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Kampf gegen „Drachen“: die Panzerschlacht bei Cambrai

20. November 1917: #volksbundhistory erinnert an den ersten operative Angriff der Geschichte mit „Tanks“

Die Schlacht bei Cambrai – in der zeitgenössischen Literatur auch als „Tankschlacht bei Cambrai“ oder „Doppelschlacht bei Cambrai“ bezeichnet  ̶  gehört zu den wichtigen militärischen Ereignissen des Ersten Weltkrieges. 
 

Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist die erste große Offensive mit Panzern, die damals unter dem Tarnnamen „Tank“ zum Einsatz kamen. Der Tank war ein völlig neuartiges Waffensystem im Ersten Weltkrieg. Neue Waffen wie Maschinengewehre, Flammenwerfer und Minenwerfer begünstigten den Verteidiger und führten Ende 1914 zum Stellungskrieg an der Westfront. Die angreifende Infanterie erzielte Geländegewinne von wenigen hundert Metern zumeist nur mit unverhältnismäßig hohen Verlusten.
 

Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unser Autor heute: Karsten Richter. Er war 17 Jahre lang Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

„Schockwaffe“ aus Großbritannien

Ab 1915 setzten Großbritannien und etwas später Frankreich auf die Einführung von Tanks, um den Bewegungskrieg wieder zu ermöglichen. Der Tank bot Schutz vor der Waffenwirkung der Infanterie und konnte das durch die Artillerie zerstörte Gelände und den Stacheldraht der Stellungen leichter überwinden.

Der erste Einsatz erfolgte bereits im September 1916 bei Flers in Nordfrankreich. Die wenigen Tanks, die zum Einsatz kamen, lösten jedoch bei der deutschen Infanterie Panik aus. Die deutsche Führung betrachtete den Tank daher zunächst als reine Schockwaffe ohne größeren militärischen Nutzen.
 

Vier Kilometer pro Stunde

Die neueste Version der britischen Tanks, der Mark IV, wurde ab 1917 eingesetzt. Der Kampfwagen war in der Lage, Schützengräben zu überwinden und Infanteriebeschuss Stand zu halten. Vier Mann lenkten das Gefährt und vier Mann bedienten die Waffen. Der 105 PS starke Motor brachte das 27 Tonnen schwere Fahrzeug auf eine Geschwindigkeit von vier Stundenkilometern im Gelände, wobei der Fahrbereich 56 Kilometer betrug. Die Bewaffnung bestand aus Maschinengewehren oder Kanonen. Der Masseneinsatz an Tanks sollte den Durchbruch bei Cambrai im Nordosten Frankreichs erzwingen.

In der Berichterstattung der damaligen Presse wurde der Tank mit dem Drachen der Siegfried-Sage verglichen, der durch den deutschen „Helden-Soldaten“ zu besiegen sei. Eher pragmatisch stellte sich bald das deutsche Militär auf diese neue Bedrohung ein, indem man neuartige panzerbrechende Munition einführte und die Geschützbesatzungen der Feldkanonen darin ausbildete, bewegliche Ziele im direkten Richten zu bekämpfen. 
 

Zweifel an der Wunderwaffe

Im weiteren Verlauf des Kriegsjahres 1917 blieben aus diesen Gründen größere Erfolge mit Tanks an der Westfront aus. In der britischen Führung begannen Zweifel zu wachsen, ob der Tank überhaupt das erfolgversprechende neue Waffensystem sei, um die Kriegswende für die Entente herbeizuführen.

Das Kriegsjahr 1917 verlief für die Entente nicht nur enttäuschend. Man musste für das nächste Jahr mit einem erstarkenden Gegner an der Westfront rechnen. An der Ostfront hatte Russland erhebliche Niederlagen hinnehmen müssen. Es war absehbar, dass Russland aus dem Krieg ausscheiden würde. 
 

Geschlossener Großeinsatz

Für die deutsche Führung eröffnete sich damit die Perspektive, einen großen Teil ihrer Ostfront-Divisionen an die Westfront verlegen zu können. Eine zahlenmäßige Überlegenheit deutscher Divisionen wäre bei dieser Lageentwicklung 1918 gegeben. An der Alpenfront hatte nur noch der massive Einsatz britischer und französischer Divisionen den Zusammenbruch Italiens verhindert. 

Die geschickte Führung deutscher Truppen an der Westfront trug dazu bei, dass trotz erheblicher numerischer Überlegenheit der Entente keine größeren Fronteinbrüche gelangen. In dieser Situation forderte der Kommandeur des britischen Tankkorps, General Hugh Elles, einen geschlossenen Großeinsatz aller britischen Tankverbände. 
 

Cambrai wichtige Etappenstadt

Der Plan sah einen überraschenden Schlag an einem ruhigen – aber panzergünstigen – Frontabschnitt vor. Während sich die Fachleute, wie der Stabschef des Tankkorps Oberstleutnant John Fuller, für einen örtlich begrenzten Angriff bei Cambrai einsetzten, plädierte der britische Oberbefehlshaber Feldmarschall Douglas Haig für eine strategische Offensive. 

Das nordfranzösische Städtchen Cambrai war nach dem Einmarsch der deutschen Truppen zu einer wichtigen Etappenstadt der deutschen Streitkräfte ausgebaut worden. Als Eisenbahnknotenpunkt kam der Stadt außerdem eine erhebliche Bedeutung in der Logistikorganisation der Westfront zu.
 

„Sanatorium der Westfront“

Der Cambrai-Abschnitt war seit der Operation „Alberich“, dem Rückzug deutscher Truppen zur Verkürzung der Front und zur Gewinnung von Divisionen für eine operative Reserve, als Teil der „Siegfried-Stellung“ ausgebaut worden. Bedingt durch die britischen Offensiven in Flandern und an anderen Abschnitten der Westfront gab es seit Monaten keine größere Gefechtstätigkeit in diesem Sektor. 

Die deutschen Soldaten sprachen daher scherzhaft vom „Sanatorium der Westfront“ oder der „Sommerfrische“ bei Cambrai. Im Bereich der geplanten britischen Offensive waren in der deutschen Frontlinie die 20. Landwehr-Division, eine Division mit Soldaten überwiegend älterer Jahrgänge, die 54. Division und die 9. Reserve-Division eingesetzt – beides Formationen, die während des Krieges aufgestellt wurden.
 

Überraschender Angriff

Der englische Angriffsbefehl für den 20. November 1917 beruhte auf einer völligen Überraschung der deutschen Truppen südwestlich von Cambrai. Die britische Führung hoffte nicht nur, das deutsche Stellungssystem zu durchbrechen, sondern vor allem dem Verlauf des Krieges eine entscheidende Wendung geben zu können. Obwohl eingebrachte Gefangene von einem Großangriff berichteten, hielt man auf deutscher Seite keine besonderen Maßnahmen für erforderlich, da die sonst üblichen Angriffsvorbereitungen an der britischen Front nicht stattfanden.

Am Morgen des 20. Novembers um 7.15 Uhr begann der Angriff mit insgesamt 478 Tanks. Zur Verschleierung verschoss die britische Artillerie Nebelgranaten. Wie geplant, gelang die Überraschung auf ganzer Front. Es zeigte sich bereits in den ersten Stunden, dass die deutsche Verteidigung dem massierten Panzereinsatz nicht gewachsen war. Der Nebel verhinderte den wirksamen Einsatz der deutschen Artillerie sowie Aufklärung durch die Fliegerkräfte. 

Deutsche Verteidigung durchbrochen

Der Zusammenhalt der deutschen Verteidigung ging bald verloren und selbst schnell vorgeführte Eingreifbataillone brachten keine Entlastungen. Lediglich bei Flesquières gelang es, den Angriffsschwung der schottischen 51. Division zu brechen. Im Direktbeschuss der deutschen Feldartillerie wurden 14 Tanks vernichtet. 

Um die Lage zu stabilisieren, wurden alle verfügbare Reserven mit Lastkraftwagen an die Brennpunkte verlegt. Bei Marcoing gelang es den britischen Panzern allerdings, den Schelde-Kanal zu überschreiten. Gegen Mittag zeichnete sich ein großer Erfolg ab. Das Südwestufer des Kanals war von Crevecoeur bis La Folie mit einem Großteil der Brücken in britischer Hand; auf zwölf Kilometern Frontbreite war die deutsche Verteidigung durchbrochen.

Kirchenglocken läuten

Obwohl zur Ausnutzung des Erfolges immerhin ein Kavallerie-Korps und die 29. Division bereitgehalten wurden, zögerte die britische Führung, diese Verbände unverzüglich einzusetzen. Erst am späten Nachmittag erschien die Kavallerie bei Cantaing, die durch eine improvisierte Verteidigung abgewehrt wurde. 

Am Abend des 20. November war der erste operative Panzerangriff der Geschichte beendet. Die deutsche Front war auf einer Breite von 16 Kilometern und in einer Tiefe von 9 Kilometern durchstoßen, 8.000 Gefangene waren eingebracht und 100 Geschütze erbeutet worden. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn läuteten in Großbritannien die Kirchenglocken. 
 

Sieg ohne durchschlagenden Erfolg

Die britischen Verluste betrugen 4.000 Mann und 49 Tanks. Nach den verlustreichen britischen Großangriffen in den Sommern 1916 und 1917 war es zum erst Mal gelungen, einen spektakulären Sieg gegen die beweglich geführte deutsche Verteidigung zu erzielen. Dennoch blieb der durchschlagende Erfolg versagt, denn der abschließende Durchbruch zur Entwicklung einer raumgreifenden Operation wurde bei Cambrai nicht erzwungen. 

In den folgenden Tagen gelang es zwar, weitere Ortschaften einzunehmen, aber der deutschen Verteidigung floss ständig neue Verstärkung zu. Am 27. November wurden die britischen Tanks sukzessive aus der Front gezogen. Am gleichen Tage befahl General Ludendorff Vorbereitungen für einen Gegenangriff.
 

Deutscher Gegenangriff

Aufgrund der Erfahrungen des Stellungskrieges im Westen hatte die deutsche Führung ihre taktischen Vorschriften für das Feldheer grundlegend überarbeitet. Beim deutschen Gegenangriff vom 30. November 1917 wurden die neuen taktischen Grundsätze der Infanterie erstmals im großen Maßstab angewendet. 

Die zumeist frischen 13 Infanteriedivisionen kamen aus der Reserve der Heeresgruppe „Kronprinz Rupprecht“ sowie der Obersten Heeresleitung. Der Befehlshaber der 2. Armee, v.d. Marwitz, gliederte die Verbände in drei verstärkte Armeekorps. Im Norden erhielt die „Gruppe Arras“ den Auftrag, mit vier Divisionen in der Front und zwei Divisionen in der zweiten Linie nach Süden vorzugehen. Im Osten kamen die Armeegruppen „Caudry“ und „Busigny“ mit jeweils drei Divisionen in der ersten Linie und einer Division in Reserve Richtung Westen zum Einsatz. 

 

Schnell und gut vorbereitet

Wie bei den erfolgreichen deutschen Angriffsschlachten in Russland und an der Alpenfront bestand die Hauptaufgabe der Artillerie darin, die feindlichen Batterien mit Gas- und Sprenggranaten zu bekämpfen. Obwohl die deutsche Infanterie keine Gelegenheit hatte, den Angriff auf das britische Stellungssystem zu üben, gelang am 30. November 1917 der Durchbruch auf ganzer Linie. 

Vor allem die kurze artilleristische Vorbereitung sowie die hohe Angriffsgeschwindigkeit bei der Überwindung des gegnerischen Stellungssystems überraschten die britischen Verteidiger. Wie geplant durchstießen die Sturmformationen eng angelehnt an die Feuerwalze der Artillerie die feindlichen Stellungen. Am ersten Tag gelang es den Gruppen „Caudry“ und „Busigny“, auf einer Breite von etwa 16 Kilometern 8 Kilometer weit vorzustoßen. 
 

9.000 britische Kriegsgefangene

Die Gruppe „Arras“ hatte deutlich mehr Mühe, ihren Angriff schwungvoll vorzutragen. Obwohl die britische Verteidigung Kavallerie und Tanks zur Verstärkung heranholte, wurde wenige Tage später auch der schwerumkämpfte Bourlon-Abschnitt wieder zurückerobert. Die Gruppe „Arras“ hatte ihren Angriff bis zum 6. Dezember in einer Breite von 10 Kilometern und 4 Kilometern Tiefe vortragen können. 

Die im Osten eingesetzten Gruppen „Caudry“ und „Busigny“ konnten sogar nicht nur verlorenes Terrain zurückerobern, sondern im Süden weitere Abschnitte dazugewinnen. Doch auch der deutschen Seite gelang kein vollständiger Sieg, denn der geplante Zangenangriff von Norden und Osten führte nicht zu der erhofften Einschließung der britischen Kräfte. Nach Abschluss der Angriffsschlacht gingen 9.000 britische Soldaten in deutsche Gefangenschaft; 148 Geschütze, 716 Maschinengewehre und 71 Tanks wurden erbeutet.

Bei Cambrai war die Ausgangslage dieser Front wieder hergestellt, doch hatte das neue Waffensystem seine Feldverwendbarkeit bewiesen und sein Potential gezeigt. Im Kriegsjahr 1918 führte schließlich der Masseneinsatz der Tanks an der Westfront die Kriegswende zu Gunsten der Entente herbei.

 

Friedhof heute Weltkulturerbe 

Der deutsche Soldatenfriedhof Cambrai wurde im März 1917 angelegt. In den Lazaretten der Stadt wurden verwundete Deutsche, Franzosen und Engländer gleichermaßen versorgt. Prof. Dr. Wilhelm Kreis – Architekt und 1919 Mitbegründer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. – entwarf 1917 das zentrale Denkmal des Friedhofes, das bis heute Mittelpunkt der gesamten Anlage ist. Es ruhen hier 10.685 Deutsche, sechs Rumänen, 192 Russen und 502 Angehörige des Commonwealth. Der Friedhof gehört zum Unesco Weltkulturerbe.

Text: Karsten Richter M.A.

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Lesetipps

Münkler, Herfried, Der Große Krieg: Die Welt 1914 bis 1918. Rowohlt, Berlin 2013.

Pöhlmann, Markus, Harald Potempa, Thomas Vogel, Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches Jahrhundert, München 2014.

Richter, Karsten, “… und am Ende steht ein Kreuz”. Das mecklenburgische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 90 und die Schlacht bei Cambrai 1917, in: Der Erste Weltkrieg und Mecklenburg, Schwerin 2019.

Wagner, Anton (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg. Ein Blick zurück, Wien 1993.

John Taylor, Deborah and the War of Tanks, South Yorkshire 2016. Audio: RB Media

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