Einbettung von mehr als 100 Kriegstoten auf dem Waldfriedhof Halbe in Brandenburg: Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg bei seiner Predigt an die „Erinnerungsgemeinde“ (© Diane Tempel-Bornett)
Halbe: Frieden fordern und versöhnliche Botschaften senden
80 Jahre nach Kriegsende finden mehr als 100 Tote auf dem Waldfriedhof ein würdiges Grab
Auf dem kleinen Bahnhof von Halbe geht es sonst eher ruhig zu. Heute Vormittag steigen ungewöhnlich viele Menschen aus. Für eine Wandergruppe sind die meisten zu festlich gekleidet. Eine Schülergruppe sammelt sich vor dem Gebäude … Vor genau 80 Jahren ging die „Kesselschlacht von Halbe” zu Ende. Diane Tempel-Bornett, Pressesprecherin beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., schildert den Jahrestag.
Tatsächlich schlagen fast alle den Weg zur Kriegsgräberstätte ein, auch die Kinder. Warum? Und was haben sie dort vor? Das erzählt der Schulleiter: Die „Reporterkids“ der Grundschule Groß-Köris aus dem Schenkenland sind gerade zum zweiten Mal für die beste Schülerzeitung ausgezeichnet worden. Heute wollen sie über die die Veranstaltung in Halbe berichten.
Rund 500 Menschen sind an diesem sonnigen Vormittag auf den Waldfriedhof Halbe gekommen. Anlass ist die Einbettung von mehr als 100 Toten – Menschen, die vor 80 Jahren in der Gegend starben. Im Laufe des vergangenen Jahres erst konnte der Volksbund ihre Gebeine bergen.
Sinnloses Sterben so kurz vor Kriegsende
Am 30. April 1945 – nur acht Tage vor der Kapitulation in Berlin – endete die so grausame wie sinnlose Schlacht um Halbe. Schätzungsweise 40.000 Menschen verloren dabei ihr Leben, 30.000 Soldaten und etwa 10.000 Zivilisten. Viele von ihnen waren auf der Flucht vor der Roten Armee, das Waldgebiet zwischen Halbe und Märkisch Buchholz wurde für sie zur Falle.
Noch immer birgt der Volksbund im Gebiet rund um Halbe die sterblichen Überreste von Kriegstoten, Soldaten wie Zivilisten. Einmal jährlich werden sie bei einer Gedenkstunde auf der Kriegsgräberstätte eingebettet. So erhalten sie ein Grab und ein wenig Würde zurück.
Was Soldatinnen und Soldaten wichtig ist
Militärbischof Dr. Bernhard Felmberg verweist darauf, dass anonyme Beerdigungen immer häufiger werden. Darum sei es wichtig, dass Menschen dafür eintreten, Toten ihre Namen zurückzugeben und sie würdig zu bestatten.
Der Militärbischof erzählt von Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten: Der Gedanke an den Tod sei präsent – und deshalb auch der Gedanke an ein Grab. Viele, so sagt er, wünschten sich ein würdiges Grab.
Provisorisch bestattet
Nach dem Grußwort von Oberst Nikolas Scholtka, Kommandeur des Landeskommando Brandenburg, schildet Detlef Fritzsch, stellvertretender Präsident des Volksbundes, die Situation 1945: Die zahllosen Toten mussten in den warmen Frühlingstagen rasch beerdigt werden. Sie wurden in provisorischen Gräbern bestattet, eine Erfassung der Toten war kaum möglich.
Kriegsgräberfürsorge war in der Sowjetischen Besatzungszone und in der späteren DDR Sache der Kirchen. Der Volksbund war verboten. Hier engagierte sich Pfarrer Ernst Teichmann aus Schierke im Harz. Ihm, so Fritzsch, sei es zu verdanken, dass die Regierung der DDR 1951 den Bau des Waldfriedhofs genehmigte.
Weitere Tote werden folgen

24.000 Tote sind in Halbe bestattet – nicht nur deutsche Soldaten, auch Zivilisten, sowjetische Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen und ihre kleinen Kinder, Menschen, die in der Hinrichtungsstätte Berlin-Tegel und im Internierungslager Ketschendorf ermordet wurden. „Die, die wir heute hier bestatten, werden nicht die letzten gewesen sein“, so Fritzsch.
Der brandenburgische Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke lobt die Schicksalsklärung des Volksbundes: „Die Gefallenen werden so wieder zu Vätern, Brüdern, Ehemännern, Söhnen – sie werden wieder zu Menschen mit Hoffnungen und Träumen, die der irre Krieg zu früh zerstört hat. Sie finden eine würdige Ruhestätte auf dem Friedhof.“
„Angriffskrieg muss enden”
Woidke wendet sich gegen Versuche von Rechtsextremisten, das Gedenken an die Opfer der Kriege zu instrumentalisieren. Er formuliert eine Forderung an Russland und gleichzeitig eine Friedensbotschaft – „der Krieg Russlands gegen die Ukraine hinterlässt seine Spuren.”
Anders als bei früheren Einbettungen seien heute keine russischen Vertreter hier mit dabei, so Woidke weiter. Fast acht Jahrzehnte nach Kriegsende einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen ein Nachbarland vom Zaun zu brechen, dürfe nicht folgenlos für die Regierung bleiben, die dafür die Verantwortung trägt.
Weiße Rosen für sowjetische Gräber

„Das ist umso bitterer und bedrückender, als dass es auch Tausende ukrainischer Soldaten waren, die gemeinsam mit russischen Soldaten kämpften”, verweist der Ministerpräsident auf die multinationale sowjetische Armee. Russland müsse endlich den Angriffskrieg beenden und wieder in die Reihe der zivilisierten Staaten zurückkehren, die das Völkerrecht achten.
„Dennoch gedenken wir bei der heutigen Veranstaltung auch der sowjetischen Toten auf Seiten der Roten Armee, und wir sind dankbar für ihre historische Rolle bei der Befreiung Deutschlands vom Nazi-Joch”, betont Diemar Woidke. „Wir würdigen das, indem wir gleich Rosen auf Gräber sowjetischer Kriegstoter legen. Das ist eine Friedensbotschaft, die heute vom Waldfriedhof in Halbe mit seinen Tausenden Toten ausgeht.“
Totengedenken und Totensignal
Nach der Einbettung und der Kranzniederlegung spielt das Landespolizeiorchester Brandenburg unter Leitung von Christian Köhler das Lied „Der gute Kamerad.“ Die brandenburgische Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke spricht das Totengedenken. Abschließend dankt Oliver Breithaupt, Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Brandenburg, allen Beteiligten.
Viele Gäste folgen der Aufforderung des brandenburgischen Ministerpräsidenten und legen weiße Rosen auf die Gräber der sowjetischen Toten. Meine Rose lege ich auf das Grab von Ewgenie Gisunow. Sie wurde keine zwei Jahre alt.
Diane Tempel-Bornett (Pressesprecherin)
Kontakt
Der Volksbund ist ...
... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
