wichtig, dass man bei der Betrachtung der jüdischen Geschichte in Hamburg auch die Vielseitigkeit jüdischen Lebens berücksichtigt“, sagte Mika Harari, Friedhofsreferentin der jüdischen Gemeinde in Hamburg und Vorsitzende des Vereins „Chewra Kadischa“.

„Dazu gehört, dass man sich auch in Erinnerung ruft, wie hoch die Zahl jüdischer Männer ist, die im Ersten Weltkrieg als Soldaten starben“, so Mika Harari weiter. „Wir freuen uns sehr über die gute Zusammenarbeit mit dem Volksbund in Hamburg und blicken mit Zuversicht auf das kommende Jahr.“

Text: Dr. Christian Lübcke
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