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Auf den Spuren der Vergangenheit

Rundreise zu den Gräbern ehemaliger Hertha-Spieler

Die Leidenschaft zum runden Leder bewegt Menschen, Nationen, Mannschaften und Teams. Nicht umsonst spricht man vom Mannschaftsgeist und ein berühmter Trainer forderte einst: „11 Freunde müsst ihr sein!“ Dass diese Verbundenheit nicht nur intensiv, sondern auch dauerhaft ist, zeigten die Mitglieder des Berliner Fußballvereins Hertha BSC. Sie besuchten die Gräber der im Ersten Weltkrieg gefallenen Herthaner auf zehn Friedhöfen in Frankreich und Belgien.

Aufbruch in die Vergangenheit

30. Juni 2017. Aus Berlin machte sich eine siebenköpfige  Delegation des Erstligisten auf den Weg: Michael Ottow vom Präsidium Herthas, Diakon Gregor Bellin von der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e.V. sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Volksbundes. Erste Station war nach rund 1 000 Kilometern Hautecourt in Frankreich. Dort legten sie an den Gräbern von Hans Zieglarski und Karl Seipold einen Kranz nieder. Auch rund 100 Jahre nach ihrem Tod sind sie nicht vergessen. „Gott hat jedem einen Namen gegeben“, sagte Diakon Bellin in Hautecourt. „Hertha habe seine Kameraden nicht vergessen und gebe ihnen durch die Recherche über sie viel mehr als nur ihre Namen wieder“.

Die Kriegsgräberstätte Hautecourt ist die erste Station der viertägigen Spurensuche. Hier ruht der ehemalige Hertha-Spieler Hans Zieglarski.

Lange Recherchen und erfolgreiche Suche

Auftakt zu dem gemeinsamen Projekt war ein Gespräch zwischen dem langjährigen Unterstützer des Volksbundes und Hertha Vorstandsmitglied Ingo Zergiebel und dem Referatsleiter „Gedenkarbeit“ des Volksbundes, Arne Schrader im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100.Jahrestag der Schlacht an der Somme am 1. Juli 2016. Spieler der Jugendmannschaften des FC Liverpool und von Hertha BSC lasen aus den Feldpostbriefen gefallener Soldaten vor.

Und da kam die Frage auf, wo die gefallenen Hertha Spieler des 1892 gegründeten Vereins begraben wären. Fast ein Jahr dauerten die Recherchen des Volksbundes, dann konnten Namen aller 36 im Ersten Weltkrieg gefallenen Spieler genannt und von 22 die Ruhestätten übermittelt werden.

Zusätzlich wurde eine studentische Hilfskraft im Volksbund-Projekt „Kriegsbiographien“ beauftragt, in Standesämtern und Archiven nach näheren Angaben zu den Toten zu suchen. Mit Unterstützung der Berliner Senatsverwaltung und des Hertha Archivs kam zu den Namen wieder eine Biografie. Fotos, Zeitungsberichte, Spielergebnisse, Spielerpositionen, Angaben zu Eheschließungen oder auch den näheren Todesumständen ergänzten die vorliegenden Informationen.

Damit reifte der Entschluss, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 125. Vereinsjubiläum Herthas in diesem Jahr mit Mitgliedern des Vorstandes und in Kooperation mit dem Volksbund die erhaltenen Grabstätten von 12 Herthanern in Frankreich und Belgien zu besuchen.

Das Foto zeigt das gemeinsame Gedenken an Richard Schulz in Vouziers.

Symbolträchtig: Versöhnung über den Gräbern

Wo 1984 der ehemalige französische Präsident Francois Mitterand und der jüngst verstorbene Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl Hand gemeinsam der Verstorbenen beider Nationen gedachten, standen nun Fußballfreunde Hand in Hand am französischen Gebeinhaus Douaumont und gedachten der Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf beiden Seiten. Sie legten Holzkreuze nieder und verbanden mit dem Totengedenken den Wunsch nach Frieden.

Unvergessen sind für sie die Herthaner: Richard Schulz, der in Vouziers bestattet ist, Arthur Mahlow, der seine letzte Ruhe in Mennevret fand, sein Bruder Erich Mahlow, dessen Grab nach wie vor unbekannt ist und der in Maissemy bestattete Walter Schilling. Aber auch Max Swensen, dessen Grab auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Noyers-Pont-Maugis liegt, Erich Zimmer, Bruno Pagel und Adolf Thiemann, die ihre letzte Ruhe in Langemarck gefunden haben, Walter Mucks I in Hooglede, Alfred Kiep, der in Vladslo ruht, ebenso wie Georg Löwenthal, der im französischen Sailly-sur-la-Lys bestattet ist.

Volksbund-Mitarbeiter Arne Schrader (rechts) spielt am Grab von Arthur Mahlow in Mennevret das Lied "Ich hatt einen Kameraden".

Für die Gruppe sind es doch eigentlich Unbekannte, die da liegen. Dennoch stehen sie an ihren Gräbern und gedenken ihrer. „Aber was bleibt von einem menschlichen Leben, von einem Menschen, der gerade erst erwachsen wird und stirbt?“, fragt Diakon Bellin am Grab des 21 jährigen Richard Schulz in Vouziers. „Sie selbst sind es, die bleiben, wenn wir über sie erzählen, wenn wir über die Menschen reden.“

So kamen auch Hertha Präsident Werner Gegenbauer und Wolfgang Wieland, Vizepräsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge nach Noyer-Pont-Maugis sowie der ständige militärische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, Flottillenadmiral Jürgen Ehlers und Roger Viard, der örtliche Bürgermeister, um am Grab von Max Swensen, der dieser Tage vor 100 Jahren fiel, aller Toten des Ersten Weltkrieges zu gedenken.

Ingo Zergiebel ist gemeinsam mit Arne Schrader der Ideengeber dieser Spurensuche. Das Foto zeigt ihn am Grab von Walter Schilling in Maissemy.

Fußball kann ein Vorbild sein

Hertha-Boss Gegenbauer erinnerte in seiner Gedenkansprache auch an den „Weihnachtsfrieden von 1914“, bei dem am Heiligen Abend die Waffen schwiegen: Briten, Belgier, Franzosen und Deutsche unterbrachen die erbitterten Gefechte, trafen sich im Niemandsland  und spielten dort sogar gemeinsam Fußball. „Vielleicht war ja sogar ein Herthaner unter ihnen?“ fragte Gegenbauer. „Es ist zumindest nicht bekannt. Dafür ist nun aber etwas anderes und mindestens ebenso Wichtiges bekannt: nämlich die Namen und Grablagen von 22 Herthanern, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen und die dank der gemeinsamen Recherche von Hertha BSC und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nun nicht länger anonym sind.“ Eine Tatsache, für die Gegenbauer seinen herzlichsten Dank an alle Beteiligten aussprach, die mithalfen, für den Verein eine schmerzliche und lange bestehende Lücke geschlossen und an diesem Projekt mitgewirkt haben.

Die Hertha-Delegation um Club-Präsident Werner Gegenbauer nahm während ihrer Spurensuche auch an der internationalen Gedenkveranstaltung in Fricourt teil.

Wie wichtig es ist, nicht zu vergessen, betonte auch Wolfgang Wieland und sprach von der positiven Wirkung des Sports - in diesem Fall vom Fußball - bei der Völkerverständigung. Beispielhaft dafür sei das gemeinsame Gedenken der Jugendmannschaften in Fricourt 2016, so Wieland in seiner Ansprache, aber auch insbesondere die Recherchen und diese Gedenkfahrt.

„Fußball steht mitten in der Gesellschaft und hat gerade für die Jugend mehr Bedeutung denn je. […] Von daher weiß ich um die Vorbildfunktion des Fußballs“, lobte Wieland. „Sie als Verantwortliche von Hertha BSC sind mit dem langen Gedächtnis an die gefallenen Vereinskameraden tatsächlich ein Vorbild“.

Auf die eindrucksvolle französische Kriegsgräberstätte Maurepas wurde die Delegation von Hertha BSC, Volksbund und der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Soldatenbetreuung e. V. spontan eingeladen.

Unvorstellbare Eindrücke

Die Eindrücke dieser Gedenkfahrt ließen die Hertha-Delegation auch nach dem Tagesprogramm nicht los: Spontane Einladungen zu Gedenkveranstaltungen auf französischen Friedhöfen, und die von Franzosen organisierte große Zeremonie auf dem deutschen Soldatenfriedhof Fricourt (exakt ein Jahr nach dem ersten Besuch der Herthaner 2016), bergeweise Munitionsschrott des Ersten Weltkrieges in privaten Gärten, zerschossene und noch heute kraterübersäte Landschaften, die von den Mitarbeitern des Volksbundes gepflegten Friedhöfe mit ihrem ganz eigenen würdigen Eindruck von alten Bäumen und Natursteinmauern sowie die Einigkeit im Wunsch nach Frieden bei Begegnungen mit anderen Menschen, gleich welcher Nation: Es wurde viel diskutiert und über das Erlebte gesprochen. Alle wollen das Erlebte weitertragen – und vielleicht findet sich ja auch ein anderer Verein, der sich auf die Suche machen möchte?

(Bitte weiterlesen - Fortsezung nach den nächsten drei Bildern)

Hertha-Präsident Werner Gegenbauer hielt die Gedenkrede in Noyers am Grab von Max Swensen (Foto oben). Anschließend bedankte er sich persönlich beim Friedhofsverwalter Christophe Plansson für die hervorragende Pflege der Anlage (Foto unten).

Unter den Ehrengästen des Gedenkens an den Hertha-Spieler Max Swensen nahm auch Volksbund-Vizepräsident Wolfgang Wieland (Fünfter von links) teil.

Das Fußballstadion von Hertha BSC fasst 74.649 Menschen. In den vergangen vier Tagen ihrer Reise besuchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gedenkreise 10 Friedhöfe mit insgesamt 286.575 Gefallenen – fast vier Mal so viel!

Eine Zahl, die so unvorstellbar ist, dass sie alle Teilnehmer ohne große Worte mahnt – „in der Hoffnung, dass die Gräber unserer Herthaner, aber auch die Gräber aller anderen Soldaten aller Nationen dabei helfen mögen, die schrecklichen Erinnerungen an den Krieg nicht zu vergessen, sondern uns ermahnen, wenn überhaupt, dann uns besser im sportlichen Wettkampf messen zu wollen“, so Gegenbauer.

Weitere Projekte von Hertha BSC und Volksbund sind mit englischen und französischen Vereinen sind für das nächste Jahr geplant – einhundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges.

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Eine weitere Station der Rundreise und zugleich ein Bild, das für sich selbst spricht: Die Kriegsgräberstätte Douaumont.

Das Grab Walter Mucks I in Hooglede. Rechts sieht man die kleinen Holzkreuze mit der Vereinsflagge sowie dem handgeschriebenen Namen des Kriegstoten.

Im belgischen Vladslo hält Diakon Gregor Bellin Fürbitte am Grab von Alfred Kiep in Vladslo. Im Hintergrund sieht man die bekannte Kollwitz-Skulputur "Trauerndes Elternpaar".

Erinnerung an Hertha-Kicker Georg Löwenthal in Sailly sur la Lys

Die Gedenkrede des Hertha-Präsidenten Werner Gegenbauer in Noyers-Pont Maugis lesen Sie hier.

Die Gedenkrede des Volksbund-Vizepräsidenten Wolfgang Wieland in Noyers-Pont Maugis lesen Sie hier.