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„In Flanders Fields“

Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen auf den Spuren des Ersten Weltkrieges in Belgien

Ypern (Belgien). Einhundert Jahre liegt der Erste Weltkrieg inzwischen zurück. In der deutschen Erinnerungskultur wird er vom Zweiten Weltkrieg überlagert. Dennoch besuchen jährlich zehntausende Menschen aus aller Welt die Erinnerungsorte des Ersten Weltkrieges in Flandern. Lassen sich aus dem Besuch dieser Stätten Erkenntnisse für den deutschen Schulunterricht gewinnen? Vom 29.9. bis 2.10.2017 gingen 29 Lehrkräfte aus ganz Nordrhein-Westfalen dieser Frage nach. Hierzu eingeladen hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Finanziell unterstützt wurde die Fahrt von der Stiftung Gedenken und Frieden in Kassel.

Selbst wenn die Sonne sich hinter dichten Wolken versteckt, scheinen die weißen Grabsteine der Kriegsgräberstätte Tyne-Cot im belgischen Westflandern aus sich heraus zu leuchten. Nahezu 12.000 Soldaten des Commonwealth – Opfer der vier Flandernschlachten zwischen 1914 und 1918 – sind hier bestattet. Sie stammen aus allen Gegenden der Welt – aus dem Vereinigten Königreich, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien und weiteren Territorien des damaligen britischen Weltreichs. Die symmetrische Friedhofsanlage mit prachtvoller Kolonnade, einem majestätischen „Cross of Sacrifice", dem altarähnlichen „Stone of Remembrance" und Blumenbeet vor jedem Grabstein braucht den Vergleich mit britischen Gärten und Parkanlagen nicht zu scheuen. Dieser Friedhof signalisiert mit jedem Gestaltungsmerkmal den Stolz, die Dankbarkeit und den Trost des Commonwealth für Gefallene und deren Angehörige.

Einen ganz anderen Eindruck vermittelt der deutsche Soldatenfriedhof im nur wenige Kilometer entfernten Langemark. Mehr als 45.000 deutsche Soldaten haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Unter hohen Eichen laden roter Wesersandstein, Ziegelmauerwerk und dunkle Grabsteine zur Andacht ein, verströmen aber auch den Trotz und den Widerstandswillen des Verlierers. Seinen wörtlichen Ausdruck findet dies in einem Spruch des „Arbeiterdichters" Heinrich Lersch, der auf der Rückseite des Eingangsgebäudes angebracht ist: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen".

Um mehr über die Entstehungsgeschichte dieser beiden Friedhöfe erfahren, besucht die Reisegruppe anschließend das Museum „In Flanders Fields" in Ypern. Mit dem Einsatz neuester und vielfältigster museumspädagogischer Mittel wird hier die Geschichte der vier Flandernschlachten erzählt. In ihnen kamen mindestens 500.000 Soldaten ums Leben. Am Ende des Krieges stand in der Region buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen. Die Ausstellung beleuchtet verschiedenste Aspekte der Schlachten. Sie lässt Protagonisten sowohl von alliierter als auch deutscher Seite zu Wort kommen und vermittelt so ein sehr umfangreiches Bild dieses im wahrsten Sinne des Wortes „verheerenden" Ereignisses.

Ein weiteres besonderes Erlebnis dieser Reise bietet die Gedenkzeremonie „Last Post". Sie findet seit 1928, nur unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg, an jedem Abend um 20.00 Uhr unter dem „Menen-Poort" in Ypern statt. Auf diesem Stadttor sind die Namen von mehr als 50.000 vermissten Commonwealth-Soldaten eingraviert. Hunderte Gäste aus aller Welt nehmen allabendlich an der Veranstaltung teil, so auch beim Besuch der Reisegruppe des Volksbundes. Reiseteilnehmer berichteten anschließend beeindruckt von Gesprächen mit Gästen aus Australien, die sie am Rande der Feier geführt hatten.

Neben den Flandernschlachten stehen noch andere Aspekte auf dem Reiseprogramm. Die Leiden der belgischen Zivilbevölkerung im Ersten Weltkrieg beleuchten zwei Ausstellungen in der Provinz Brabant: Das „Erlebnismuseum 14-18", untergebracht im ehemaligen deutschen Hauptquartier in Tildonk, thematisiert das Verhalten der deutschen Eroberer. In der benachbarten Universitätsstadt Löwen zeigt eine Dauerausstellung die Zerstörung der weltberühmten Universitätsbibliothek durch deutsche Soldaten. Was in Deutschland heute kaum noch bekannt ist: Aus Angst vor Heckenschützen setzten die deutschen Soldaten bei ihrem Einmarsch zahlreiche belgische Orte in Brand, nahmen Zivilisten als Geiseln und erschossen sie standrechtlich oder willkürlich. Mehr als 6.000 Belgier kamen dabei ums Leben.

Dem Ersten folgte nach gut zwanzig Jahren der Zweite Weltkrieg. Seine Auswirkungen erfährt die Reisegruppe auf zwei weiteren deutschen Kriegsgräberstätten. Im niederländischen Ysselsteyn sind rund 32.000 Tote bestattet; nicht weit davon entfernt, im belgischen Lommel, wurden fast 40.000 Menschen bestattet. Direkt neben diesen Friedhöfen betreibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge je eine Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte. MitarbeiterInnen dieser Einrichtungen führen die Gruppe über die Friedhöfe und stellen Bildungsangebote vor.

All diese Aspekte sind immer wieder Thema in Gesprächen zwischen den TeilnehmerInnen. Am Ende dieser kurzen, aber an Eindrücken reichen Reise ziehen die TeilnehmerInnen ein überwiegend positives Fazit. „Mir ist hier noch einmal sehr deutlich geworden, wie wichtig internationale Verständigung ist", fasst Okka Janssen-Rüße vom Werner-von-Siemens-Gymnasium Ahaus ihr persönliches Ergebnis zusammen. Wilfried Röhrig vom Wilhelm-Normann-Berufskolleg Herford haben vor allem die Unterschiede der Gedenkkulturen beeindruckt: „Die Reise hat vielversprechende Ansätze der Friedensarbeit und viele Anregungen zur praktischen Durchführung und Umsetzung im Unterricht vermittelt." Josef Sievert vom Abendgymnasium Münster sieht Impulse für Kursfahrten in der Sekundarstufe II: „Die Eindrücke, die die Schüler an diesen unterschiedlichen Erinnerungsorten gewinnen, fördern ihr eigenständiges Urteilsvermögen." Genauso sieht es Marion Gloger-Kluge von der Elly-Heuss-Knapp-Schule Düsseldorf. Sie plant bereits einen Besuch dieser Kriegsgräberstätten mit ihren Schülerinnen und Schülern.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus Attendorn, Bocholt, Bottrop, Detmold, Dorsten, Dülmen, Düsseldorf, Grevenbroich, Gronau, Hamm, Herford, Hürth, Kalkar, Löhne, Mechernich, Münster, Neukirchen-Vluyn, Olpe, Rietberg, Telgte, Viersen, Voerde, Waltrop und Wermelskirchen.

Text und Fotos: Stefan Schmidt/Volksbund