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Deutsch-polnischer Arbeitseinsatz: Hände reichen über Gräbern

Fläche der „Nationalen Gedenkstätte Lambinowice“ für Archäologen freigelegt

„Wenn wir etwas für den Frieden tun wollen, dann müssen wir uns über den Gräbern die Hand reichen“, ist ein Zitat von Schauspieler Klausjürgen Wussow. Genau das geschah bei einer Gedenkfeier, mit der ein zweiwöchiger Arbeitseinsatz des Volksbundes im polnischen Łambinowice (früher Lamsdorf) zu Ende ging: Deutsche und polnischen Soldaten und die Gäste reichten sich zur Versöhnung über den Gräbern die Hände.

Acht Tage lang hatte die Gruppe auf dem Gelände der „Nationalen Gedenkstätte Łambinowice“ gearbeitet, die das Europäische Kulturerbe-Siegel trägt. Das und die gemeinsam verbrachte Freizeit stärkten Verstehen und Respekt auf beiden Seiten. Zu den elf deutschen Soldaten gehörten neun aktive aus den Standorten Munster und Lohheide/Bergen und zwei Reservisten aus Zeven. Sie arbeiteten zusammen mit elf polnischen Soldaten und einer Soldatin der 10. Opolski Logistikbrigade aus Opole (ehemals Oppeln).
 

Spuren eines Kriegsgefangenlagers

Schwerpunkt war das Freischneiden einer 50 Quadratmeter großen Fläche. Dort sollen archäologische Untersuchungen Spuren und Überreste erhalten und für Museen nutzbar machen, die an das Stalag 318/VIII F (344) erinnern – eines der Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht in Łambinowice.

Dass der Kommandeur der 10. Opolski Logistikbrigade, Brigadegeneral Maciej Siudak, die Gruppe besuchte, unterstrich die Bedeutung des Einsatzes für alle Teilnehmer. Seit 2015 unterstützt die Bundeswehr das „Centralne Muzeum Jeńców Wojennych“ mit angegliederter Gedenkstätte. In den vergangenen beiden Jahren hatte Corona eine Pause erzwungen.
 

Jugenderziehungsanstalt beteiligt

Zum zweiten Mal begleiteten Schüler der Jugenderziehungsanstalt in Nysa (ehemals Neisse) die deutsch-polnische Gruppe bei ihrem Arbeitseinsatz. Ihre Pädagogen halten die Zusammenarbeit für eine sehr gute Idee und sehen in ihr einen wirkungsvollen Beitrag zur Resozialisierung. 

Dreifach vom Krieg geprägt

Die Geschichte der Gedenkstätte in Łambinowice ist dreifach von Krieg geprägt: 1870/71, 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945. 1864 von Preußen als Truppenübungsplatz für das VI. Armeekorps angelegt, wurde das Areal für mehrere hunderttausend Kriegsgefangenen aus fast allen Teilen der Welt ein Ort unendlicher Qualen, ein Ort des Leids und des Todes.

Heute spricht man von rund 300.000 Kriegsgefangenen allein aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, unter ihnen 200.000 russische, von denen rund 40.000 starben. Meist waren unmenschliche Behandlung, Hunger und Entkräftung die Todesursachen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die polnische Seite das Lager weiter und hielt dort deutsche Zivilisten gefangen, die nach Deutschland umgesiedelt beziehungsweise vertrieben werden sollten. Von 5.000 bis 6.000 Internierten starben 1.000 bis 1.500 durch unmenschliche Bedingungen, Folter und Gewalt.
 

Auschwitz, Oppeln, Krakau

Am Wochenende blieben die deutschen Soldaten unter sich, besuchten die Städte Opole (früher Oppeln), Kraków (früher Krakau) und das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. Von diesen Ausflügen kehrten sie ebenso beeindruckt wie bedrückt zurück.

Deutsch-polnische Gedenkfeier

Die Gedenkfeier zum Abschluss des Arbeitseinsatzes fand am „Denkmal für das Martyrium der Kriegsgefangenen” in Łambinowice statt. Auch hier stand das gemeinsame deutsch-polnische Auftreten im Vordergrund – ob beim Tragen der Kränze oder bei den Ehrenformationen.

Auf die Rede von Dr. Violetta Rezler-Wasielewska, Direktorin des „Centralne Muzeum Jeńców Wojennych“ folgte eine Schweigeminute für die Opfer des Krieges in der Ukraine. Anschließend sprachen unter anderem Konsulin Birgit Fisel-Rösle (Deutsches Konsulat Oppeln) und Major Leszek Radzik als Vertreter der 10. Opolski Logistikbrigade. Das Totengedenken bildete den Abschluss.

Unvergessliche Zeichen der Versöhnung

Vertreter der Gemeinde Łambinowice waren ebenso unter den Gästen wie der Landrat von Nysa und der Volksbund-Länderbeauftragte für Polen, Oberst a.D. Joachim Franke. Er hatte die Vorbereitungen für den Pflegeeinsatz gemeinsam mit seiner Frau Joanna beispielhaft unterstützt.

Beim Empfang in der Gedenkstätte erhielten die Teilnehmer Urkunden und die dortigen Mitarbeiter Blumen und Gastgeschenke. Insgesamt ein unvergessliches Erlebnis im Sinne der Verständigung und Versöhnung der beiden benachbarten Nationen.

Text: Rainer Grygiel, Bundeswehrbeauftragter für Niedersachsen und Bremen
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Hintergrund

Für die Pflege deutscher Kriegsgräber in Polen gibt es eine Sonderregelung zum Kriegsgräberabkommen von 2003. Darin ist festgelegt, dass die deutschen Gräber des Ersten Weltkrieges von polnischer Seite gepflegt werden.