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Die Grabstätte abseits der Straße

Jugendliche arbeiten auf Friedhof in Lettland

Der Friedhof Schmiesing (Kreis Riga/Lettland) wurde bereits im Jahr 1917 angelegt und 1925 mit einem Gedenkstein versehen. Hier liegen 100 deutsche und 116 russischen Gefallene des Ersten Weltkrieges begraben. Zwei Inschriften erinnern an die Soldaten zweier bayerischer und eines preußischen Infanterieregiments sowie die dort begrabenen russischen Soldaten. Ganz unscheinbar liegt diese Grabstätte an einer unbefestigten Straße in der Gemeinde Ropazi und ist nur durch GPS-Koordinaten zu finden. Ein Blick in die Umgebung zeigt viel Wald, verwahrloste Schrebergärten und Müllablagen. Das wollten die 19 Jugendlichen aus Deutschland und Lettland im Alter von 15 bis 22 Jahre ändern. In einem umfangreichen Projekt planten sie gemeinsam die Neugestaltung, bei der alle ihre eigenen Ideen einfließen lassen konnten.

In wenigen Arbeitstagen galt es, den Friedhof in seiner bestehenden Form neu anzulegen, sodass wieder eine Struktur erkennbar ist und der zukünftige Pflegeaufwand möglichst gering ist. Die Teilnehmer begannen mit den Erdarbeiten und trugen zunächst die alte Oberfläche ab und befreiten den Boden von Unkraut. Die Lage des Friedhofs mitten im Wald führte zu einer starken Verwurzelung des Bodens, wodurch die Bodenarbeiten sehr schwierig waren. Ziel war es, den Boden großflächig mit einer Unkrautfolie zu versehen, um ihn so langfristig vor Unkraut zu schützen. Als neue Oberfläche wurde Rindenmulch gewählt, da er sich optisch gut in die Waldumgebung einpasst. Die Gräber der russischen und deutschen Soldaten sollten einheitlich gestaltet werden. Zur besseren Erkennbarkeit wurden beide Grabfelder mit hellem Kies umrahmt und sind nun als Gräber erkennbar. Zeitgleich wurde das Fundament des Gedenksteins neu gegossen und eine Hecke als äußere Grenze des Friedhofs gepflanzt. 

Das Foto oben zeigt den Zustand des Friedhofes bzw. des Gedenksteines vor der Arbeit der Jugendlichen, das Foto unten, wie es nach dem Arbeitseinsatz des Workcamps aussieht:

In enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeindeverwaltung wurden unsere Arbeiten bestmöglich unterstützt. Mit einem Stromgenerator, einem Betonmischer sowie Unterstützung bei den Baumarbeiten half die Gemeinde an vielen Stellen mit. Ein besonderer Dank gilt auch unseren Busfahrern Markus und Philipp, die sich an der Umgestaltung des Friedhofs tatkräftig beteiligten und dem Team in den zwei Wochen eine große Stütze waren.

Für die gute Zusammenarbeit bedankte sich die Gemeinde mit einem Kuchen bei der gesamten Gruppe. Neben der Arbeit auf dem Friedhof kamen auch Bildungs- und Freizeitaktivitäten nicht zu kurz. Mit Führungen im ehemaligen Ghetto von Riga, dem Ghetto Museum, den Orten von Massenerschießungen in Bikernieki und Rumbula sowie dem Besuch des KZ Salaspils tauchten die Teilnehmer der Freizeit in die dunklen Jahre der Besatzung Lettlands ein.         

Bei den Gedenkstätten der Massenerschießungen, zwei Orte an denen etwa 60.000 Personen umgebracht wurden, beeindruckten die Teilnehmer in besonderer Weise. In Bikernieki finden sich 5000 Stelen, die an die Schreie der Exekutierten und an die Herkunftsstädte erinnern sollen. Diese Städte engagieren sich im Rahmen des Riga Komitees dafür, an die Ermordeten zu erinnern. Als Dank für dieses Engagement wurde die Gruppe von der Stadt Riga empfangen und exklusiv von dem Direktor der Stadt Juris Radzevics durch das Rathaus geführt.

Durch Auseinandersetzungen mit Einzelschicksalen im Rahmen von biografischen Arbeiten recherchierten die Teilnehmer zu Gefallenen des Zweiten Weltkrieges auf dem Friedhof in Beberbeki. Vor allem für den Teilnehmer Benedikt Rohrmann war der Besuch hier wichtig. Der Onkel seiner Großmutter ist in Riga gefallen und wurde auf dem Waldfriedhof bestattet. Durch die Überbettung mit zivilen Toten ist dieser Friedhof nicht mehr auffindbar und die Überreste nicht mehr umbettbar. Für seinen Großonkel Hugo Möser und viele andere so bestattete Soldaten wurden auf dem Friedhof Gedenkstelen aufgestellt.

Neben dem großen Einsatz auf dem Friedhof und der historisch-politischen Bildung kam auch der Spaß nicht zu kurz. Zahlreiche Gruppenspiele, Fuß – und Volleyball standen nahezu täglich auf dem Programm. Besondere Highlights waren das Wandern durch den Gauja Nationalpark, das Klettern im Kletterwald und das Kanu Fahren auf der Gauja.

Für das Leitungsteam um Christian Schuth und Isabella Weiland aus Rheinland-Pfalz, Jan Schillmöller aus Nordrhein-Westfalen und Jonathan Hilker aus Berlin war das Camp Riga 2019 eine gelungene Generalprobe, um im kommenden Jahr mit dem Workcamp die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum des Riga-Komitees zu gestalten.

Christian Schuth und Isabella Weiland