Institutionelle Förderung nannte Bundespräsident Horst Köhler bei seiner Rede vor Bundestagsmitgliedern in Berlin als ein Mittel, um den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge langfristig zu unterstützen. (© Lukas Schramm)
Bundespräsident Horst Köhler: Arbeit des Volksbundes von hohem Wert
„Es ist an der Zeit“ – Forderung in Berlin nach langfristiger Finanzsicherheit für Kriegsgräberfürsorge
In einer bedeutsamen Rede hat Bundespräsident Horst Köhler a.D. die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge gewürdigt. Vor Parlamentariern von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP forderte Köhler langfristige finanzielle Sicherheit für die Arbeit des Volksbundes in der Zukunft.
„Weit in der Champagne, im Mittsommergrün, dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh’n…“ Es war ein sehr emotionaler Ton, den Horst Köhler zum Beginn seiner Rede in der Landesvertretung Brandenburgs in Berlin anschlug. Anlass war ein informatives Treffen, zu dem der Volksbund Mitglieder des Bundestages und Vertreter von Partnerorganisationen eingeladen hatte.
Mohnblumenfelder als Symbol
Der 80-Jährige, der von 2004 bis 2010 Präsident der Bundesrepublik Deutschland war, wählte das Lied „Es ist an der Zeit“ von Hannes Wader. Darin geht es um die vermeintlich schönen Mohnblumenfelder der Champagne, die sich als Soldatenfriedhöfe erweisen und an die furchtbaren Schlachten des Ersten Weltkrieg erinnern.
Der Folk-Sänger singt über einen 19-jährigen Soldaten, der 1916 starb. Horst Köhler zitiert die Strophe: „Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein / Dann kann es gescheh'n, dass bald niemand mehr lebt / Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt / Doch finden sich mehr und mehr Menschen bereit / Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.“
Leidenschaftlicher Appell an die Politik
Angesichts eines neuen Krieges im Osten und zehntausender deutscher Soldaten, die immer noch auf den Schlachtfeldern zweier Weltkriege gefunden und deren Schicksale geklärt werden können, stellte Horst Köhler fest: „Die Arbeit des Volksbundes ist für unser Land von hohem Wert.“ Zwar habe der Volksbund als Verein allein mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden seit seiner Neugründung 1946 rund 750 Millionen Euro eingeworben, doch die wirtschaftliche Basis erodiere zusehends.
Deshalb appellierte der Bundespräsident an die anwesenden Politikerinnen und Politiker von SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU/CSU: „Der Volksbund braucht langfristige Finanzierungssicherheit!“ Ein probates Mittel dafür sei die „institutionelle Förderung“.
Auch in Ukraine geht Arbeit weiter
Kern der Arbeit des Volksbundes sei nach wie vor die Erhaltung und Pflege der mehr als 830 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern, sie seien „Orte des Mahnens und Begreifens“. Dazu komme die Betreuung der Angehörigen sowie die Gedenk-, Jugend- und Bildungsarbeit.Der Bundespräsident nannte zwei Beispiele, die die Aktualität der Volksbund-Arbeit unterstreichen.
Im nordfranzösischen Auchy-les-mines konnten haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter des Volksbundes jetzt die Gebeine deutscher Soldaten des Ersten Weltkrieges bergen, die nach Freilegung eines Fundamentes entdeckt worden waren. In der Ukraine fanden Soldaten unweit Kiews beim Anlegen einer Stellung die sterblichen Überreste zweier Wehrmachtssoldaten und übergaben diese dem Volksbund für eine Bestattung.
„Es ist an der Zeit – Kriegsgräberfürsorge kennt keinen Schlussstrich.“
Horst Köhler, Bundespräsident von 2004 bis 2010
Ethisch-moralische Aufgabe
Mit Blick auf diesen Krieg im Osten und die mehr als 8.000 Gefallenen, die 2022 in Russland, Belarus (Weißrussland) und der Ukraine ausgebettet worden waren, unterstrich Horst Köhler die Bedeutung der Volksbund-Initiativen auf allen Ebenen – im Bund, in den Ländern, in zahllosen Städten und Gemeinden, sowohl im Haupt- wie im Ehrenamt.
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 erlebe Europa die von Kanzler Scholz benannte „Zeitenwende“. Kriegsgräberpflege, so Köhler, könne vor diesem Hintergrund eine „ethisch-moralische Schulung der Gesellschaft“ bewirken. Deshalb sollten sich anwesenden die Vertreter der Fraktionen nun überlegen, wie eine Unterstützung des Volksbundes politisch initiiert und finanziell abgesichert werden könne.Das Fazit des Bundespräsidenten war eindeutig: „Es ist an der Zeit – Kriegsgräberfürsorge kennt keinen Schlussstrich.“
Volksbund-Rolle bei Versöhnung im Osten
Zuvor hatte Wolfgang Schneiderhan die Politiker direkt angesprochen. Er sagte: „Der Volksbund braucht Sie, meine Damen und Herren. Und jetzt sage ich das sehr deutlich: Nicht nur nach hinten denken. Wir beschäftigen uns, Herr Bundespräsident, längst mit der Frage: Wo ist denn unsere Rolle, wenn es wieder um Friedensgestaltung und Versöhnungsgestaltung geht?”
Weiter fragte der Volksbund-Präsdient: „Ist da eine Rolle? Wer hat da eine Rolle? Wie können wir uns darauf einstellen? Ich meine: Das ist ein Aspekt, den wir in der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland im Augenblick noch nicht diskutieren, wohl aber denken.“
Lob vom Roten Kreuz
Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes, nannte den Abend eine „wichtige Veranstaltung, bei der der Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Horst Köhler in einer inspirierenden Rede die große Bedeutung der Arbeit des Volksbundes herausstellte.“Wichtig sei für ihn, dass Präsident Schneiderhan auch die enge Verbindung des Volksbundes mit dem Suchdienst des Roten Kreuzes betont habe. Als weitere wichtige Partner hatte Schneiderhan das Bundesarchiv und die „Arolsen Archives” genannt.
„Unglaublich beeindruckende Rede“
Volksbund-Generalsekretär Dirk Backen moderierte den Abend. Er dankte Horst Köhler für seine „unglaublich beeindruckende Rede“ und verwies auf sowjetische Soldaten, die vor allem in Brandenburg noch nicht gefunden sind. „Sie zu bergen und ihnen eine würdige Grabstätte zu geben, ist eine humanitäre Aufgabe“, sagte er, die der Volksbund ungeachtet der aktuellen Situation nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erfülle.