Volksbund Logo Desktop Volksbund Logo Mobil
Gräbersuche Mitglied werden Jetzt spenden Spenden

Delegation in Rshew: „... die zum Frieden raten, haben Freude“

Volksbund und Deutsche Botschaft besuchen Kriegsgräberstätte und Museum – Kontaktpflege in Russland auf unterster Ebene

Kein Jubiläum, kein Jahrestag, nur der Wunsch, die Kontakte nicht einschlafen zu lassen – dafür machten sich Vertreter von Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. und Deutscher Botschaft in Moskau auf den Weg nach Rshew. Hermann Krause, Leiter des Volksbund-Büros in der russischen Hauptstadt, berichtet.

„In Rshew, rund 200 Kilometer westlich von Moskau am Oberlauf der Wolga gelegen, wurden wir nach einer vierstündigen Autofahrt wie immer freundlich und herzlich empfangen – und zwar zuerst in dem kleinen Museum, in dem auch das regionale Büro des Volksbundes untergebracht ist, am Rande des so genannten Friedensparks.
 

Täglich mehrere Busse

Neben der sowjetisch-russischen Gedenkstätte und dem deutschen Friedhof gibt es mittlerweile auch ein kasachisches und ein kirgisisches Denkmal. Auch Soldaten dieser zentralasiatischen Nationen fielen im Kampf um Rshew zwischen Januar 1942 und März 1943.

Viele russische Touristen besuchen auch die deutsche Kriegsgräberstätte. Im Sommer kommen täglich mehrere Busse. ‘Es ist der Friedhof, der uns von Moskau aus gesehen geographisch am nächsten liegt, aber er liegt uns auch besonders am Herzen’, so Victor Muchin, der seit mehr als 23 Jahren beim Volksbund in Russland tätig ist.
 

Veteranen ebneten den Weg

Bei der Eröffnung des Friedhofs 2002 war er dabei. ‘Keine einfache Zeit’, erinnert er sich, ‘die Proteste gegen den Friedhof waren enorm. Am Ende waren es die russischen Veteranen, die sich dafür eingesetzt haben, dass das Gelände dem Volksbund zur Verfügung gestellt wurde. Zur Einweihung kamen mehr als 1.000 Gäste, auch deutsche Militärs und ehemalige Kriegsteilnehmer. Auch die Partnerstadt Gütersloh war vertreten.’ 

 

Gräber liegen dicht zusammen

Jetzt, an diesem kalten Wintertag, sind keine Besucher zu sehen. Der Wind weht eisig, man hat fast den Eindruck, als würden die ‘Trauernden Eltern’ der Skulptur von Käthe Kollwitz noch enger zusammenrücken. Die Figuren stehen am Eingang des deutschen Friedhofs, vermutlich ist der Enkel der Künstlerin hier begraben, der als ‘Freiwilliger’ in den Krieg gezogen war.

43.049 deutsche Soldaten liegen hier begraben, auf dem sowjetischen Areal mehr als 20.000. Wie es üblich ist, legt die Delegation zuerst dort und dann auf dem deutschen Friedhof Blumen nieder. Pfarrer Fridtjof Amling von der Emmaus-Gemeinde Moskau hält eine kurze Ansprache. „Selten sind deutsche und sowjetische Soldaten so eng nebeneinander bestattet, nur wenige hundert Meter trennen die Gräber voneinander.

Eigener Raum für die Volksbund-Arbeit

Im Museum stehen auch die sowjetischen und deutschen Waffen dicht beieinander, zum Teil von Rost befallen, zum Teil gut erhalten – Zeugen einer der schlimmsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges. Ein Raum ist allein dem Volksbund und seiner Arbeit gewidmet samt Fotos von der Eröffnung.

Die Museumsleiterin Natalija Dranowa und die Deutschlehrerin Natalija Rossinskaja, eine gute Freundin des Volksbundes, haben Tee und Gebäck vorbereitet. Wie immer ist die Atmosphäre locker, auch die stellvertretende Leiterin der Stadtadministration von Rshew, Jelena Nikolajewna ist gekommen. Auch sie kennen wir seit vielen Jahren.

Warten auf Erweiterung

Ein ständiges Problem: die vom Volksbund gewünschte Erweiterung des deutschen Areals. Die Stadtverwaltung kann sich nicht zu einer Zusage durchringen. Schließlich gilt Deutschland zurzeit als ein ‚unfreundlicher Staat’, da wartet man besser ab. 

Dass der ‚Große Vaterländische Krieg’ in Russland immer noch große Bedeutung hat, drückt Jelena Nikolajewna so aus: ‚Sie müssen verstehen, die Erinnerung daran liegt uns im Blut.’ Deshalb sind in Rshew und Umgebung viele Gedenkstätten zu finden.

„Eiserne Soldat“ vor fünf Jahren errichtet

Am Ufer der Wolga steht ein großer Obelisk, in der Stadt gibt es zahlreiche Tafeln und Mahnmale und natürlich ist der vor fünf Jahren erbaute „Eiserne Soldat“ besonders wichtig. Weithin sichtbar steht das Rshewer Ehrenmal vor den Toren der Stadt. Wladimir Putin hat es eingeweiht. 

‚Sie müssen im Sommer wiederkommen’, so eine der freundlichen Verkäuferinnen im Souvenirshop am Fuße der riesigen Skulptur. ‚Dann wird alles angestrahlt, es ist eine schöne Atmosphäre hier. Die Leute flanieren und auch die Brautpaare treffen sich.’ Für den 22. Juni, den Jahrestag des deutschen Überfalls 1941 auf die Sowjetunion, sind zahlreiche Veranstaltungen geplant. ‚Wir laden Sie herzlich ein’, sagt sie.
 

Brücke zwischen Russen und Deutschen

Auch das ist erstaunlich für die deutschen Besucher: Die Konfrontation mit einer schrecklichen Vergangenheit und einer großen Schuld führt nicht zu einer negativen Einstellung, zu keinem bösen Wort. Und auch nicht zu Kritik an der jetzigen Haltung der Bundesregierung gegenüber Russland. Zumindest wird sie gegenüber den Gästen nicht öffentlich geäußert. 

‚Versöhnung über den Gräbern’ ist auch 80 Jahre nach Kriegsende immer noch eine Brücke zwischen Russen und Deutschen – trotz des Krieges in der Ukraine. ‚Wir einfachen Leute wollen wieder normale Beziehungen’, sagte eine der Gesprächspartnerinnen. ‚Die Volksdiplomatie ist wichtiger denn je.’

Was hatte Pfarrer Amling am Hochkreuz vor den deutschen Gräbern aus dem ‚Buch der Sprüche’ zitiert? ‚Die Böses planen, haben Trug im Herzen; aber die zum Frieden raten, haben Freude.’”

Text: Hermann Krause
Kontakt
 

Der Volksbund ist …

… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Runde 11.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Der Volksbund ist dringend auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen.
 

zur Startseite