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Wichtige Impulse für das deutsch-polnische Verhältnis

Volksbund-Generalsekretärin spricht über Erinnerungskultur in Hamburg

Wie können wir die Erinnerungen an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und seine Folgen 80 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen lebendig halten? Wie gehen wir heute um mit den historischen Ereignissen und der wechselvollen Geschichte der Nachbarn? Und wie kann das Miteinander beider Staaten und seiner Bürger nachhaltig verbessert und ausgebaut werden? Diese und andere zentrale Fragen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion im Hamburger Mahnmal St. Nikolai. Vor knapp 100 Zuhörerinnen und Zuhörern sprachen Daniela Schily, Generalsekretärin des Volksbundes, Magdalena Erdman, Leiterin des Referats für nationale Gedenkstätten im Ministerium für Kultur und Nationalerbe der Republik Polen sowie Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, die Direktorin der Landeszentrale für Politische Bildung in Hamburg, über das Thema „Erinnerungskultur in Deutschland und Polen“.

Vernichtungskrieg gegen Völker Europas

Daniela Schily schickte ihren Ausführungen eine These vorweg: „Das deutsche Gedenken ist kompliziert.“ Dies beweise die Tatsache, dass der Volksbund über 830 Friedhöfe in 46 Ländern betreue. 46 Länder, diese Zahl zeige, wie weit der Krieg, vor allem der Zweite Weltkrieg, ausgestrahlt habe: „In diesen Ländern liegen tote deutsche Soldaten – Soldaten, die in diese Länder gekommen sind, um sie zu besetzen, zu besiegen, sie auszubeuten und ihre Bevölkerung oder Teile davon zu vernichten. Bevor diese Soldaten gefallen sind und damit Opfer wurden, waren sie Täter.“ Heute wüssten wir, dass dies Soldaten ein verbrecherisches Regime bei seinem Vernichtungskrieg gegen die anderen Völker Europas unterstützten, manche enthusiastisch, andere widerwillig. Das oft gehörte Narrativ „Gefallen für Volk und Vaterland“, welches sich immer noch auf Kriegerdenkmalen finde, sei falsch: „Die deutschen Soldaten in Polen, in Russland, in Frankreich, in Italien und wo immer sie gekämpft haben, haben dort nicht das deutsche Vaterland verteidigt und auch nicht das deutsche Volk. Sie haben auch in Deutschland nicht das Vaterland geschützt, es wäre ohne den Krieg gar nicht angegriffen worden.“

Kriegsgräberstätten zu Lernorten machen

Dennoch sei die Forderung, die Gräber der Kriegsverbrecher nicht zu pflegen oder sie einzuebnen, falsch. Schily argumentierte, der Volksbund wolle vielmehr die Friedhöfe zur Information über die Verbrechen zu nutzen. „Wir pflegen die Kriegsgräberstätten als Orte der Trauer, wir möchten sie aber auch als Lernorte umgestalten und haben dies bei einer Reihe Soldatenfriedhöfen bereits getan“, so die Generalsekretärin. Allerdings sei dieses Vorhaben im Einzelfall schwierig: „Es ist nicht einfach, in Länder zu fahren, die Opfer eines brutalen deutschen Kriegs geworden sind, und dann zu sagen: ,Guten Tag, wir möchten hier für die Menschen, die ihr Dorf zerstört haben, einen schönen Friedhof errichten.’“

Erinnerung an die polnischen Bischöfe

Die Voraussetzung dafür, deutsche Gefallene würdig zu bestatten und die Friedhöfe zu pflegen, sei deshalb, dass man sich mit der Bevölkerung der Opferstaaten versöhne. Versöhnung lasse sich nicht anordnen und könne auch nicht von den Deutschen ausgehen. Schily weiß: „Wir müssen darauf warten, dass uns eine Hand aus den Ländern, die das Opfer Deutschlands geworden sind, entgegengestreckt wird.“ Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an die frühe Initiative der polnischen Bischöfe, die 1965, 20 Jahre nach Ende des Krieges, an ihre deutschen Mitbrüder schrieben: „Wir vergeben und wir bitten um Vergebung.“ Das deutsche Gedenken, so schloss Schily ihren Vortrag, müsse auf die Zukunft gerichtet sein. „Wir können die Vergangenheit nicht rückgängig machen, aber wir können aus ihr lernen und die Zukunft gestalten. Deshalb lauten unsere beiden Leitsätze ,Versöhnung über den Gräbern’ und ,Arbeit für den Frieden’.“

Ein versöhnliches Miteinander

In der anschließenden Diskussion schilderten Magdalena Erdmann und Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, wie ihre Institutionen as Gedenken und die Erinnerung wach halten wollen. Schily fügte das „Aktivieren“ als wichtiges drittes Element zu, durch welches vor allem die Jugend zum Mitgestaltung einer besseren Zukunft kommen könne. Einig zeigten sich die drei Vertreterinnen auf dem Podium in der St. Nikolaikirche in Hamburg, dass bei allen schwierigen Erinnerungen zuerst auch das Anerkennen des anderen wichtig sei, um so zu einem versöhnlichen Miteinander zu kommen.

Text: Harald John