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„Über den Gräbern der Vergangenheit Brücken für die Zukunft"

Landtag NRW würdigt 100-jähriges Bestehen des Volksbundes

Düsseldorf. Nur wenige Tage vor dem eigentlichen Geburtstag des Volksbundes (16. Dezember 2019) lud der Landtag NRW am 10. Dezember zu einer Feierstunde ein. Gemeinsam mit mehr als 300 geladenen Gästen ließen Landtagspräsident André Kuper, Ministerpräsident Armin Laschet und Landesverbandsvorsitzender Thomas Kutschaty die 100-jährige Arbeit des Volksbundes Revue passieren. Dabei kamen auch Ehrenamtliche des Volksbundes zu Wort. Viel Lob gab es für die Jugendarbeit des Volksbundes, allerdings fiel auch das eine oder andere nachdenkliche Wort. Das musikalische Programm steuerte die junge Generation bei. Durch das gut achtzig-minütige Programm führte souverän und humorvoll die WDR-Journalistin Martina Eßer. 

In seiner Begrüßung bemerkte Landtagspräsident André Kuper, dass der Landtag NRW mit kaum einem anderen Verein in Nordrhein-Westfalen eine vergleichbare enge Zusammenarbeit pflege. Er dankte dem Volksbund für seine Arbeit und betonte, dass die Friedensarbeit des Volksbund „nicht hoch genug gewertet und wertgeschätzt werden" könne. Frieden kenne keine Garantie, er müsse „immer wieder neu errungen und erwirkt werden". Deshalb sei die Arbeit des Volksbundes mit Jugendlichen von großer Bedeutung. Die Jugendlichen errichteten „über den Gräbern der Vergangenheit Brücken für die Zukunft". Dagegen sei ein Ende des Gedenkens an die Kriegstoten „wie auch von politisch Handelnden gefordert, unverantwortlich, beschämend und auch menschenverachtend." Sicherlich auch, um dieser Haltung zu begegnen, sagte Landtagspräsident Kuper dem Volksbund die weitere Unterstützung der Abgeordneten des Landtages NRW zu. 

Auch Ministerpräsident Armin Laschet, seines Zeichens Schirmherr des Volksbundes in Nordrhein-Westfalen, ließ es sich nicht nehmen, dem Volksbund „für 100 Jahre Einsatz für den Frieden" zu gratulieren. In seinem Grußwort erinnerte er zunächst an die Gründungsphase des Volksbundes in der Weimarer Republik, in der für Versöhnung nicht viel Raum gewesen sei. Revanchegelüste und Demokratiefeindschaft habe den Aufstieg des Nationalsozialismus ermöglicht. Die Nationalsozialisten hätten den Krieg von Anfang an vorbereitet und damit vor allem über Mittel- und Osteuropa großes Leid gebracht. Der organisierte Mord an den Juden sei eine nicht zu tilgende Schuld, an der auch die Wehrmacht beteiligt gewesen sei. Friedhöfe des Zweiten Weltkrieges seien daher „keine einfachen Erinnerungsorte", denn dort lägen neben den einfachen Soldaten auch Täter. Dennoch hätten auch diese Soldaten eine würdige Erinnerung verdient.

Wie der Landtagspräsident lobte der Ministerpräsident vor allem die Arbeit des Volksbundes nach 1945, darunter sein Bemühen um Klärung von Schicksalen, das bis heute andauere. Vor allem hob er die Bemühungen des Volksbundes um Verständigung und Frieden und die Einbeziehung der Jugend hervor. Der Volksbund sei „längst eine kräftige Stimme für den Frieden und die Verständigung". Er sei in vielerlei Hinsicht ein „Botschafter für den Frieden" – unter anderem, weil er Kriegsgräberstätten zu Lernorten für zukünftige Generationen entwickele. Menschen, die im Volksbund engagiert seien, sagten „täglich Ja zum Frieden und täglich Ja für Europa."

Der Vorsitzende des Landesverbandes NRW, Thomas Kutschaty, hob in seinem Beitrag vor allem die Leistung von Mitgliedern und Ehrenamtlichen des Volksbundes aus Nordrhein-Westfalen hervor. Von großen Politikern wie Konrad Adenauer, der die Arbeit des Volksbundes bereits als Kölner Oberbürgermeister unterstützt und ihn als Bundeskanzler mit der Bergung der Kriegstoten im Ausland beauftragt habe. Von den Pionieren der Jugendarbeit des Volksbundes, Pater Theobald Rieth und Hans Linke, die die ersten Workcamps des Volksbundes initiiert hätten. Von engagierten Menschen wie Winfried Nachtweih aus Münster, der vor zwanzig Jahren das Deutsche Riga-Komitee initiiert habe. Aber auch von Bürgern wie Helga Kümeke aus Witten und Gustav Theismann aus Hövelhof, die regelmäßig und sehr erfolgreich Spenden für den Volksbund sammelten. All dies zeige, wie tief und breit der Volksbund in der deutschen Gesellschaft verankert sei.

Thomas Kutschaty ging aber auch auf dunkle Seiten des Volksbundes ein und nannte hier beispielhaft den Mitbegründer des Volksbundes, Siegfried Emmo Eulen, der sich sehr eng den Nationalsozialisten angenähert hatte. Heute dagegen seien sich Mitglieder, Unterstützer und Mitarbeiter des Volksbundes, „der Verantwortung, die sich aus unserer Geschichte für unsere Gegenwart und unsere Zukunft ergibt, in hohem Maße bewusst" und würden sich für Demokratie, Frieden und Freiheit einsetzen. Gerade angesichts der einschneidenden Ereignisse der jüngsten Zeit würde der Volksbund auch nach 100 Jahren gebraucht – „vielleicht sogar mehr denn je".

Zum Abschluss berichteten drei ehrenamtliche Aktive des Volksbundes aus ihren Erfahrungen bei Arbeitseinsätzen mit der Bundeswehr, bei Workcamps und bei Studientagen mit jungen Auszubildenden. Dass es keine Alternative zu Demokratie und Frieden gebe – diese von Jugendlichen bei einem Besuch einer Kriegsgräberstätte geäußerte Erkenntnis, sei für ihn die schönste und wichtigste Erfahrung gewesen, sagte dabei der ehrenamtliche Kreisgeschäftsführer Ingolf Jost aus Siegen

Das musikalische Begleitprogramm, das ausschließlich von jungen Musikerinnen und Musikern bestritten wurde, verband klassische Friedenslieder mit eigenen Kompositionen. Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Hattingen trugen virtuos den Klassiker „Sag mir wo die Blumen sind" sowie die preisgekrönte Eigenkomposition „Friends for the future" vor. Die Dortmunder Zwillinge Finn und Jonas Ulrich setzten mit ihren Songs „War Girl" und „Postfaktisch denken" nicht nur musikalische Ausrufezeichen. Begleitend zu den Musikstücken gab eine Dia-Show Einblicke in 100 Jahre Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

Nach dieser bewegenden aber auch unterhaltsamen Feierstunde lässt sich zusammenfassen: Der Volksbund blickt selbstkritisch auf seine Geschichte zurück. Er bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und zur europäischen Integration. Es gelingt dem Volksbund, sein schwieriges Thema mit einer zukunftsweisenden Botschaft zu verbinden. Als Akteur der deutschen und der europäischen Erinnerungskultur wird der Volksbund weiterhin gebraucht. Dabei darf er sich über hohe Wertschätzung und Unterstützung seitens der politischen Institutionen freuen. Aus allen Rede- und den musikalischen Beiträgen lässt sich ableiten, dass vor allem die Jugend- und Bildungsarbeit des Volksbundes große Anerkennung genießt und ihre Bedeutung wohl noch zunehmen dürfte.

Stefan Schmidt

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