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„Jugendarbeit ist die beste Prophylaxe“

Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren: Live-Diskussion im Bundestag mit Lob für die Arbeit des Volksbundes

In einer einstündigen Debatte haben Vertreter aller Parteien im Deutschen Bundestag am Mittwoch, 9. Juni 2021, an den Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion vor 80 Jahren erinnert. Einhelliges Fazit: Es war ein Vernichtungskrieg, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Beim Thema Versöhnung erwähnten Bundesaußenminister Heiko Maas, Elisabeth Motschmann (CDU) und Thomas Erndl (CSU) auch die Versöhnungsarbeit des Volksbundes sowie die Jugendarbeit mit dem PEACE LINE-Projekt und lobten sie.

An einem Tag, an dem der ukrainische Außenminister im politischen Berlin für mehr Engagement der EU und der NATO wirbt, kann eine Debatte über Russland politisch heikel sein. Doch war die Aussprache zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 an diesem Mittwoch geprägt von klaren Statements aller Politiker zur Schuld Deutschlands und der stetigen Verpflichtung unseres Landes und seiner Bürger zu Erinnerung und Versöhnung.
 

Die Bedeutung des PEACE LINE-Projekts

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte die Debatte mit einem Rückblick auf den 22. Juni, den Beginn des Ostfeldzuges, eröffnet: Eine „erbarmungslose deutsche Kriegsführung“ habe in den Jahren bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 „ganze Städte und Dörfer der Sowjetunion in Schutt und Asche“ verwandelt. Es seien deutsche Täter gewesen, die in Mittel- und Osteuropa das unfassbare Menschheitsverbrechen des Holocaust verübt hatten. Maas im Parlament: „Es grenzt an ein Wunder, dass uns unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn die Hand zur Versöhnung ausstreckt haben!“

Mit dieser Geste gehe eine besondere Verantwortung einher: „Für diese Aussöhnung darf es niemals einen Schlussstrich geben.“ Und vor diesem Hintergrund lobte der deutsche Außenminister das PEACE LINE-Projekt des Volksbundes. Dabei werden im Herbst Jugendliche aus ganz Europa auf den Spuren der Geschichte von Moskau aus durch Ost- und Mitteleuropa reisen, stets konfrontiert mit der jeweiligen Geschichte von Land und Leuten. „Historische Bildung und internationale Begegnungen im PEACE LINE Projekt“ seien die richtige Antwort auf die Verbrechen der Vergangenheit, so Maas. Und weiter: „Es gibt keine Politik ohne Geschichte.“
 

Historische Rolle des Volksbundes 

Dem Redner der CSU, Thomas Erndl, war es vorbehalten, an den Abschluss des Deutsch-Russischen-Kriegsgräberabkommens vom 16. Dezember 1992 zu erinnern. Darin wird dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Aufgabe zugewiesen, die deutschen und russischen Gräber in würdiger Weise und gemäß den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts zu pflegen und zu erhalten.

„Als der Volksbund seine Arbeit aufnehmen konnte, waren es russische Veteranen, die mithalfen, die Gräber der sowjetischen Soldaten zu übernehmen“, erinnerte der CSU-Politiker. „ Ehemalige Feinde betreiben gemeinsam Gräberpflege“ – dies sei auch heute noch eine großartige Errungenschaft.
 

„Geschichte ist uns Mahnung“

Für die größte Oppositionspartei, die AfD, sagte Fraktionschef Alexander Gauland: „Der Überfall auf die Sowjetunion hatte nichts mit der preußischen Kriegsführung gemeinsam. Dass die Wehrmacht diesem Wahnsinn eines Vernichtungskrieges Folge leistete, hat sie für immer beschmutzt.“ In der aktuellen Debatte um Sanktionen plädierte Gauland für Nachsicht mit Russland als „europäischer Macht und ältestem Verbündeten“.

„Im Namen des Hohen Hauses einmal mehr vor den Opfern in tiefer Demut verneigen und um Verzeihung bitten“ – davon sprach Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU).  Weiter sagte er: „Geschichte ist uns Mahnung – sie muss uns eine Lehre für ein ,Nie wieder’ sein."
 

Beschämendes Zeugnis

Während FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff der 24 Millionen Opfer der „deutschen Aggression“ gedachte sowie allen dankte, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen, kritisierte Dietmar Bartsch (Die Linke), dass es keine offizielle Gedenkveranstaltung der Bundesregierung zum 80. Jahrestags des Überfalls gebe. Dies beschäme ihn, es sei ein „Zeugnis der Armseligkeit.“ Mit Blick auf seine Jahre in Russland fragte Bartsch: „Was soll ich nur meiner damaligen Lehrerin in Russland sagen, dass die Nato jetzt das größte Manöver im Osten führt?“

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Massaker im Gebiet des heutigen Belarus und der Ukraine sowie auf die Tatsache, dass diese immer noch vielen unbekannt seien: „Mit Scham und Schrecken stelle ich fest, wie groß die blinden Flecken unserer Erinnerung sind. Das darf nicht verblassen, weil es die Sowjetunion nicht mehr gibt. Eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte – das ist unserer Aufgabe.“ Karsten Schneider von der SPD sprach die Belagerung von Leningrad (heute St. Petersburg) an. Weitere Beiträge kamen von Tino Chrupalla (AfD), Roderich Kiesewetter (CDU/CSU), Bojan Djir-Sarai (FDP) und Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen).
 

Noch mehr Lob für PEACE-LINE

CDU-Politikerin Elisabeth Motschmann schließlich schlug die Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft und lobte die Arbeit des Volksbundes und sein neues Jugend-Format, das Projekt PEACE LINE: Viele Jugendliche würden geschichtsvergessen aufwachsen, so Motschmanns Beobachtung. Umso wichtiger sei es, aus der Geschichte zu lernen und zu erinnern. Und deshalb sei es sehr wichtig, dass wir „junge Menschen durch PEACE LINE zusammenführen, das ist die beste Prophylaxe gegen Krieg und Vergessen.“

Die Debatte ist online in der Mediathek des Bundestages zu finden. Die Reden im Wortlaut sind dort unten angefügt.
 

Der Volksbund ist...

ein gemeinnütziger Verein, der 1919 gegründet wurde und seine Arbeit vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Das Projekt PEACE LINE wurde 2020 ins Leben gerufen und wird maßgeblich vom Auswärtigen Amt unterstützt. Bereits seit 1953 führt der Volksbund in internationalen Workcamps und Jugendbegegnungen junge Menschen aus ganz Europa an Kriegsgräberstätten, um ihnen Wissen um die Vergangenheit beider Weltkriege zu vermitteln und mit internationaler Verständigung nachhaltig zum Frieden in Europa beizutragen.

Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit