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Helden - Täter - Opfer

Volksbund diskutiert in Strategieworkshop sein neues Drei-Jahres-Thema

Der Strategie-Workshop am 18. August 2020 in Kassel hat seit langer Zeit einmal wieder den Volksbund aus allen Bereichen und Gliederungen zusammengebracht. Die Teilnahme von Bundeswehr-, Reservisten- und Jugendbeauftragten, aus Landesverbänden, Bundesgeschäftsstelle, Stiftung, Wissenschaftlichen Beirat und Präsidium garantierte eine Vielfalt von Ideen und Erfahrungen. In einem herausfordernden, aber spannenden Tagespensum entstand ein guter Beitrag zum gemeinsamen Verständnis, nun folgt ein abgestimmtes Vorgehen zur thematischen Umsetzung des nächsten Dreijahreszyklus „Helden - Täter - Opfer“. 

„Wir werden regelmäßig mit der Frage konfrontiert, warum wir auch die Gräber von Kriegsverbrechern mit Steuergeldern pflegen. Das zeigt, dass wir ein schwieriges, aber auch zentrales Thema für den ganzen Volksbund mit dem neuen Jahresthema ansprechen“, resümierte Wolfgang Wieland, Vizepräsident des Volksbundes in seiner Begrüßung. Er erinnerte daran, dass sich die Gedenkkultur des Volksbundes weg vom Heldengedenken, immer weiter zu einem mahnenden Gedenken entwickelt hat und damit den Volksbund zu einer ständigen Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Wegen, sie zu erinnern, auffordert.  

Zeitgemäße Erinnerungskultur

Wie der Volksbund diese Positionierung als verantwortlicher Akteur einer zeitgemäßen Erinnerungskultur in Leitbild und Göttinger Erklärung verankert hat, und wie er es bislang mit den Jahresthemen „Flucht und Vertreibung“, „Krieg und Menschenrechte“ und „Europa, der Krieg und ich“ in den letzten Jahren umsetzte, beschrieben Generalsekretärin Daniela Schily und verschiedene Landesgeschäftsführer anhand von Erfahrungsbeispielen. Deutlich wurde dabei, dass gerade in den Kooperationsprojekten mit in- und ausländischen Partnern ein großes Potential für den Volksbund steckt. Allerdings sei es auch noch ein langer Weg, bis der Volksbund in der (internationalen) Erinnerungskultur ebenso sichtbar werden kann wie andere Vereine und Institutionen. Immerhin habe er sich lange Zeit in diesem Diskurs zurückgehalten und auf eigene Stellungnahmen verzichtet.

Verehrung und Verklärung

Auf diesen Nachholbedarf machte unter anderem Dr. Jörg Morré, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat und Leiter des Deutsch-Russischen Museums Karlshorst, aufmerksam. Morré lieferte während des Workshops zudem einen spannenden Impuls zu dem Begriff des „Helden“. Ein Held wird, wer sich öffentlich für etwas gesellschaftlich sinnvoll und wertvoll Wahrgenommenes einsetzt und opfert – dafür wird er verehrt und verklärt. Vom vormals fast göttlich-heroischen Status ist der Heldenbegriff allerdings heute zunehmend ins privat-menschliche gerückt. Es gibt wohl noch „Alltagshelden“, „Leinwandhelden“ und auch persönliche Helden und Vorbilder, doch zumindest in Deutschland ist das offizielle „Heldentum“ zur Würdigung militärischer Leistungen von Kriegstoten nicht mehr üblich. Dies ist jedoch in anderen Ländern - Russland, Frankreich, den USA - durchaus anders.

Sehr viel präsenter und intensiver diskutiert sind dafür in der deutschen Erinnerungskultur die Narrative zu „Tätern“ und „Opfern“, so wurde es in zwei weiteren Impulsreferaten deutlich. Beide Begriffe gehören zusammen. Darüber waren sich die beiden Referenten zu diesen Themen, Dr. John Zimmermann, Leiter des Fachbereichs Deutsche Militärgeschichte bis 1945 im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften in Potsdam und Prof. h.c. Rolf Wernstedt, Kultusminister und Präsident des Niedersächsischen Landtages a. D., absolut einig.

Allerdings definiert sich der Täter – im Gegensatz  zum Helden und Opfer – immer über die aktive Beteiligung an seiner Rolle. Er tut etwas! Ob er es anordnet, ausführt, dabei wegsieht oder es billigt – er trägt immer auch dafür Verantwortung,  so beschrieb es John Zimmermann.

Ein Blick auf die Opfer

Dass auch das Opfer unterschiedlich definiert sein kann, führte Rolf Wernstedt aus: Es kann freiwillig erbracht wie im religiösen Sinne, unfreiwillig herbeigeführt durch Verbrechen und Diskriminierung oder sogar freiwillig/unfreiwillig, wie durch den Tod eines freiwillig in den Krieg gezogenen Soldaten, zustande kommen.

Diese unterschiedlichen Akzente in der Untersuchung von Täter- und Opferschaft sind für den Umgang mit Kriegsgräberstätten von enormer Bedeutung. Oft ist dabei die eindeutige Zuordnung in den unterschiedlichen, aber auch in den gemeinsamen Kategorien gar nicht (mehr) möglich.

Kann man denn dann, und wie kann man, diese Themen öffentlich im und als Volksbund darstellen und behandeln? Auch diese - fast bange - Frage tauchte zum Ende der Veranstaltung in der Diskussion auf. Doch die Antwort war ebenso klar wie mehrheitlich: Man kann – und man muss, denn eine Kriegsgräberstätte bildet nicht nur den Krieg ab, ist auch nicht nur eine Ruhestätte – sie muss heute immer mehr als Ge-Denkstätte und als Lernort wirken. Indem die Täter und ihre Taten als Mahnung, die Opfer hingegen mit Anteilnahme betrachtet werden, können die Kriegsgräberstätten zum Nachdenken über Ursachen von Kriegen und zum Engagement für den Frieden anregen.

In jeden Fall: Es wird interessant für den Volksbund, hierzu weiter zu diskutieren und spannend zu sehen, welche Projekte und Formate im Rahmen des Drei-Jahresmottos „Helden – Täter – Opfer“ in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden.