Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

Erinnern für die Zukunft

15 Lehrer aus Westfalen und den Niederlanden auf Spurensuche in Benelux

„Gewalt, Folter und Erniedrigung von Menschen hören offenbar nie auf. Das zeigen die aktuellen kriegerischen Konflikte auf der Welt. Deshalb müssen wir unsere Schüler dafür sensibilisieren“, sagt der Niederländer Paul Rozijn. „Unsere Schüler“ – damit meint Rozijn nicht nur die niederländischen, sondern auch die deutschen Schüler. Als Deutschlehrer am Metzo-College im niederländischen Doetinchem organisiert er seit Jahren Schülerbegegnungen mit der Hohe-Giethorst-Schule in der deutschen Stadt Bocholt, auf der anderen Seite der Grenze. Große Bedeutung hat für Rozijn hierbei die Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Deshalb hat er sich gemeinsam mit einigen Kollegen seiner deutschen Partnerschule einer dreitägigen Studienreise des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. angeschlossen.

„Bausteine für ein demokratisches Bewusstsein“ – so lautet der Titel der Studienfahrt, die die Bezirksverbände Münster und Ostwestfalen-Lippe des Volksbundes einmal jährlich anbieten. In diesem Jahr sind 15 Lehrerinnen und Lehrer mit von der Partie. Vom 30. September bis zum 02. Oktober 2010 waren die Niederlande und Belgien das Ziel. Hier befinden sich die größten deutschen Kriegsgräberstätten des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa. Im niederländischen Ysselsteyn ruhen fast 32.000 Kriegstote, im 50 km entfernten belgischen Lommel sind es nahezu 40.000.

Lucia Christiaen führt die Lehrergruppe über die Kriegsgräberstätte Lommel, auf der sich schier endlos Grab an Grab reiht. „Eine Spurensuche auf der Kriegsgräberstätte ist ein Muss für jede Besuchergruppe“, sagt die Flämin. Viele der in Lommel bestatteten Soldaten sind keine 25 Jahre alt geworden. Sie kamen größtenteils beim Vormarsch der deutschen Wehrmacht 1940 oder in der „Ardennenschlacht“ 1944/45 ums Leben. Aber nicht nur Deutsche liegen hier, sondern auch ihre Verbündeten – Tote aus insgesamt 15 Staaten.

Seit fast 20 Jahren leitet Lucia Christiaen die benachbarte Jugendbegegnungsstätte des Volksbundes. Gemeinsam mit zwei deutschen Pädagoginnen bietet sie ein breites Programm für Schulklassen aller Jahrgangsstufen an. Auf den Friedhofsbesuch bauen verschiedene Workshops und Unterrichtseinheiten auf, z.B. ein Friedensquiz, Gespräche mit Zeitzeugen oder die Auseinandersetzung mit Feldpostbriefen. Dazu kommen Touren und Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung.

Zu den Angeboten der Jugendbegegnungsstätte Lommel gehört auch ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Breendonk bei Antwerpen. Zwischen 1940 und 1944 befand sich hier ein KZ- Auffanglager mit Gestapo-Folterstätte. 3.500 Belgier waren hier unter unmenschlichsten und brutalsten Umständen inhaftiert. Die Hälfte überlebte die Haftbedingungen nicht oder kam nach ihrem Aufenthalt in Breendonk in anderen Lagern ums Leben. Ein belgischer NATO-Offizier führt die Lehrergruppe durch das ehemalige Lager. Eindringlich vermittelt er der Lehrergruppe die systematische Entmenschlichung und Erniedrigung der Häftlinge durch deutsche und flämische SS-Schergen. Seine Motivation für seine ehrenamtliche Tätigkeit in der Gedenkstätte resultiert aus seiner Erfahrung als Soldat auf aktuellen Kriegsschauplätzen in der Welt, z.B. in Bosnien-Herzegowina.

In seinem Fazit teilt er die Einschätzung, die Paul Rozijn anfangs geäußert hatte: „Es hört nicht auf: Herabsetzung, Ausgrenzung und rassistisch motivierte Gewalt kommen heute täglich an vielen Orten auf der Welt vor. Wir dürfen nicht nachlassen, junge Menschen hierfür zu sensibilisieren.“ Am Ende der Fahrt sieht Paul Rozijn sich in seinen Verständigungsbemühungen bestätigt. Für ihn steht fest: „Unser nächstes deutsch-niederländisches Projekt findet in Lommel statt.“

Einmal jährlich bieten die Bezirksverbände Münster und Ostwestfalen-Lippe des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. eine Studienfahrt für Lehrkräfte an. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Schülerinnen und Schüler in die Erinnerung an die Opfer der Weltkriege und des Holocaust einbezogen werden können. Die Fahrten werden finanziell unterstützt von der in Kassel ansässigen Stiftung „Gedenken und Frieden“.

Stefan Schmidt