Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

50 Jahre deutscher Soldatenfriedhof in Bastia, Korsika

Gedenkfeier im Rahmen der 65. Pressereise des Landesverbandes Bayern

Der Himmel meint es nicht gut mit den vier alten Herren, die sich, die Brust ihrer dunkelblauen Blazer über und über mit Orden dekoriert, an den Stangen ihrer großen Fahnen festhalten. Den ganzen Vormittag über war das Wetter drückend schwül gewesen, und jetzt, am Mittag, fallen die ersten schweren Regentropfen auf die Ancien Combattants, die meisten von ihnen Veteranen aus dem Algerienkrieg, und die kleine Feiergemeinde, die sich auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Bastia zusammengefunden hat. 

Ein deutscher Soldatenfriedhof auf Korsika? Auf der Ferieninsel, die auch bei deutschen Urlaubern sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, denkt man an Sommer, Sonne, Meer und Berge und nicht an den Zweiten Weltkrieg, der im Mittelmeerraum schon 1944, als die Alliierten nach ihrer Landung in Sizilien unaufhaltsam die ganze italienische Halbinsel eroberten, zu Ende ging. 

Tatsächlich blieb Korsika, das seit dem 18. Jahrhundert zu Frankreich gehört, zunächst einige Jahre von Kampfhandlungen verschont. Als die Franzosen 1940 vor Hitlers Wehrmacht kapitulieren mussten und Frankreich zu einem großen Teil von den Deutschen besetzt wurde, gehörte Korsika zum unbesetzten Teil Frankreichs unter einer mit Deutschland zusammenarbeitenden Regierung in Vichy. 

Erst als alliierte Verbände im November 1942 in Nordafrika landeten, besetzten 80.000 Soldaten des mit Nazi-Deutschland verbündeten faschistischen Italien die französische Insel, auf die der italienische Diktator Benito Mussolini schon seit 1936 Ansprüche angemeldet hatte. Diese Besatzung markierte den Beginn eines Guerillakriegs der korsischen Résistance gegen die Italiener und die Regierung des Vichy-Regimes, welcher dazu führte, dass die Italiener viele Widerstandskämpfer hinrichten oder deportieren ließen. Noch heute zeugen viele Denkmäler auf Korsika von dem Kampf, der auch von mit U-Booten auf die Insel gebrachten Agenten des Freien Frankreichs von General Charles de Gaulle unterstützt wurde. 

Neben den italienischen Soldaten befanden sich auch 14.000 Angehörige der SS-Brigade "Reichsführer SS" auf der Insel, so dass auf die 200.000 Korsen fast 100.000 ausländische Soldaten kamen. 

Am 10. Juli 1943 landeten die Alliierten in Sizilien und drangen rasch weiter nach Norden. Benito Mussolini wurde seines Amtes enthoben, und Italien wechselte vom Verbündeten Deutschlands ins Lager der Alliierten. Deutsche und Italiener standen sich auf einmal als Feinde gegenüber.

Nun geriet auch Korsika in den Strudel des Zweiten Weltkriegs. Auf der Insel trafen 32.000 deutsche Soldaten der 90. Panzer-Grenadier-Division ein, die sich von der Nachbarinsel Sardinien nach Korsika zurückgezogen hatte. Die deutschen Truppen kämpften auf der Insel nicht nur gegen die die über Nacht zu Feinden gewordenen Italiener den immer stärker werdenden Aufstand der Résistance-Kämpfer, sondern auch gegen von Sardinien aus anlandende reguläre freie französische Truppen. War zunächst noch an eine deutsche Eroberung der Insel gedacht, beschränkten sich die deutschen Operationen ziemlich rasch darauf, durch Bildung eines Brückenkopfs in der Hafenstadt Bastia einen geordneten Rückzug der deutschen Soldaten von der Insel aufs italienische Festland zu ermöglichen. 

Am Ende gelang die Operation, und ein Großteil der deutschen Soldaten konnte mitsamt schwerem Gerät auf dem Luft- und Seeweg die Insel verlassen, aber an die 1.000 deutsche Soldaten verloren bei den Kämpfen auf Korsika ihr Leben. 

Viele von ihnen wurden noch während der Kämpfe auf einem von der Wehrmacht angelegten Soldatenfriedhof drei Kilometer südlich von Bastia beigesetzt, aber der lag zu nahe an einer Hauptverkehrsstraße, sodass man nach 1955, als das deutsch-französische Gräberabkommen in Kraft trat, nach einem neuen Friedhof suchte, auf dem man alle auf der Insel Korsika gefallenen und gestorbenen deutschen Soldaten einbetten konnte. 

Im Jahr 1964 hatte man dann das geeignete Gelände gefunden, eine terrassenförmige Anlage am südlichen Stadtrand von Bastia an einem mit Korkeichen und Eukalyptusbäumen bestandenen Hang, der mit weiteren Anpflanzungen von Stauden und Blühpflanzen ein parkähnliches Aussehen verliehen wurde. 

Schon 1964 setzte der Umbettungsdienst des Volksbunds hier 811 deutsche Gefallene des Zweiten Weltkriegs bei, zu denen noch 28 auf Korsika verstorbene Kriegsgefangene des Ersten Weltkrieges kamen. Dabei gelang es, eine große Anzahl bis dahin unbekannter Toter zu identifizieren. Am 13. September 1969 schließlich wurde der Friedhof, versehen mit Grabkreuzen aus Oberkirchener Sandstein und einem beeindruckenden Hochkreuz aus weißem Carrara-Marmor, in einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. 

Ein halbes Jahrhundert später, im September 2019, findet wieder eine Feier auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Bastia statt, um an den fünfzigsten Jahrestag dieser Einweihung zu erinnern. Und dazu sind, im inzwischen in Strömen herunterprasselnden Regen, auch die vier fahnentragenden Veteranen neben dem Hochkreuz angetreten und geben der kleinen Feier den Rahmen, der bei solchen Gelegenheiten in Frankreich einfach dazu gehört. Tapfer den wütenden Elementen trotzend, hören sie - ebenso wie die unter einer mit Weinranken bewachsenen Pergola Wetterschutz suchenden Gäste - die Ansprachen der deutscher und französischer Offizieller.  

Auf französischer Seite haben Vertreter der Gendarmerie, der Präfektur und der Stadt Bastia sowie Abgesandte diverser Erinnerungsorganisationen eingefunden, zu denen neben den Ancien Combattants auch das Souvenir Français, das französische Pendant zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, und die Gueules cassées gehören, eine Stiftung für Gesichts- und Kopfverletzte, die sich ursprünglich um Kriegsversehrte des Ersten Weltkriegs kümmerte. 

Die deutschen Ansprachen halten neben dem Landesgeschäftsführer Jörg Raab vom Landesverband Bayern des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Militärattaché Oberst i.G. Markus Bungert, der im Auftrag des deutschen Botschafters in Frankreich auf Französisch die gute Zusammenarbeit deutscher und französischer Behörden lobt, und Militärdekan Dr. Dr. Michael Gmelch von der Universität der Bundeswehr München, der in beiden Sprachen das beeindruckende, im Zweiten Weltkrieg verfasste "Gebet für die Vereinten Nationen" spricht. Er schließt mit den Worten: "Lassen Sie uns den Weg der Versöhnung weitergehen."

Als zum Abschluss der Feier die einzelnen Delegationen vor dem Hochkreuz ihre Kränze niederlegen, hat der Himmel ein Einsehen. Die Wolken reißen auf, und die korsische Herbstsonne trocknet das Pflaster vor dem Hochkreuz und die Fahnen, die Blazer und die patschnass gewordenen Haare der alten Kämpfer, die den deutschen Gefallenen eines vor 74 Jahren zu Ende gegangenen Krieges auch in den Unbilden des korsischen Wetters standhaft die Ehre erwiesen haben. 

 

Text und Fotos: Thomas Merk