Die Brandbombe mit Schnee gelöscht
Bericht zum Bombenangriff am 5. März 1945
Frau Wolf lebte damals in der Hohenzollernstraße, heute Erich-Mühsam-Straße. Im Februar 2020 erinnert sie sich an die Bombennacht vor 75 Jahren…
Am Abend des 5. März 1945 heulten die Sirenen. Wir rannten in den Keller und hörten, dass das Dröhnen der Bombenflugzeuge immer näher kam und schließlich eine beängstigende Lautstärke erreichte. Dann krachte es auch schon und der Boden im Keller bebte. Wir warfen uns auf den Boden und versuchten, den Mund offen zu halten. So wollten wir vermeiden, dass die Lungen reißen. Dann krachte es unwahrscheinlich laut, die Türen zum Luftschutzkeller flog auf – wie von Geisterhand – und die Fensterscheiben zersprangen.
Nach geraumer Zeit wurde es ruhiger und wir konnten aufatmen.
Die ersten Hausbewohner wagten sich hinaus und erkundeten die Lage. Sie stellten fest, dass auf dem Dachboden des Hauses eine Brandbombe lag. Wir wollten sie löschen, doch aus dem Wasserhahn kam kein Wasser mehr. Die Leitungen waren zerstört. So suchten wir eine andere Möglichkeit, die Brandbombe zu löschen. Zum Glück lag etwas Schnee im Hof. Wir sammelten den Schnee mit den Händen, füllten ihn in Eimer und konnten so die Bombe unschädlich machen.
Am nächsten Morgen wollten meine Eltern – mein Vater war wegen einer TBC-Erkrankung nicht zum Kriegsdienst eingezogen – zu meiner Oma gehen. Als wir in Richtung Innenstadt kamen, bot sich uns ein schreckliches Bild. Überall lagen verbrannte Leichen, die durch die Hitze zusammengeschrumpft waren. Zeitzünder explodierten und Trümmerberge versperrten uns den Weg. In den Ruinen brannte und qualmte es. Wir mussten wieder umkehren.
Zuhause versuchten wir, die zersprungenen Fenster dicht zu machen und die Türen – so gut es ging – wieder einzuhängen, denn die Hauswände hatten Risse und waren verzogen. Wasser Strom und Gas gab es erst einmal nicht.
Ich werde diese Bombennach nie vergessen und war lange danach noch traumatisiert.
Historischer Hintergrund:
Von Februar bis April 1945 flogen britische und amerikanische Bomber zehn Luftangriffe auf Chemnitz. Damals war die Stadt mit über 300.000 Einwohnern eine der 20 größten Städte des damaligen Großdeutschen Reiches. Der schlimmste Angriff war der in der Nacht auf den 6. März. Insgesamt verloren mehr als 4.000 Menschen ihr Leben, 80 % der Innenstadt wurde zerstört. Am 11. April erklärte die alliierte Luftaufklärung Chemnitz zur toten Stadt.
Chemnitz erinnert durch Kundgebungen immer am 5. März an die furchtbaren Ereignisse.