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Studienreise nach Belgien: Spuren der Verfolgung und des Widerstands 1940 – 1945

Vom 02. bis 05.10. 2018 fand eine Studienreise nach Belgien statt, die in beispielhafter Weise vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Bremen, gemeinsam mit dem Verein „Erinnern für die Zukunft e.V.“, der Landeszentrale für politische Bildung sowie dem First Reisebüro durchgeführt wurde.
35 Teilnehmer/innen, hauptsächlich aus Bremen, trafen sich am Dienstag, dem 
2. Oktober morgens früh am ZOB in Bremen, um mit einem Bus nach Antwerpen zu fahren.
Dort wollten sie erfahren, wie sich die Besetzung Belgiens durch die Nationalsozialisten und die Wehrmacht in den Jahren von 1940 bis 1944 ausgewirkt hatte. Vorher hatten sie sich bereits bei einem Treffen in der Landeszentrale für politische Bildung auf die Fahrt vorbereitet. Der Referent und Reiseführer John Gerardu vom Verein „Erinnern für die Zukunft e.V.“ gab den Anwesenden erste allgemeine Informationen über die Besetzung des Landes durch die nationalsozialistische Wehrmacht und die anschließenden Maßnahmen zur Sicherung ihrer Herrschaft sowie die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Gleichzeitig legte er die Komplexität des Landes mit seinen flämisch-, wallonisch- und deutschsprachigen Bevölkerungsanteilen dar. Insbesondere flämische und wallonische Nationalisten sahen in der deutschen Besatzung eine Chance auf Eigenständigkeit und waren zur Kollaboration bereit. Andere wiederum wehrten sich gegen die Besatzer, griffen zur Waffe und waren bereit, jüdische Bürger/innen beim Untertauchen oder bei der Flucht zu helfen. Tausende Belgier/innen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschickt.
Vor Ort konnten die Teilnehmer/innen sich in den beiden nationalen Gedenkstätten des Landes, der Kaserne Dossin in Mechelen und dem Fort Breendonk in Willebroek, ein Bild von diesen Ereignissen machen. Außerdem besuchte die Gruppe das jüdische Viertel in Antwerpen sowie die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Lommel.

In Breendonk, einem ehemaligen belgischen Fort aus dem Ersten Weltkrieg, richteten die deutschen Besatzer schon kurz nach der Eroberung des Landes ein Konzentrationslager für politische und kriminelle Gefangene ein. Die Bewachung dieser Gefangenen überließen sie gerne ihren flämischen Helfern, die hier zum Teil ihre sadistischen Neigungen an den Häftlingen ausleben konnten. In der Kaserne Dossin wiederum wurden die jüdische Bevölkerung sowie Sinti und Roma untergebracht, bevor sie in die Vernichtungslager in Osteuropa deportiert wurden. Heutzutage ist die Kaserne eine Wohnanlage mit einer integrierten Gedenkstätte. Gegenüber von dieser Anlage wurde 2012 eine vorbildliche „Gedenkstätte, Museum und Dokumentationszentrum für den Holocaust und die Menschenrechte“ eröffnet. Moderne audiovisuelle Medien informieren die Besucher/innen nicht nur über die geschichtlichen Aspekte, sondern auch über aktuelle Bezüge. Die Besuchergruppe aus Bremen wurde in beiden Einrichtungen von sachkundigen deutschsprachigen Mitarbeitern durch die Ausstellungen geführt.

Besonders erwähnenswert ist jedoch die Führung durch das jüdische Viertel von Antwerpen mit Frans van den Brande. Der ehemalige Hochschullehrer ist eine Art „wandelndes Lexikon“ in Bezug auf seine Kenntnisse der jüdischen Religion und Geschichte, der Bräuche und Rituale. Im Viertel, das direkt neben dem architektonisch berühmten Hauptbahnhof gelegen ist, zeigte er seinen Gästen nicht nur die Orte der Verfolgung, sondern verwies auch auf die Einflüsse jüdischer Architekten und Kulturschaffenden. Im koscheren Restaurant „Hoffy’s“ erläuterte er den staunenden Besucher/innen gemeinsam mit dem Besitzer, was bei einem koscheren Essen alles zu beachten ist.

Nachdem die Gruppe vom Dach des 9-stöckigen MAS-Gebäude, dem „Museum am Fluss“, einen Blick auf das abendliche Antwerpen einschließlich seiner alten und neuen Häfen hatte werfen können, galt es Abschied von der Stadt zu nehmen. Auf dem Heimweg nach Bremen stand jedoch noch ein Besuch in Lommel an. Gleich neben der vom Volksbund betreuten größten deutschen Kriegsgräberstätte des Zweiten Weltkriegs mit seinen mehr als 39.000 Gräbern befindet sich hier die Jugendbildungs- und Begegnungsstätte. Dort haben Jugendgruppen und Schulklassen die Möglichkeit, sich mit dem Thema „Krieg und Frieden“ auseinander zu setzen. Bildungsreferenten wie Karsten Conaert unterstützen sie dabei. Am Beispiel eines überzeugten deutschen Nazi-Offiziers und eines einfachen Soldaten, der erklärter Nazigegner war, erläuterte Karsten Conaert das pädagogische Konzept der Bildungsstätte. Für die Teilnehmer/innen dieser Studienfahrt, die den Volksbund bisher ausschließlich als „Pflegeinstanz“ deutscher Kriegsgräber wahrgenommen hatten, waren dies sicherlich neue Erkenntnisse. Möglicherweise ergeben sich hierdurch zukünftig in Bremen selbst weitere Kooperationsformen des Volksbundes mit Projekten wie „Spurensuche-Bremen“ oder „Stolpersteine“ oder z. B. bei der Aufstellung von Informationstafeln auf dem Osterholzer Friedhof. Alleine schon deshalb wäre dann die Studienfahrt als sehr gelungen zu betrachten!

(Text: John Gerardu)