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Exhumierung in Bobruisk: Geschulter Blick auf die Funde

Auf Ausbettung folgen Gebeinaufnahme und Dokumentation beim Volksbund-Einsatz in Belarus

Der Blick ist geschult, Erfahrung unverzichtbar – ohne sie wäre die Arbeit, die Vladimir Ioseliani zur Zeit im belarussischen Bobruisk leistet, nicht zu machen. Er nimmt die Gebeine im Empfang, die die Umbetter auf dem früheren Wehrmachtsfriedhof exhumiert haben, untersucht sie und dokumentiert.

 

„Gebeinaufnahme“ heißt das in der Umbetter-Sprache und ist ein enorm wichtiger Schritt bei dem Versuch, möglichst viele der Geborgenen später noch zu identifizieren. Im besten Fall findet sich bei den sterblichen Überresten eine Erkennungsmarke, doch sie allein reicht nicht aus, um ein Schicksal zu klären.
 

Aktueller Stand

Nach zehn Wochen hatten die belorussischen Teams die Gebeine von 869 Toten gefunden, außerdem 275 Erkennungsmarken, von denen 236 lesbar waren. Bis zum Jahresende muss der Einsatz abgeschlossen sein. Der Volksbund hatte für dieses ungeplante Projekt zu Spenden aufgerufen (mehr lesen).

Vom Koppel bis zum Ehering

Vladimir Ioseliani leitet beim Volksbund den Umbettungsbereich, zu dem Belarus gehört. Er und sein Kollege Dima Dudko untersuchen ein Skelett nach dem anderen akribisch, verzeichnen neben vermutetem Alter und Größe auch Verletzungen und „Beifunde“. Dazu gehören Teile der Ausrüstung wie Uniformknöpfe, Metallkoppel, aber auch Fundstücke mit persönlichem Bezug wie Eheringe zum Beispiel.

Hinweis am Unterkiefer

Abnutzungsgrad an Oberschenkel und Hüftgelenk lassen auf das Alter schließen. Und wenn das „Lebensloch“ im Unterkiefer noch nicht geschlossen ist, war der Tote noch keine 25 Jahre alt.

Die Länge der Oberschenkelknochen gibt Hinweise auf die Körpergröße, die der Wehrmacht ebenso bekannt war wie häufig auch Verletzungen – frische wie verheilte. Ein alter Knochenbruch etwa kann ein wichtiger Hinweis bei der Identifizierung sein. Und natürlich die Todesursache – wenn sie denn dokumentiert wurde und Spuren am Skelett hinterlassen hat. 
 

Eintrag ins Umbettungsprotokoll

All das ist ein Puzzle, das sich im Umbettungsprotoll zusammensetzt. Das, was Vladimir Ioseliani in Bobruisk analysiert und einträgt, ist dabei genauso wichtig wie der erste Teil der Dokumentation. Er beginnt schon bei der Ausbettung.

Jeder Geborgene bekommt eine Umbettungsnummer und wird – im Fall dieser Grablage – in eine Skizze aus der Zeit eingetragen, als die Toten bestattet wurden. In Bobruisk sind das die Jahre 1941 bis 1944. Die Namen aus anderen historischen Dokumenten lassen sich den einzelnen Gräbern im besten Fall später beim Gräbernachweis in der Bundesgeschäftsstelle des Volksbundes zuordnen.

Unbekannter in der Mitte

Wird ein Toter exhumiert, der nicht mehr identifiziert werden kann, besteht dennoch eine Chance, sein Schicksal noch zu klären: zum Beispiel wenn er zwischen zwei Identifizierten begraben war. „Wenn dann Alter und Art der Verletzung mit den Angaben in den Dokumenten übereinstimmen, können die Kolleginnen und Kollegen beim Gräbernachweis später mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, wer das war, der in der Mitte lag“, erklärt Ioseliani.

Die Umbettungsprotokolle werden zum Gräbernachweis nach Niestetal bei Kassel geschickt. Dort gleicht das Team um Robert Zaka die Erkenntnisse der Exhumierung mit allen Informationen ab, die der Volksbund zu den einzelnen Toten gesammelt hat.

Enge Zusammenarbeit mit Bundesarchiv

Quellen können auch Informationen von Angehörigen sein, die wiederum etwas von zurückgekehrten Kameraden erfahren haben können. Beim Gräbernachweis werden auch die Erkennungsmarken ausgewertet. Ist ein Toter identifiziert, wird die Information mit dem Bundesarchiv amtlich abgestimmt.

Die Toten, die seit August in Bobruisk geborgen wurden, werden später auf der Kriegsgräberstätte Schtschatkowo eingebettet. Die Namen derer, die identifiziert werden können, werden dort auf Stelen eingraviert. 

Auf dieser Kriegsgräberstätte sind bis jetzt schon mehr als 36.000 deutsche Soldaten begraben. Einen Beitrag der Reihe #volksbundhistory zu den historischen Ereignissen in Belarus im Zweiten Weltkrieg finden Sie hier:  „Operation Bagration“: größere Verluste als in Stalingrad.
 
 

Der Volksbund ist ...

... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Fast 12.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 46 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen.

Die Gräbersuche Online umfasst inzwischen rund 5,4 Millionen Datensätze. Wer noch einen Angehörigen vermisst, kann dort recherchieren und gegebenenfalls einen Suchantrag stellen. Der Volksbund ist dringend auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen.
 

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