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Virtueller Rundgang auf Kriegsgräberstätte Alt-Salla

Besucher werden dank moderner Technik zu finnisch-russischen Grenzgängern

Geschlossen… was aus aktuellem Anlass Kriegsgräberstätten europaweit betrifft, beschäftigt Eero Pajula vom Rovaniemi-Polarkreis Rotaryclub im finnischen Teil Lapplands seit fast vier Jahren. Er hat Wege gesucht und gefunden, um Angehörigen einen Besuch auf dem Friedhof Alt-Salla im russischen Grenzgebiet zu ermöglichen, obwohl Reisen dorthin fast ausgeschlossen sind. Ein virtueller Rundgang ist die Lösung.

Die Probleme an der finnisch-russischen Grenze hatten im Sommer 2016 begonnen. Bis dahin – etwa ein Jahrzehnt lang – hatten freundliche russische Grenzschutzbeamte Verwandten und Gästen erlaubt, auf Anfrage den Friedhof im Kirchdorf Alt-Salla rund fünf Kilometer hinter der Grenze zu besuchen. 1941 angelegt, ist er Ruhestätte für mehr als 7.700 deutsche Soldaten, die an der Salla- und der Kiestinki-Front gefallen sind.

Was war passiert? Mit der russischen Annexion der Krim und nachfolgenden EU-Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation verschlechterten sich von 2014 an die Beziehungen. „Der internationale Grenzposten von Salla wurde 2016 vorübergehend für Nicht-Finnen und -Russen geschlossen. Niemand durfte den Friedhof betreten", berichtet der Finne. Besuche mussten abgesagt werden, mancher sei an der Grenze in Tränen ausgebrochen, wenn die Gedenkreise aus Deutschland so kurz vor dem Ziel scheiterte.

Hürden faktisch zu hoch
Heute seien die Hürden so hoch, dass ein Gedenken vor Ort faktisch kaum möglich ist: „Zusätzlich zum Visum ist für Einreise und Aufenthalt eine separate Grenzzonen-Genehmigung der russischen Behörden erforderlich“, schildert Eero Pajula die Lage. „Dafür sind während der Antragsphase mehrere Besuche in Russland erforderlich. Die Angehörigen der gefallenen Soldaten oder sonstigen Gäste können den Friedhof in Wirklichkeit nicht mehr besuchen.“

Gemeinsam mit Museumsführer Jarkko Sipola vom finnischen „Salla Museum of War & Reconstruction” prüfte er verschiedenste Möglichkeiten. Eine davon: ein virtueller Rundgang. Einen ähnlichen Plan gab es bereits für den alten finnischen Sorvali-Friedhof in Wyborg in Karelien.

"MixedReality" als Lösung
Im Herbst 2016 schilderte Eero Pajula seinem Freund Bruno Keiser das Problem – einem Schweizer Fotografen, der ebenfalls im finnischen Teil Lapplands lebt. Er begeisterte sich für die Idee. Sein Vorschlag: ein virtuelles 360-Grad-Video mit eingebetteten Fotos der Grabsteine. „MixedReality-Friedhof“ war das Stichwort. Doch wie sollte das gehen – ohne Zutritt vor Ort und ohne Budget?

Vorerst ruhten die Pläne. Währenddessen im Winter 2017 – produzierte Bruno Keiser ein virtuelles Modell der deutschen Kriegsgräberstätte Norvajärvi in Rovaniemi. Das Ergebnis überzeugte ihn und Eero Pajula endgültig davon, dass das auch für Alt-Salla die Lösung war.

Lappland-Universität ebnet den Weg
Kompetente Partner führten schließlich ans Ziel: Als die Lappland Universität im Frühjahr 2018 das Projekt "Lapland Experience Technologies 2025" plante, wurde Eero Pajula Mitglied der Steuerungsgruppe. „Es ging um Open-Source-Programme und -Werkzeuge für Unternehmen. Sie sollten die Entwicklung von VirtualReality-, AugmentedReality- und MixedReality-Anwendungen erleichtern. Damit lassen sich einfacher, schneller und günstiger diverse virtuelle Erlebnisumgebungen bauen“, so der Finne.

Das war die Gelegenheit für Alt-Salla: Der Friedhof wurde Beispiel und Anschauungsobjekt, eine „Proof-of-Concept-Demo“ entstand. 3D-Modellierung und Erstellung der virtuellen Umgebung basierten auf der physischen Umgebung des Friedhofs sowie auf alten Fotos. Die Funktionen der virtuellen Umgebung entwarf ein Expertenteam der Universität. Der Entwurfsprozess umfasste auch Service-Design und einen Besuch der Studenten im Kriegs- und Wiederaufbaumuseum in Salla.

Getestet und optimiert
Benutzergruppen testeten die virtuelle Umgebung in verschiedenen Phasen der Entwicklung. Die Rückmeldungen halfen dem FrostBit Software Lab der Fachhochschule, das für die technische Umsetzung verantwortlich war, die Umgebung zu optimieren.

Damit waren Eero Pajula und seine Mitstreiter am Ziel: Heute ist ein virtueller Besuch des Friedhofs möglich. Eigens entwickelt ist eine benutzerfreundliche Konsole für Navigation und sogar für Interaktion. Wer möchte, kann bei seinem virtuellen Rundgang zum Beispiel eine Kerze vor einem der Gedenksteine aufstellen, auf denen die Namen der Kriegstoten verzeichnet sind.

Virtueller Friedhof Teil der Ausstellung
Der virtuelle Friedhof soll im Frühjahr 2020 als fester Bestandteil der Ausstellung des Kriegs- und Wiederaufbaumuseums in Salla untergebracht werden – für Angehörige gefallener Soldaten, für Touristen, Lehrer und Schüler – für jeden, dem das Gedenken an die Toten von Alt-Salla am Herzen liegt. „Er entspricht dem realen Friedhof sehr genau“, sagt Eero Pajula. „Das Ergebnis ist unglaublich gut!“

Hier ein Kurzvideo zum Rundgang:

 

 

Zur Person
Eero Pajula ist pensionierter finnischer Berufssoldat. Nach dem Studium in Frankfurt am Main war er ab Anfang der 1980er Jahre Verbindungsoffizier (Dolmetscher) in der Rovaniemi-Garnison im finnischen Teil Lapplands. Seit gut 20 Jahren kümmert er sich ehrenamtlich um die deutsche Kriegsgräberstätte Rovaniemi-Norvajaervi. Die Pflege im Auftrag des Volksbunds hat 2002 der Rovaniemi-Polarkreis Rotaryclub übernommen, dem Eero Pajula angehört.

Über 20 Jahre lang hat der Finne Besuchern aus vielen Ländern geholfen, die den Friedhof Alt-Salla oder andere Kriegsschauplätze in Russland besuchen wollten. Wenn er von finnischen Grenzbeamten oder von der Gemeinde Salla angerufen wurde, übersetzte und half er teils stundenlang. Darum lag und liegt ihm die Möglichkeit, den Friedhof auf neue Weise zugänglich zu machen, sehr am Herzen. Für seinen Einsatz für die deutsch-finnische Verständigung und sein Engagement für die Kriegsgräberstätte Rovaniemi erhielt Eero Pajula 2009 das Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. (Foto: privat)