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„Wenn jetzt ein Krieg kommt, musst du da hingehen?“

Pflegeeinsatz auf deutscher Kriegsgräberstätte in Fort-de-Malmaison bringt Bundeswehr und Jugendliche mit Förderbedarf zusammen

Bei einer ungewöhnlichen Kooperation von Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Bundeswehr und einer Förderschule lernen alle voneinander – nicht nur, wie man Grabkreuze reinigt.
 

„Es ist ein Herzensprojekt“, betont Eva Masurowski, Bildungsreferentin im Landesverband Baden-Württemberg. Wenn die studierte Linguistin davon berichtet, wird klar, wieviel Engagement und Herzblut darin steckt. Hauptbootsmann Roy Mondry, Einsatzleiter der Bundeswehrgruppe, spricht von „einer menschlichen Bereicherung für uns alle“ auf der Kriegsgräberstätte Fort de Malmaison in Frankreich.
 

Zehn Tage arbeiten und lernen 

Zum zweiten Mal sind Schülerinnen und Schüler der Carl-Orff-Schule in Sinsheim, einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum, an diesen Ort gereist. Im Rahmen der alljährlichen Projektfahrt sind sie für zehn Tage auf dieser deutschen Kriegsgräberstätte, um zu arbeiten – und zu lernen. Elf Achtklässler im Alter von 14 und 15 Jahren.

Auf dem Friedhof sind 11.841 deutsche Soldaten bestattet, die im Zweiten Weltkrieg starben. Die Gegend war im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg Schauplatz schwerer Kämpfe.
 

Vogelhäuschen und Insektenhotels

Die Jugendlichen haben besonderen Förderbedarf. Soldatinnen und Soldaten des Kommandos Informationstechnik-Services der Bundeswehr (KdoIT-SBw, Einsatzgruppe) leiten sie geduldig an und erklären ausführlich, was zu tun ist.

Gemeinsam säubern sie die Kreuze, schleifen sie ab, streichen sie neu, ziehen Inschriften nach. Sie zupfen Unkraut, bauen außerdem Vogelhäuschen und Insektenhotels. Kriegsgräberstätten sind nicht nur Orte des Lernens, der Begegnung und des Gedenkens, sondern häufig auch Schutzräume für Pflanzen und Tiere. 

„Kommst du dann nicht wieder?“

Bei der Arbeit übernehmen die Jugendlichen Verantwortung für das, was sie tun, aber das Lernen reicht viel weiter. Sie erkennen auf der Kriegsgräberstätte die Bedeutung von Krieg und Frieden. Sie schlagen den Bogen von der Geschichte zur Gegenwart.

„Du, Simon“, fragt einer der Schüler den jungen Soldaten, während sie gemeinsam ein Grabkreuz mit der Bürste schrubben. „Wenn jetzt ein Krieg kommt, musst du da hingehen?“ „Ja, da muss ich dann hingehen“, bestätigt Simon. „Aber was ist, wenn du stirbst? Kommst du dann nicht wieder?“, fragt der Junge weiter. „Nein, dann komme ich nicht wieder.“
 

Eine besondere Verbindung

„Wir erleben gemeinsam, wie Erinnern und Gedenken die Jugendlichen dazu bringen, Geschichte zu verstehen und sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst zu werden. Diese Erfahrung schafft eine besondere Verbindung – zwischen den jungen Menschen, der Bundeswehr als staatlicher Institution und dem historischen Ort“, erklärt Roy Mondry. 

Die Soldatinnen und Soldaten begegnen den Jugendlichen offen und mit großem Einfühlungsvermögen: „Ich bin wirklich beeindruckt, wie gut dieses Projekt pädagogisch, aber auch praktisch funktioniert”, sagt Eva Masurowski.

In der „Drachenhöhle“

Ein besonderes Erlebnis für die Schülerinnen und Schüler ist der Besuch der „Caverne du Dragon“, der „Drachenhöhle“ am „Chemin des Dames“. In der Anlage unter Tage erhalten sie einen eindrucksvollen Einblick in das Leben der Soldaten an der Front.

Der Gang durch die Höhle, die während des Ersten Weltkrieges von beiden gegnerischen Seiten als Unterkunft und Schutzraum genutzt wurde, ist für die Jugendlichen besonders fesselnd.
 

Verständigung ohne Worte

Von großer Bedeutung ist auch die Zusammenarbeit mit den französischen Gärtnern und mit François Noël, der diesen Pflegebezirk leitet. Sie macht internationalen Austausch möglich. Denn trotz der Sprachbarriere funktioniert die gemeinsame Arbeit: mit Gesten, einem Lächeln und auch mal mit Händen und Füßen. So entsteht Verständigung, die keiner Worte bedarf.

Der Volksbund ist ...

… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.

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