Zwei Eiserne Kreuze markieren die neue Zugehörigkeit: ein erbeuteter britischer Mark IV-Panzer während einer Gefechtsübung (© Public domain, via Wikimedia Commons)
Recycelte Panzer: die zweite Schlacht bei Cambrai
#volksbundhistory erinnert an die Gefechte am 8. Oktober 1918 in Nordfrankreich
In der Schlacht von Cambrai im November 1917 setzten die Briten erstmals Panzer – „Tanks“ – in größerer Stückzahl ein. Anfang Oktober 1918 kam es zu einer zweiten Schlacht am selben Ort. Diesmal standen sich Panzer aus gleicher Fabrikation gegenüber: Tanks unter britischer Flagge und Tanks, die die Deutschen erbeutet und umgerüstet hatten. Auf den Kriegsgräberstätten der Region ruhen die Gefallenen dieser Kämpfe.
Auf dem Gelände des früheren Schlachtfeldes bei Cambrai gibt es rund 30 britische Soldatenfriedhöfe, die sich in der Obhut der Commonwealth War Graves Commission befinden. Manche zählen nur wenige Gräber, andere tausende.
Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unser Autor heute: Karsten Richter. Er war 17 Jahre lang Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern.
Heute UNESCO-Welterbe
Zu den großen Friedhöfen gehört das Cambrai Memorial Louveral, das sich an der Straße D 930 zwischen Bapaume und Cambrai befindet. Auf der Anlage ruhen 7.123 britische und südafrikanische Gefallene der Cambrai-Schlachten von 1917 und 1918.
Die Gedenkhalle, eine Halbrotunde mit dorischen Säulen, entwarf der Architekt Harold Chalton Bradshaw. Die Halbreliefs auf den äußeren Wänden der Halle, die britische Soldaten im Gefecht zeigen, schuf Charles Sargeant Jagger. Die Anlage zählt heute zum UNESCO-Weltkulturerbe der Grab- und Gedenkstätten des Ersten Weltkrieges.
Gedenken bis in die Gegenwart
Am 4. August 1930 weihte Generalleutnant Sir Louis Vaughan das Denkmal und den Friedhof in Anwesenheit mehrerer hundert Angehöriger ein. Während der Cambrai-Schlacht 1917 war er Chef des Stabes der 3. Armee unter General Julien Byng gewesen. Gleichzeitig fanden an vielen anderen Orten in Frankreich Einweihungen statt. Beim Besuch der Anlage 100 Jahre nach der Schlacht waren an den Gefallenentafeln zahlreiche aktuelle Gedenknotizen von Angehörigen angebracht und kleine hölzerne Gedenkkreuze abgelegt.
Erste große Panzeroffensive
Am 20. November 1917 fand bei Cambrai die erste große Panzeroffensive der Geschichte statt. Sieben britische Divisionen und 456 Panzer, damals Tanks genannt, griffen einen Abschnitt der sogenannten „Siegfried-Linie“ an. Das zwar gut ausgebaute, aber eher schwach besetzte Stellungssystem wurden von den britischen Angreifern zu Beginn der Schlacht durchstoßen.
Führungsfehler und der sich verstärkende deutsche Widerstand verhinderten jedoch einen vollständigen operativen Erfolg. Zehn Tage später überraschten die deutschen Divisionen im Gegenangriff den britischen Gegner und eroberten das verloren gegangene Terrain wieder zurück (mehr lesen).
Neue Nutzung der erbeuteten Panzer
Eine Besonderheit waren die erbeuteten britischen Kampfwagen vom Typ Mark IV. Etwa 130 gingen auf dem Schlachtfeld auf Grund technischer Defekte oder durch deutschen Abwehrbeschuss verloren. 71 davon fielen in deutsche Hände. Zu diesem Zeitpunkt war bereits absehbar, dass eine Produktion eigener deutscher Kampfwagen - hier ist der A7V zu nennen - nur geringe Stückzahlen erreichen würde.
Das Preußische Kriegsministerium entschied daher, aus den erbeuteten Kampfwagen eigene Abteilungen aufzustellen. In Charleroi südlich von Brüssel nutzte man die örtliche Eisenbahnfabrik und das Walzwerk, um die erbeuteten Kampfwagen umzurüsten oder zur Ersatzteilgewinnung auszuschlachten.
Umbau der Waffenanlagen
Im Wesentlichen baute man dabei die Waffenanlagen um. Zumeist fehlten die Maschinengewehre, die Richtvorrichtungen und Optiken, die die Besatzungen noch ausgebaut oder unbrauchbar gemacht hatten. Als Ersatz wurden das deutsche MG 08 oder das britische Lewis-MG – umgerüstet auf das deutsche Infanterie-Kaliber – eingebaut.
Die britische 6-Pfünder Bordkanone der Kampfwagen tauschte man gegen die belgische Maxim-Nordenfeldt Kanone aus, die die deutschen Truppen bei der Besetzung des Landes in großer Zahl erbeutet hatten. Die Instandsetzung der Triebwerke bildete kein Problem, da ausreichend viele Motoren aus den erbeuteten Kampfwagen zum Ausschlachten vorhanden waren.
Neuer Tarnanstrich
Im März 1918 standen 30 einsatzbereite Beutewagen zur Verfügung, die im Verlauf des Jahres in sechs Abteilungen zu je fünf Wagen gegliedert waren. Um einen Beschuss durch eigene Truppen zu vermeiden, erhielten die Kampfwagen einen neuen Tarnanstrich und zwei große Eiserne Kreuze auf jeder Fahrzeugseite.
Die Abteilungen wurden in Charleroi stationiert und mit der Bahn in den jeweiligen Einsatzraum verlegt. Mangels Erfahrung erbrachten die ersten Einsätze der Abteilungen nur mäßigen Erfolg. Im August 1918 waren die letzten Abteilungen Nr. 15 und Nr. 16 mit ihren Beute-Kampfwagen einsatzbereit. Ausgerechnet ein Jahr nach der ersten Schlacht bei Cambrai sollten sie hier wieder – nun auf deutscher Seite – in das Kampfgeschehen eingreifen.
Angriff der Alliierten
Am 8. August 1918, dem „schwarzen Tag des deutschen Heeres“, begann die „Hunderttageoffensive“ der Alliierten. Unter dem Oberbefehl von Marschall Foch griffen drei britische und zwei französische Armeen an und durchbrachen in einer Breite von 65 Kilometer die deutsche „Siegfried-Linie“.
Am 8. und 9. Oktober kam es in der Gegend von Cambrai zu einer zweiten Schlacht. Die 3. britische Armee, die durch das 12. Tank-Bataillon verstärkt wurde, hatte den Auftrag, bis an die Bahnlinie Cambrai-St. Quentin vorzustoßen.
Gegenangriff der Reserve
Am 8. Oktober um 5.30 Uhr eröffnete die britische Artillerie das Vorbereitungsfeuer und eine Stunde später überschritt das XVII. Korps die Ablauflinie. Bereits bei der Annährung waren zwei der sieben eingesetzten Tanks ausgefallen. Ein deutsches Feldgeschütz schoss einen weiteren Tank ab.
Etwa eine halbe Stunde nach Angriffsbeginn befahl der Kommandeur des deutschen Reserve-Infanterie-Regimentes 221 den Gegenangriff der Reserve. Die Infanteristen wurden dabei durch zwei Kampfwagen der Abteilung Nr. 15 unterstützt. Zum ersten Mal trafen bei der Ortschaft Niergnies britische Mark IV auf deutsche Beute-Mark IV.
Die Beute verwirrt
Die britischen Tankbesatzungen hielten die deutschen Kampfwagen aufgrund der bekannten Silhouette zunächst für die eigene Truppe. Nach kurzem, aber heftigem Gefecht vernichteten die beiden deutschen Kampfwagen drei der verbliebenen vier britischen Tanks. Ein deutscher Mark IV wurde außer Gefecht gesetzt. Der letzte verbliebene britische Tank zog sich zurück.
Weitere Kampfhandlungen endeten mit dem Rückzug der deutschen Truppen. Trotz der fehlgeschlagenen Gegenangriffe hatten sich die deutschen Kampfwagen-Besatzungen gut geschlagen. Cambrai war damit auch für die junge deutsche Panzerwaffe ein Meilenstein.
Die deutsche Kriegswirtschaft war im Frühjahr 1918 nicht mehr in der Lage, eigene Kampfwagen in ausreichenden Stückzahlen zu produzieren. Die Übernahme erbeuteter britischer Tanks bildete die einzige Möglichkeit, weitere Kampfwagenabteilungen – neben den drei Abteilungen mit dem deutschen A7V – aufzustellen.
Friedhof schon während des Krieges
In den Lazaretten der Stadt Cambrai versorgte man verwundete Deutsche, Franzosen und Engländer gleichermaßen. Bereits während des Krieges – im März 1917 – wurde die deutsche Kriegsgräberstätte Cambrai angelegt. Prof. Dr. Wilhelm Kreis – Architekt und 1919 Mitbegründer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. – entwarf das zentrale Denkmal des Friedhofs, das bis heute Mittelpunkt der gesamten Anlage ist. Es ruhen hier 10.685 Deutsche, sechs Rumänen, 192 Russen und 502 Angehörige des Commonwealth. Die Kriegsgräberstätte gehört zum UNESCO Weltkulturerbe.
Text: Karsten Richter
Lesetipps
Fletscher, David (Hrsg.): Tanks and Trenches. First Hand Accounts of Tank Warfare in the First World War, London 1996.
Heer, Fred: 1918: Mark IV Panzer gegen Mark Beute-Panzer, in: Schweizer Soldat, Oktober 2018, S. 48-51.
Koch, Fred: Beutepanzer im Ersten Weltkrieg, Freiburg 1994.
Macksey, Kenneth: Tank versus Tank, London 1999.
Müller, Thomas: Die Bayerische Sturm-Panzer-Kraftwagen-Abteilung 13, Bayreuth 2013
Richter, Karsten: Cambrai 1917. Die erste große Panzeroffensive, Paderborn 2026. In Vorbereitung.
Strasheim, Rainer: Beute-Tanks. British Tanks in German Service. Vol.1+2, Erlangen 2011.
#volksbundhistory
Ob der Beginn einer Schlacht, ein Bombenangriff, ein Schiffsuntergang, ein Friedensschluss – mit dem Format #volksbundhistory möchte der Volksbund die Erinnerung an historische Ereignisse anschaulich vermitteln und dabei fachliche Expertise nutzen. Der Bezug zu Kriegsgräberstätten und zur Volksbund-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Beiträge werden sowohl von Historikern aus den eigenen Reihen als auch von Gastautoren stammen. Neben Jahres- und Gedenktagen sollen auch historische Persönlichkeiten und Kriegsbiographien vorgestellt werden. Darüber hinaus können Briefe, Dokumente oder Gegenstände aus dem Archiv ebenfalls Thema sein – jeweils eingebettet in den historischen Kontext.
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… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
