Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

"Revolutionen fallen nicht vom Himmel"

Freya Klier liest aus ihrem Buch "Dresden 1919"

Mit einer eindrucksvollen Lesung aus ihrem Buch „Dresden 1919“ hat die DDR-Bürgerrechtsaktivistin Freya Klier die Zeit aus der Gründung des Volksbundes vor hundert Jahren lebendig werden lassen. Die Schauspielerin und Autorin war am Freitag nach Kassel in die Elisabethkirche gekommen, um an der großen Jubiläumswoche des Volksbundes teilzunehmen.

Volksbund-Vizepräsident Wolfgang Wieland lobe sie als eine „starke Stimme der Bürgerrechtsbewegung“ und erinnerte daran, dass 1919 nicht nur das Gründungsjahr des Volksbundes war, sondern auch das Ende des mit unvorstellbar viel Leid und Trauer verbundenen Weltkrieges markiere und zugleich der Beginn großer politischer Umwälzungen war. Wieland nahm Bezug zum Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke: „Es ist beunruhigend, dass wir nun wieder Zeiten erleben, in denen Politiker von Rechten ermordet werden.“

Freya Klier (Foto oben), die in ihrem Buch „Dresden 1919“ zeigt, wie die Kriegs- und Nachkriegsjahre in der Elbmetropole verliefen, nämlich anders als in Berlin und München weitgehend friedlich. Sie beginnt ihre lebendigen und mit vielen biographischen Aspekten unterlegten Schilderungen im August 1914. So berichtet sie vom Politiker und Schriftsteller Ernst Toller, wie er in München von Passanten gejagt wird, weil er für einen feindlichen Franzosen gehalten wird. Und von Otto Dix, der sich zum freiwillig zum Kriegseinsatz meldet und den erlebten Horror der Schützengräben später in seinen Bildern verarbeitet.

Vor allem aber lässt Klier die Umbruchszeit im Elbetal sehr situativ und eindrücklich wiederaufleben: „Schließlich war die Temperatur in jeder deutschen Stadt sehr unterschiedlich.“ Und anders als München oder Berlin sei es eben durch das vernünftige Zusammenwirken vieler Demokraten deutlich friedlicher zugegangen.

 

Zuvor hatte Professor Jörg Flemming (Foto oben), Historiker aus Kassel, sich in einem Impulsvortag mit dem Wesen der Revolution von 1919 auseinandergesetzt. Sein Ausgangspunkt: „Revolutionen fallen nicht vom Himmel.“ Die Ursachen für den Umbruch wurzelten im Deutschen Kaiserreich, das sich wegen der preußischen Hegemonie nicht erneuern und reformieren konnte. Spätestens 1917 habe das kaiserliche Regime jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Allerdings sei diese Geschichte der Revolution lange nicht wahrgenommen worden, stets habe sie im Schatten der Ereignisse des Jahres 1933 gestanden.

„Mittlerweile aber hat man die Weimarer Republik wiederentdeckt“, so Flemming, „und das Buch von Freya Klier ist ein Beispiel dafür, dass man neue Entdeckungen machen kann, wenn man sich gründlich mit der Alltagsgeschichte auseinandersetzt.“

Flemming führte aus, dass die Revolution von 1919 im Kern eine bürgerliche Revolution gewesen sei, allerdings eine, die radikale Kräfte in Richtung sozialistischer Revolution nach russischem Vorbild weitertreiben wollten. Mit diesem Geburtsproblem habe die Weimarer Demokratie vom Start an Akzeptanzprobleme gehabt – von links wie rechts schlug den Repräsentanten des Staates Verachtung entgegen. Flemmings Urteil: „Die Revolution 1919 taugt nicht zum Gründungsmythos, sie hing wie ein Mühlstein am Hals der jungen Republik.“

Beim Fazit waren sich die Teilnehmer einig: Die Erinnerung an die Vorgänge 1919 und der Folgejahre könne helfen, sich in aufgewühlten Zeiten wie diesen besser zu orientieren und sich mit dem Volksbund für Frieden und Aussöhnung zu engagieren.

Harald John

Volksbund-Vizepräsident Wolfgang Wieland dankte Freya Klier für ihre beeindruckende Lesung in der Kassler Elisabethkirche.