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Besuch mit hoch emotionaler Bedeutung

Studienreise zur deutschen Kriegsgräberstätte Kiew

Im Rahmen der von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen organisierten Studienreise zum Thema „Topographien der Erinnerung. Hundert Jahre ukrainische Geschichte aus europäischer Perspektive“, die eine Gruppe von Thüringer Multiplikatoren vom 30. Juni bis 10. Juli 2018 nach Czernowitz, Lemberg und Kiew führte, fand am Vormittag des 8. Juli eine vom Geschäftsführer des Landesverbandes Thüringen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Herrn Henrik Hug, organisierte Expedition zur 1996 eingerichteten deutschen Kriegsgräberstätte in Kiew statt.

Henrik Hug war Teilnehmer der von der Landeszentrale veranstalteten Studienreise. Als optionales Angebot des Volksbundes fügte sich der Programmpunkt nahtlos und das thematische Angebot der Studienreise sinnvoll ergänzend in das Gesamtprogramm ein, das sich mit der Geschichte der Ukraine, den Folgen des Ersten Weltkrieges, vor allem aber mit den Verbrechen des stalinistischen und nazistischen Terrors vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, mit den Prägungen des Landes in sowjetischer Zeit sowie mit den Transformationsprozessen seit der ukrainischen Unabhängigkeit 1991 und insbesondere mit den jüngsten Entwicklungen in der Ukraine seit dem Euromaidan beschäftigte.

In Bezug auf den sowjetischen Einfall in die Westukraine 1939, auf den deutschen Überfall auf die UdSSR 1941 und die Besatzungspolitik der Wehrmacht 1941-44, die u.a. eine Beteiligung der Wehrmacht an Erschießungen der ukrainischen, dabei v.a. der jüdischen Zivilbevölkerung im Rahmen des Holocaust sowie die äußerst schlechte Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener beinhaltete, war das Thema Zweiter Weltkrieg im Rahmen des Programms damit bereits präsent. Die Mehrzahl der Studienreisegruppe nahm das Angebot des Volksbundes zur Besichtigung der deutschen Kriegsgräberstätte sehr gern an. Neben Henrik Hug begleitete uns auch die Vertreterin des Volksbundes in der Ukraine, Frau Svetlana Iskra. Von den beiden Experten kundig geführt, war die Exkursion, so die einhellige Meinung aller daran Teilnehmenden, ein beeindruckendes Erlebnis und ein zum Wissenszuwachs beitragender Vormittag. Insbesondere auch die Darstellung des gesamten Betätigungsfeldes des Volksbundes durch Henrik Hug weitete die Kenntnisse der Mitfahrenden über die vielfältigen Aktivitäten des Vereins und über seine heutigen Schwerpunktsetzungen beträchtlich aus.

Viele verloren ihr Leben

Mit dem Besuch der ausgedehnten und würdig gestalteten deutschen Kriegsgräberstätte konnte ein weiterer Aspekt der historisch-politischen Auseinandersetzung beleuchtet werden. Wenn auch die Wehrmacht als Eroberer in das Land eingefallen war und sich einige ihrer Vertreter an Verbrechen beteiligt haben sollen, gehörten doch viele Söhne, Ehemänner und Väter in den Bestand der Streitkräfte, die ihre Beteiligung am Krieg als zu erfüllende, als auferlegte oder als ungeliebte, für sie aber unumgänglich Pflicht ansahen und traurige Angehörige zurückließen. Viele von ihnen verloren ihr Leben.

 

Am Grab des Großvaters

Für mich, als in der Landeszentrale für diese Studienreise Verantwortlicher, hatte der Besuch auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Kiew auch eine ganz persönliche, hoch emotionale Bedeutung, gehört doch mein Großvater zu den mehr als 26.000 dort bestatteten deutschen Soldaten. Über die komfortable Suchfunktion auf der Website des Volksbundes hatte ich die Information erhalten, Frau Iskra und eine sehr freundliche Mitarbeiterin vor Ort markierten für mich die Grabstelle ganz genau. Es war sehr bewegend für mich, als erster Familienangehöriger am Grab des Großvaters Albin Koch zu stehen.

 

Wenn ich den Erzählungen meiner Großmutter Glauben schenken darf, dann ist er als sozialdemokratisch gesinnter Mensch nicht mit großem Enthusiasmus in diesen Krieg gezogen. Mein Vater lernte seinen Vater so gut wie nicht kennen, denn schon 1941 war mein Großvater als Gefreiter in der Nähe von Kiew gefallen. Meine Großmutter und mein Vater hätten gerne das Grab des Ehemannes bzw. Vaters besucht, so ihre Aussagen zu Lebzeiten. Tatsächlich hätten sie es vermutlich auch gekonnt, existierte die Grabstelle in Block 1 wahrscheinlich schon seit 1996 und sie starben erst 2002 bzw. 2014. Allein ihnen fehlte die Kenntnis von seiner Grabstelle auf diesem Friedhof.

Über diese persönliche Beziehung und Betroffenheit hinaus, war der Besuch der deutschen Kriegsgräberstätte für mich persönlich ein wichtiges Erlebnis während der Studienfahrt. Es ist beeindruckend und sicherlich nicht selbstverständlich, dass für die Kriegstoten eines als Aggressor wahrgenommenen Landes neben dem Zentralfriedhof der Hauptstadt des angegriffenen Landes ein so respektabler Platz bereitgestellt wird.

Der Friedhof befindet sich in einem äußerst gepflegten Zustand, wofür sicherlich in erster Linie der Volksbund Verantwortung und Sorge trägt. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass ukrainische Menschen an der würdevollen Gestaltung und Pflege des Friedhofes ihren Anteil haben. Angesichts der Tatsache, dass dort auch ein Angehöriger meiner Familie seine letzte Ruhestätte gefunden hat, erfüllt mich das mit großer Dankbarkeit.

Wir haben uns auch die neue Ausstellung auf dem Friedhof angeschaut. Positiv finde ich, dass das Schicksal deutscher Soldaten an der Ostfront, ihre Hoffnungen, (teilweise falschen) Ideale, Befürchtungen, aber auch Desillusionierungen an drei konkreten Beispielen sichtbar gemacht werden. Etwas kurz kommen, so finde ich, die historische Einordnung des Feldzuges in einen teilweise äußerst verbrecherisch geführten Aggressionskrieg und das Thema der Beteiligung von Angehörigen der Wehrmacht an Kriegsverbrechen. Sicherlich bietet der Ausstellungsraum nur wenig Platz, aber eine differenziertere Sichtweise sollte hier möglich sein.

Dem Geschäftsführer des Landesverbandes Thüringen und Frau Iskra gebühren im Namen der Landeszentrale großer Dank, dass sie mit ihrem Programmangebot zum großen Erfolg unserer Studienreise mit beigetragen haben.

Wieland Koch

(Landeszentrale für politische Bildung Thüringen)

 

Enkel von:

Albin Koch – ruht auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Kiew.

Endgrablage: Block 1, Reihe 44, Grab 1726.