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„Heldenruhm – damals und heute“

Bericht vom Fotoworkshop vom 11.06. bis 14.06.2019 in Niederbronn-les-Bains

Karlsruhe, 03.07.19. Es war ein Wagnis, auf das wir uns da eingelassen haben: vier Tage direkt neben einem Kriegsgräberfriedhof zu wohnen, auf  dem knapp 16000 Tote des 2. Weltkrieges leben: Täter, Opfer, Mitläufer, Kriegsverbrecher, Nazis, Zivilisten - überwiegend Männer, aber auch ein paar Frauen. Schon morgens, auf dem Weg zum Frühstück, sehen wir auf 4000 Grabsteine, einer für je vier Verstorbene.

Die meisten von ihnen im Alter zwischen 17 und 23 Jahren. So alt, wie die meisten von uns. Das Thema: Heldenruhm – damals und heute; die Methode: Fotos „schießen“.

Nicht einfach nur so, sondern die Aufgabe besteht darin, sich eine der fast 400 recherchierten Biografien auszusuchen, und diesen Menschen kennenzulernen. Die Dokumente sind ganz unterschiedlich zusammengesetzt: Feldpostbriefe der einzelnen Soldaten, Tagebücher, Predigten, die anlässlich ihrer Gedenkfeier gehalten wurden, Fotos, gemalte Bilder ihrer Kinder...

Das erste Bild setzt eine Situation rund um den Tod des Soldaten in Szene. Das zweite Bild zeigt, wie sein Leben hätte verlaufen können, wäre er nicht in dem Wahnsinn der Krieges und seiner Ideologie ums Leben gekommen. Auch dazu dienen die Biografien, aus denen zu lesen ist, welche Gedanken, Gefühle und Charakterzüge diesen Menschen ausmachten: Humor, die Liebe zur Landwirtschaft, der Wunsch, nach dem Krieg eine Familie zu gründen oder zu studieren. Eine Lehre zu machen, mal wieder angeln zu gehen… Dabei begleitet uns die ehrfürchtige Frage, ob es wohl in Ordnung ist, diese intimen Gedanken zu lesen. Sie waren nie für unsere Augen gedacht. Und wieder kommen wir damit diesem Menschen ein Stück näher und erkennen: 1 Toter ist ein Drama, 1000 Tote sind eine Statistik. Wir sind mitten drin im Drama…

Die zweite große Aufgabe beschäftigt sich mit uns selbst. Was in unserem Leben ist eine Schlüsselszene, die einen Teil unserer Selbst darstellt. Und was für eine Vision haben wir für unser Leben? Bis zum Abendessen entstehen auch da zwei Bilder.

Dazwischen immer wieder Gespräche in der Gruppe, in Zweiergruppen und mit sich selbst: was ist ein Held, eine Heldin. Ist man ein Held, wenn man der Ideologie seiner Zeit folgt – und frohgemut in den Krieg zieht? Ist man ein Held, wenn man sich dieser Ideologie in den Weg stellt? Hat sich der Begriff des Helden seit Ende des zweiten Weltkrieges gewandelt – von jemanden, der den Heldentod stirbt und möglichst viele Menschen vorher für die eigene Sache umgebracht hat; oder ist ein Held, eine Heldin jemand, die oder der sich für die Rettung von Leben einsetzt?

Wofür wollen wir leben? Was sind unsere Visionen von  Zukunft? Wollen wir Helden sein? Und wenn ja, wofür?

Der Leiter der Albert-Schweitzer-Jugendbegegnungsstätte Bernard Klein und sein Team in Niederbronn-les-Bains, in dem wir die Tage verbracht haben, nehmen uns mit auf den Weg über den Friedhof, seine ganz unterschiedlichen Schicksale,  ihre jahrelange Auseinandersetzung mit den Weltkriegen und ihren Überlegungen zum Thema Heldentum. Und sie stellen uns alles an Materialien und Dokumenten zur Verfügung, was in den Gräbern gefunden worden ist: alte Stiefelsohlen, Münzen, Patronen, Bilder, Abzeichen…

Abends gibt uns Gülay Keskin, „unsere“ hervorragende Kunstfotografin aus Heidelberg verschiedene Foto-Aufgaben, die dabei helfen, die Schwere der Tages-Themen abzulegen. Es entstehen tolle Portraits mit unterschiedlicher Belichtung und Seifenblasenfotos im Sonnenuntergang.

Gerahmt werden die Tage von Andachten, die das Thema Heldentum, Frieden, Nächstenliebe aufgreifen.

Die Vernissage am letzten Tag ist sehr dicht. Die Fotos nun alle zu sehen, manche davon zum ersten Mal, ist sehr anrührend, tiefgehend und persönlich.

Text: Max Wejwer (Referent der youth academy; er hat dieses Format initiiert und durchgeführt)