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25 Jahre Sologubowka: wichtige Gesten damals und heute

Botschafter Alexander Graf Lambsdorff gedenkt deutscher Soldaten und der Opfer der Blockade Leningrads

„Auch in diesen angespannten Zeiten ist es wichtig und notwendig, dass wir der Gefallenen vergangener Kriege gedenken“, sagte der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff. Aus Moskau angereist, legte er auf dem Friedhof Sologubowka einen Kranz nieder. Vor 25 Jahren hatte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. diese Anlage eingeweiht.
 

Rund 30 Kilometer von St. Petersburg entfernt, am Rande des Dorfes Sologubowka gelegen, ist es eine der ältesten deutschen Kriegsgräberstätten in der Russischen Föderation – und eine der größten: Mehr als 61.000 Tote sind dort begraben und die Zahl wird noch steigen.
 

Was früher möglich war

„Dieser riesige deutsche Friedhof ist ein Beispiel dafür, was in der Vergangenheit an Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland möglich war. Schauen wir allerdings jetzt in die Zukunft, so ist der Blick eher vage, wenn nicht sogar düster“, so der Botschafter. 

Strahlend war dagegen der Tag, als der Botschafter eintraf – begleitet vom Petersburger Generalkonsul Milan Simandl und einer Referentin der politischen Abteilung der Deutschen Botschaft in Moskau.
 

Grabstelle gefunden

Für sie hatte der Termin eine besondere Bedeutung: Ihr Großonkel ist in Sologubowka bestattet, wie sie erst kürzlich erfuhr. Seine sterblichen Überreste waren vor drei Jahren in Karelien an der russisch-finnischen Grenze zusammen mit denen weiterer 147 Soldaten gefunden und exhumiert worden. Beigesetzt hatte der Volksbund sie im September 2023 im Beisein eines evangelischen Pfarrers und der damaligen stellvertretenden Generalkonsulin.

 

 

Veteranen zunächst dagegen

„Sologubowka ist in seiner Größe und Bedeutung einzigartig“, betonte „Otez“ (russisch für „Vater“) Wjatscheslaw. Als russisch-orthodoxer Priester betreut er seit 30 Jahren die Gemeinde und war auch bei der Einweihung vor 25 Jahren dabei.

„Die russischen Veteranen waren damals gar nicht einverstanden“, erinnert sich der Geistliche, „erst nachdem sich eine Delegation in Deutschland vom tadellosen Zustand der sowjetischen Gedenkstätten dort überzeugen konnte, haben sie zugestimmt.“

Volksbund renoviert Kirche

Es waren daher wichtige Gesten der Versöhnung, dass der Volksbund die zerstörte Kirche von Sologubowka vollständig renovieren ließ und dass ein ehemaliger deutscher Soldat die Wände mit Ikonen kunstvoll bemalte.

Jeden Samstag und Sonntag feiert „Otez“ Wjatscheslaw in der Kirche „Maria-Himmelfahrt“ am Rande des Friedhofs Gottesdienst. Viele Besucher gehen hinterher noch auf dem parkähnlichen, stets gepflegten Friedhof spazieren.

 

Bald größter deutscher Friedhof weltweit

Sologubowka wird irgendwann in Zukunft zur größten deutschen Kriegsgräberstätte weltweit werden – das Gelände ist ausgelegt für mehr als 80.000 Tote und noch immer exhumiert der Volksbund auch in dieser Region. Die Namen von mehr als 35.000 Toten, die dank Erkennungsmarken identifiziert wurden, sind auf den Granitstelen verewigt.

Botschafter Lambsdorff: „Wir haben mit den Friedhöfen Sologubowka, Rossoschka bei Wolgograd und Rshew drei riesige Anlagen, die widerspiegeln, welche ungeheuren Verluste es an Menschenleben im Zweiten Weltkrieg gegeben hat – und zwar auf beiden Seiten.“
 

Rund 26 Millionen Tote in der Sowjetunion

Der Volksbund geht davon aus, dass auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation rund 1,4 Millionen Wehrmachtsangehörige starben. Geborgen, exhumiert und beigesetzt werden konnten bisher etwa 495.000. Die Sowjetunion bezifferte die Zahl der Verluste insgesamt auf 26 Millionen Menschen. Auf dem Territorium der heutigen Russischen Föderation fielen etwa 8,7 Millionen sowjetische Soldaten. 

„Versöhnung über den Gräbern“ – diese Devise des Volksbundes war in Sologubowka immer Realität. So reiste zum zehnjährigen Bestehen des Friedhofs der damalige Bundespräsident Christian Wulff an. Im selben Jahr besuchte Ex-Kanzler Gerhard Schröder die Anlage.
 

„Friedenspark“ mit mehr als 400 Bäumen

Zwischen Kirche und Friedhof wurde gleich zu Beginn ein „Friedenspark“ als Ort der Erinnerung und Mahnung angelegt. Zwei russische Birken und eine deutsche Eiche waren die ersten Bäume auf dem Areal. Mittlerweile gehören mehr als 400 Friedensbäume dazu, vorwiegend Birken.

Dort steht sich auch eine berührende Skulptur der deutschen Künstlerin Yrsa von Leistner. In ihren Werken hat sich die international bekannte Bildhauerin, die 2008 in Siegburg verstarb, immer mit den Themen „Krieg und Vergebung“ auseinandergesetzt. Das Original der „Madonna von Nagasaki” steht in Japan und erinnert an den Atomwaffenabwurf 1945, das zweite Duplikat ist in St. Louis in den USA zu finden.

„Straße des Lebens“ beschossen

Von den bewaldeten Höhen im Umkreis des Friedhofs hatte die deutsche Wehrmacht vor mehr als 80 Jahren auf den Ladoga-See und damit auf die „Straße des Lebens“ geschossen. Während des ersten Kriegsjahrs 1941 herrschte strenger Winter, der riesige Binnensee war zugefroren. Leningrad (das heutige St. Petersburg) wurde eingeschlossen – Hitler hatte den Befehl zum Aushungern der Stadt erteilt.

Um die mehr als zweijährige Blockade zu umgehen, fuhren Lkw über das Eis zwischen West- und Ostufer des Sees hin- und zurück. Frauen und Kinder wurden auf diesem Weg evakuiert, Lebensmittel und Munition wurden in die Stadt gebracht. Über die „Straße des Lebens“ wurden 500.000 Menschen gerettet, 300.000 von ihnen Kinder. 1,1 Millionen Menschen starben in der eingeschlossenen Stadt.
 

Rund 1.000 Lkw versanken

Während der Blockade überquerten nachts circa 4.000 Lkw das brüchige Eis, an die 1.000 versanken im Ladogasee. Tausende Menschen ertranken im eiskalten Wasser oder wurden von deutschen Fliegern getötet.

Um dieser Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht und des Mutes der russischen Lkw-Fahrer zu gedenken, fuhr die Delegation um Graf Lambsdorff weiter ins Dorf Kokkorewo am westlichen Ufer des Sees. Dort begann beziehungsweise endete die „Straße des Lebens“, die „zerbrechliche Brücke“ auf dem Eis. 

Volksbund-Schleife weckt Interesse

Vor dem beeindruckenden und nüchtern gehaltenen Mahnmal „Der aufgebrochene Ring“ legte der Deutsche Botschafter Blumen nieder, die Vertreter des Volksbundes stellten einen Blumenkorb mit Schleife auf den Gedenkstein.

Schon wenige Minuten später fotografierten russische Touristen – es waren vorwiegend junge Leute – interessiert die Schrift „Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ auf der weißen Schleife des Volksbundes. 
 

Text: Hermann Krause
Leiter des Moskauer Volksbund-Büros
Kontakt

Mehr lesen Sie im Blog #volksbundhistory in einem Beitrag von Hermann Krause: Blockade von Leningrad

Der Volksbund ist ...

… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.

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