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Gedenken unter Freunden – der 8. Mai 2020 in Berlin

Feiern anlässlich 75 Jahre Kriegsende in Zeiten der Corona-Krise

Der Tag hatte viele Schauplätze: Dazu gehörten das sowjetische Ehrenmal, die Neue Wache, der Jüdische Friedhof und die Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof Heerstraße, wo Kriegstote vieler Nationen liegen.

Es war eine überschaubare, aber sehr engagierte Koalition, die sich am Mittag des 8. Mai 2020 auf der Kriegsgräberstätte der Briten und ihrer Verbündeten an der Heerstraße im Berliner Westen zum stillen Gedenken versammelt hatte. Auf dem kurzgeschnittenen Rasen des weitläufigen Areals, auf dem überwiegend im Luftkampf über Berlin gefallene Air-Force-Mitglieder liegen, standen der britische Botschafter Sir James Sebastian Lamin Wood, Kanadas Botschafter Stéphane Dion und Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. , einträchtig nebeneinander.

„Aus ehemaligen Gegnern sind Freunde geworden“, stellte Wood mit Blick auf die hellen Grabsteine der 3.575 Gefallenen fest. Und sein kanadischer Kollege bekräftigte, dass sich der „furchtbare Feind“ Deutschland zu einem Verbündeten im Kampf für Demokratie und den Weltfrieden entwickelt habe. Und setzte hinzu: „Und für die Weltgesundheit.“

Enge Partnerschaft mit Großbritannien
Denn dass die Gedenkfeier auf dem „Berlin 1939-1945 War Cemetery“ eine außergewöhnliche war, machten nicht nur die großen Abstände zwischen den Rednern deutlich, sondern auch die Schutzmasken der Teilnehmer. „Politiker haben erklärt, dass wir der größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg gegenüberstehen“, sagte der britische Botschafter Wood mit Blick auf die Pandemie. Die enge Partnerschaft, die Großbritannien und Deutschland dabei bilden würden, sei ein „sehr konkretes Beispiel unserer Freundschaft“.

Dies, so Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan, habe eine Vorgeschichte: „Das Vereinigte Königreich hat als demokratische Gesellschaft wohl wie kein anderes Land in einem unermesslichen Kraftakt als Ganzes der rücksichtslosen NS-Kriegsmaschinerie widerstanden.“

Rede des Präsidenten Wolfgang Schneiderhan zum Download

Zweifaches Gedenken am sowjetischen Ehrenmal
Ein Weltkriegsgedenken in Zeiten der Corona-Krise. Die Dramatik der aktuellen Lage wurde schon am frühen Morgen am Sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni deutlich. Klebestreifen am Boden markierten zentimetergenau die Standorte für die zugelassenen 50 Besucherinnen und Besucher, unter ihnen der russische Botschafter Sergej Netschajew, der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Ralf Wieland und die Fraktionschefs der Linkspartei, Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali. Für den Volksbund legten Präsident Schneiderhan und Generalsekretärin Daniela Schily einen Kranz nieder. Beide waren auch bei der anschließenden Zeremonie der Ukraine anwesend, wegen des anhaltenden Konfliktes hatten die ehemaligen Staaten der Sowjetunion eine gemeinsame Veranstaltung abgelehnt.

Ukraines Botschafter Andrij Melnyk urteilte mit Blick auf das traditionelle Gedenken der Russen und Ukrainer über den Hitlerfaschismus am 9. Mai: „In der Sowjetunion hatten wir traditionell den 9. Mai als Tag des Sieges. Deshalb ist uns dieser 8. Mai so wichtig, weil wir heute der immensen Verluste gedenken.“

In kleinstem Kreis an der Neuen Wache
Wegen der aktuellen Krise hatte die Bundesregierung auf den geplanten Staatsakt verzichtet. An der Neuen Wache, der zentralen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin-Mitte, gab es nur eine Veranstaltung in kleinem Kreis, neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier waren Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der Bundesratspräsident und brandenburgische Ministerpräsident, Dietmar Woidke, sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, anwesend.

Steinmeier erinnerte an die Opfer und rief zum Widerstand gegen neuen Nationalismus auf. Der Bundespräsident erinnerte auch an den Zivilisationsbruch des Holocausts, an die deutsche Verantwortung für millionenfaches Leid. Wer hier einen Schlussstrich fordere, verdränge die Katastrophe und gefährde die Demokratie.

Die Opfer der Schoah
Auch für den Volksbund war das Gedenken an die Opfer des Holocausts zentraler Bestandteil des 8. Mai. Auf dem Jüdischen Friedhof erinnerte der Volksbund-Präsident an die schrecklichen Opfer während der NS-Diktatur: „Sechs Millionen Menschen überlebten die Schoah nicht. Sie wurden zunächst verächtlich gemacht und verleumdet, dann entrechtet und enteignet, schließlich deportiert oder durch Zwangsarbeit und Hunger umgebracht.“

Schneiderhan erinnerte daran, dass sich in diesem Jahr auch das Bestehen des Riga-Komitees zum 20. Mal jährt. Mit dieser Initiative erinnern Kommunen in Deutschland, Österreich und der Tschechien an ihre jüdischen Bürger, die nach Riga deportiert und in den allermeisten Fällen dort umgebracht wurden. Schneiderhan mahnte zur Wachsamkeit: Nicht jeder sprachlichen Gewalt folge körperliche, aber jeder körperlichen Gewalt gehe die Verächtlichmachung der Opfer voraus: „Deshalb sprechen wir hier und heute nicht nur über die Opfer, sondern auch über die Täter.“
Rede des Präsidenten auf dem Jüdischen Friedhof zum Download.

Letzte Ruhestätte für Opfer beider Weltkriege
Zum Abschluss legte der Volksbund einen Kranz auf der Kriegsgräberstätte auf dem Waldfriedhof Heerstraße nieder. Hier befinden sich 1.278 Gräber von Kriegsopfern beider Weltkriege, unter anderem in den letzten Kriegstagen getötete Soldaten, Zivilisten und Kriegsgefangene, aber auch Gefallene aus Belgien, Rumänien, Ungarn, Italien und der Sowjetunion. Der Evangelische Militärbischof Sigurd Rink sprach ein kurzes Gebet, Trompeter Andreas Scholz spielte das Lied vom guten Kameraden. In Zeiten der Corona-Krise natürlich mit der gebotenen Distanz, aber darum nicht weniger eingängig.

Text: Harald John
Fotos: Simone Schmid