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Auf den Spuren deutsch-jüdischer Geschichte

Volksbund-Unterstützer besuchen Friedhöfe Weißensee und Halbe

Aus Südwest nach Nordost: 72 Volksbund-Förderinnen und Förderer aus Baden-Württemberg haben anlässlich des 80. Jahrestag des Kriegsendes in Europa Berlin und Brandenburg erkundet. Auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee gedachten sie gemeinsam mit Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan der gefallenen deutschen Soldaten jüdischen Glaubens.

 

Am Ehrenmal für die Soldaten des Ersten Weltkrieges machte Schneiderhan die große Tragik dieser Gefallenen deutlich: „Rund 100.000 Juden zogen für Deutschland in den Kampf. Sie riskierten für ihr Vaterland ihr Leben – mehr Loyalität geht nicht.“
 

Verächtlichmachung im Kaiserreich

Doch das Land habe ihnen ihre Opfer nicht gedankt, so Schneiderhan weiter. Juden sei stets mit Misstrauen begegnet worden. „Sie wurden zu Sündenböcken der deutschen Niederlage erklärt.” Diese Verächtlichmachung im Kaiserreich habe, so Schneiderhan, in einer direkten Linie zur Ausgrenzung und zur späteren Vernichtung unter den Nationalsozialisten geführt.
 

Ein Kaddisch für die Toten

Mit einer Schweigeminute gedachte die große Volksbund-Gruppe aus dem Süden der Republik der jüdischen Soldaten. Rabbiner Boris Ronis sprach das Kaddisch, das Totengebet. Präsident Schneiderhan betonte, dass der Volksbund vieler Opfergruppen beider Kriege gedenke, eben auch der deutschen Soldaten jüdischen Glaubens.

Er sagte das am Vorabend des 8. Mai, an dem traditionell an vielen Stellen der Bundeshauptstadt an die Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges erinnert wird – in diesem Jahr auch mit einer Gedenkstunde des neu gewählten Deutschen Bundestages mit Kanzler Friedrich Merz.

Europas größter jüdischer Friedhof

Martin Bayer, Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes in Berlin, war einer der kompetenten Guides, die die Besucher aus Schwaben über das riesigen Areal in Weißensee führte. Mit einer Größe von 42 Hektar und rund 116.000 Grabstellen gilt es als größter jüdischer Friedhof Europas.

Bayer schaffte es, die Aufmerksamkeit mit der Schilderung spannender Biographien zu wecken. So berichtete er am Grab von Theodor Wolff, bis 1933 Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“, von dessen Flucht über die Schweiz bis nach Marseille, wo er in die Fänge von Gestapo-Verbündeten geriet. Wolff starb entkräftet nach seiner Inhaftierung in Berlin.

Honecker und die Schnellstraße

Verblüfft erfuhren die Besucher auch, dass die DDR-Machthaber einst eine Schnellstraße quer durch den Friedhof bauen wollten. Durch eine Eingabe an Honecker konnte Heinz Galinski, der damalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde West-Berlins und spätere Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, das Vorhaben aber stoppen. Noch heute ist die Schneise auf dem Friedhof zu sehen.

Vorbei an verfallenen Mausoleen, an wunderschön mit steinernen oder gusseisernen Blumen dekorierten Ruhestätten, vorbei auch am Grab von Dr. Arno Philippsthal, der am 3.4.1933 an der Misshandlung durch SA-Schläger verstarb, erreichten die Besucher den Ehrenhain. Dort gedachten sie gemeinsam mit dem Volksbund-Präsidenten aller jüdischen Opfer. Mancher murmelte dabei sichtlich berührt ein leises „Shalom“.

„Menschen wie Du und ich“

Dietlinde Seydel-Röthke ist beeindruckt vor allem von den Soldatengräbern auf dem jüdischen Friedhof. „Das waren Menschen wie Du und ich, die gemeinsam mit allen anderen in den Ersten Weltkrieg gezogen sind.“

Auch die Schicksale in ihrer Familie rückten an einem Ort wie diesem in greifbare Nähe. Die Besucherin aus Bietigheim-Bissingen hat Vater und Onkel im Krieg verloren. Als Flüchtlingskind ist sie der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 nur entkommen, weil die Mutter die Stadt mit ihren Kindern am Morgen verlassen hatte. „Diese Schicksale bewegen mich unheimlich, wenn ich über so einen Friedhof gehe.“
 

„Treibt einem die Tränen in die Augen”

Bei Karl und Christine Pfluger aus Dettingen hat am Ende der Waldfriedhof Halbe den stärksten Eindruck hinterlassen: „die Menge derer, die so kurz vor dem Kriegsende noch hat sterben müssen. Auch Kinder. Das treibt einem die Tränen in die Augen und man fragt sich: Wie kann der Mensch so weit sinken?“, sagt Karl Pfluger. 

Artur Meiners aus Ibach sagt: „Der Volksbund hat meinen Onkel ausfindig gemacht, der in Belarus begraben ist. Das Grab kann ich nicht besuchen. Vor dem Hintergrund hat mich der Waldfriedhof Halbe sehr beeindruckt. Da wird nicht unterschieden zwischen Freund und Feind. Als sie gestorben waren, waren alle gleich. Das ist schon sehr berührend.“

„Rund 100.000 Juden zogen für Deutschland in den Kampf. Sie riskierten für ihr Vaterland ihr Leben – mehr Loyalität geht nicht.“

Wolfgang Schneiderhan, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.

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ist ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
 

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Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit