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Erinnerung und Desinformation: Wenn Geschichte zur Waffe wird

Volksbund-Reihe „Erinnerungskulturen im Gespräch“ in Rumänischer Botschaft in Berlin fortgesetzt

Desinformation und Fake-News zählen zu den größten Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit. Zwei Experten erläuterten das Thema auf Einladung der Rumänischen Botschaft und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. als Fortsetzung der Reihe „Erinnerungskulturen im Gespräch“. Die Weichen dafür hatte die Rede des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis am Volkstrauertag im Bundestag 2024 gestellt. 
 

Prof. Dr. Frank Bösch vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam blickte aus erinnerungskultureller Sicht auf die Situation in Deutschland, der Historiker Prof. Dr. Rudolf Gräf aus Sibiu (deutsch: Hermannstadt) stellte die rumänische Perspektive vor.
 

Präsidentschaftswahl annulliert

Gerade Rumänien sieht sich akut Desinformation und externer Einflussnahme ausgesetzt und muss sich mit historischen Fake-News auseinandersetzen: Das Land sei im vergangenen Jahr nur knapp einer Katastrophe entkommen, machte Rudolf Gräf deutlich. Nach der Präsidentschaftswahl – wegen exzessiver Einflussnahme von außen später annulliert –  wäre fast ein rechtsextremer Außenseiter Präsident geworden. 

Politik finde dort unter anderen Bedingungen als in Deutschland statt, so Gräf. Offene Debatten über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust seien in Rumänien erst seit den 1990er Jahren möglich. Es sei Aufgabe einer neuen Historikergeneration, hier zu forschen und neue Fragestellungen zu erörtern. Er sei zuversichtlich, dass dies auch gelingen wird, so der Professor.
 

Strategien der Einflussnahme

„Wir haben heute so viel Geschichte wie nie: Gedenkstätten, Museen, Fernsehdokus“, erläutert Frank Bösch die deutsche Sicht. Aber auch hierzulande hätten Extremisten und andere Akteure momentan ein leichtes Spiel, ihre Narrative in die öffentliche Debatte einzubringen. Das Manipulieren von Social Media wie TikTok, aber auch nationalistische Opfererzählungen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges sind aus seiner Sicht Strategien der Desinformation.

Der damalige rumänische Präsident Klaus Iohannis hatte in seiner Gedenkrede zum Volkstrauertag 2024 im Deutschen Bundestag gesagt: „Leider verbreiten sich die Propaganda- und Desinformationsmechanismen heute vermehrt, weil sich diktatorische Regime auf das Prinzip stützen, dass eine Lüge, die oft genug erzählt wird, zur Wahrheit wird.“
 

Banger Blick nach West und Ost

Rudolf Gräf sah Russland klar als wichtigsten Akteur der Desinformation in Rumänien und im Nachbarland Moldau. Bedenklich aus seiner Sicht: dass auch die USA nicht mehr das Bollwerk der Demokratie seien, auf das man sich lange Zeit habe verlassen können. 
 

Aufgabe Europas und der Bildungsarbeit

Europa müsse in dieser Situation zusammenstehen, war der Tenor des Abends: Wenn wir unsere Demokratie erhalten wollen, sind wir auf uns selbst angewiesen. Aufgabe der Erinnerungskultur hierzulande ist für Frank Bösch auch der Verzicht auf die rein „deutsche Brille“, wenn es um die Vergangenheit geht: Krieg und Verfolgung seien in einer Migrationsgesellschaft für weite Teile der Bevölkerung aktuelle Themen. Hier könne auch die Bildungsarbeit anknüpfen.

Beide Wissenschaftler zeigten sich zuversichtlich, dass auch die Geschichtsschreibung Impulse für die Demokratie liefern kann: „Man muss die Wahrheit immer anstreben und sich dazu bekennen“, formuliert es Rudolf Gräf. Für ihn gehe es darum, „dass Kinder unterscheiden lernen, welche Informationen richtig oder falsch sind.“
 

Historiker in wichtiger Rolle

Für Frank Bösch spielen dabei besonders Historiker eine wichtige Rolle: Indem sie ihre Quellen darlegen, aus denen sie ihre Informationen ziehen, leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur objektiven Diskussion, so der Historiker. 

Mit seiner Biographiearbeit übernimmt der Volksbund eine wichtige Aufgabe mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Tätern und Opfern des Zweiten Weltkrieges. Das Projekt PEACE LINE schickt junge Menschen aus vielen Ländern Europas auf gemeinsam erinnerungskulturelle Reisen, damit sie gegenseitig ihre unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen und Erinnerungskultur immer wieder neu erarbeitet wird. 

Text: Dominik Tomenendal
Referatsleiter Erinnerungskultur und Netzwerkarbeit
Kontakt

Redner am Volkstrauertag in diesem Jahr, am 16. November, wird der italienische Staatspräsident Sergio Matarella sein.

Die letzte Diskussion der Reihe „Erinnerungskulturen im Gespräch“ hatte Ägypten in den Fokus gerückt: Erinnern an El Alamein: Starkes Statement für Volksbund-Arbeit

Der Volksbund ist ...

… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.

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