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„Demokratie lebt vom Mitmachen – das gilt nicht nur für Jugendliche“

Weiteres Volksbund-Format: Erwachsenen-Workcamps – Interview mit Ulrich Creydt, Leiter des Projekts „Walk of Peace“ in Slowenien

Wir treffen uns im Mai 2024 in einem Café in Kobarid in Slowenien beim Workcamp „Walk of Peace“. Es ist ein Angebot für 27- bis 55-Jährige – für Erwachsene in Ulis Alter. Er ist 38, Steuerberater und Partner einer Großkanzlei in Köln, und hat dieses junge Volksbund-Format angestoßen und vorangetrieben.

 

Uli leitet das Camp, das dritte dieser Art. Kaum verlasse ich den Tisch, um zu bestellen, hat er schon wieder das Handy am Ohr … „Das ist eine echte Herausforderung: Die Hälfte der Zeit sind wir mit Umorganisieren beschäftigt. Das ist schön und zugleich superanstrengend“, sagt er. Da drängt sich die erste Frage förmlich auf …
 

Warum machst Du so etwas ehrenamtlich in Deinem Urlaub? Was treibt Dich an?

Es gibt zwei Gründe: weil es Spaß macht, mit einer buntgemischten Gruppe zusammen Neues zu entdecken, und aus Idealismus – weil ich sehr von der Volksbund-Arbeit überzeugt bin. Kriegsgräberstätten als Mahnmale zu erhalten und zu pflegen, halte ich für ganz wichtig, um den Frieden zu bewahren und den europäischen Integrationsprozess voranzubringen.

Außerdem profitiere ich in gewisser Weise auch beruflich: Ich berate internationale Investoren bei Projekten in Deutschland. Freier Handel im Schengen-Raum, ein sicherer rechtlicher Rahmen, gemeinsam etwas mit anderen Ländern tun – das geht nur mit Verständigung und Versöhnung. Das ist das, wofür der Volksbund arbeitet. Das ist das Fundament.
 

Du hast Dich für die ersten Erwachsenen-Workcamps stark gemacht. Warum?

Ich war mit 18 das erste Mal bei einem Workcamp in St. Petersburg dabei. Danach kamen mehr als zehn Camps als Teilnehmer und später auch als Teamer. Der Volksbund leistet sehr gute Jugend- und Friedensarbeit, aber die Angebote brechen abrupt ab, wenn man älter wird.

Mit diesem Anschlussangebot für Leute ab 27 wollen wir weiter begeistern und motivieren. Gerade bei der heutigen geopolitischen Lage ist das so wichtig. Demokratie lebt vom Mitmachen. Das gilt für alle Altersklassen, nicht nur für Jugendliche.

Ich habe aus den Jugend-Camps noch viele Kontakte und weiß, dass die meisten die Verbindung zum Volksbund verloren haben. Die möchte ich zurückgewinnen.
 

Wobei hier auf dem „Walk of Peace“ nicht nur Ehemalige – Alumnis – dabei sind, sondern auch Leute, die den Volksbund bisher nicht kannten.

Das finde ich ganz toll! Über die Erwachsenen-Workcamps sollen auch neue Kontakte entstehen. Wir wollen Leute für die Volksbund-Arbeit begeistern. Auch sie können Multiplikatoren in der Gesellschaft sein und die Volksbund-Botschaft von Frieden und Völkerverständigung in ihren Alltag einbringen. Gerade durch die intensive Auseinandersetzung mit den Themen Kriegsgräbern und Frieden während eines Camps wird deutlich, wie sehr wir von fast 80 Jahren Frieden in Deutschland profitieren.

Wie ist Dein erster Eindruck nach den ersten beiden Tagen dieses Workcamps mit harter Kost? Thema sind die Isonzo-Schlachten im Ersten Weltkrieg, zweieinhalb Jahre Kämpfe im Hochgebirge der Julischen Alpen. Geht das Konzept auf?

Ja, absolut. Das ist eine tolle, dynamische Gruppe, die Interesse an der Sache hat. So hatte ich mir das vorgestellt. Mit dem neuen Format und auch mit dem Thema Erster Weltkrieg können wir die 30- bis 50-Jährigen abholen.

Wir waren im Museum Kobarid und bei der Stiftung „Wege des Friedens in der Region Soča", unserem Kooperationspartner. Von beiden haben wir ein sehr positives Feedback erhalten, weil das Interesse so groß ist und die Gruppe so viele Fragen gestellt hat – sogar bei unserer ersten Wanderung auf dem „Walk of Peace“. Und das bei mehr als vier Stunden bergauf mit 1.000 Höhenmetern!

Großen Anteil an der positiven Zwischenbilanz hat Dominic Lagoski, der mich als Co-Leiter unterstützt. Wir ergänzen uns sehr gut. Er macht zum Beispiel die gruppendynamischen Spiele, die ganz wichtig sind, damit man sich schnell kennenlernt. Viele zögern erst, haben aber dann doch großen Spaß dabei.

Also alles perfekt so, wie es ist?

Nein, das ist diesmal leider ein Camp ohne „Work“. Wir hatten Pflegearbeiten am deutschen Beinhaus in Tolmin geplant, aber die Anlage dort ist zu gut gepflegt (lacht). Da liegt kein Blatt, das wir wegfegen könnten.Dabei ist das gemeinsame Arbeiten ein ganz wichtiger Teil des Workcamp-Konzepts, weil da nochmal ganz andere Stärken zum Tragen kommen. Meine Erfahrung zeigt: Nach dem ersten Arbeitstag ist das Zusammengehörigkeitsgefühl noch intensiver.

Hast Du Wünsche für die Zukunft?

Ja, dass wir vor allem mit diesem Camp zeigen konnten, dass das ein erfolgreiches Format ist. Bei den ersten Angeboten 2022 und 2023 waren nur wenige Erwachsene dabei – da haben wir teilweise mit jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern „aufgefüllt“.

Es wäre schön, wenn der Volksbund das Format ausbauen würde und wenn sich Personen finden würden als Teamer oder Leiter für solche Camps. Wichtig wäre auch, dass es Förderprogramme – zum Beispiel der EU – gibt, die auf Angebote für Ältere zugeschnitten sind. Damit sich auch jeder leisten kann, dabei zu sein.

Wir fördern den europäischen Integrationsprozess. Das Thema ist so wichtig für alle – egal, wieviel oder wenig jemand verdient. Und wer einmal mit uns mitgefahren ist, bleibt womöglich am Ball, spendet vielleicht regelmäßig oder wird sogar Volksbund-Mitglied.
 

Für Erwachsene steht neben dem Beruf oft auch die Familie im Vordergrund. Sind für Dich Volksbund-Angebote für Familien vorstellbar? Auch mit kleinen Kindern?

Definitiv. Das kann ich mir zum Beispiel für Ysselsteyn in den Niederlanden wunderbar vorstellen. Die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte dort hat Blockhütten und man könnte zusammen auf der Kriegsgräberstätte arbeiten, Ausflüge machen, gemeinsam kochen – am besten in einer internationalen Gruppe.

Ich hätte kein Problem damit, wenn Kinder auf der Anlage herumlaufen. Auch wenn sie manchmal laut sind: Sie zeigen das pure Leben und gehören dazu. Die Toten, die dort ruhen, hätten vermutlich auch nichts dagegen. Die Bedeutung der Volksbund-Arbeit könnte so Kindern schon von klein auf nahegebracht werden.

Lieber Uli, wir danken Dir für dieses Gespräch!
 

Einen ausführlicher Bericht vom Workcamp in Slowenien finden Sie hier: Auf dem „Weg des Friedens“: mit schwerem Gepäck steil bergauf.
 

Der Volksbund ist ...

... ein gemeinnütziger Verein, der dringend auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen ist. Im Auftrag der Bundesregierung sucht und birgt er Kriegstote im Ausland, bestattet sie würdig, pflegt ihre Gräber in 46 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 30.000 junge Menschen. Mit Workcamps für Erwachsene baut er sein Angebot noch aus.

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