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Kein Wunder im Westen: 80 Jahre Ardennen-Offensive

#volksbundhistory erinnert an die Kämpfe im letzten Kriegswinter in Belgien und Luxemburg

Ein halbes Jahr vor Ende des Zweiten Weltkrieges kam es an der Westfront zu einer verheerenden Landschlacht. Von Mitte Dezember 1944 bis Ende Januar 1945 waren Deutsche, Briten und US-Amerikaner in erbitterte Kämpfe verwickelt. Sie kosteten auf alliierter Seite 19.000 Mann das Leben. Auf deutscher Seite zählt man mehr als 11.000 Gefallene.
 

Unter dem Tarnnamen „Wacht am Rhein“ griffen in den Morgenstunden des 16. Dezember 1944 deutsche Truppen auf einem 130 Kilometer breiten Abschnitt zwischen Aachen und Trier mit drei Armeen (rund 200.000 Mann) die amerikanischen und britischen Kräfte der 12. US und der britischen 21. Army Group (rund 80.000 Mann) an. Das Ziel: Briten und Amerikaner voneinander zu trennen, die Maas zu überschreiten und den für den alliierten Nachschub wichtigen Hafen Antwerpen einzunehmen. 
 

Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unser Autor heute: Dr. Dirk Reitz. Der Historiker ist Geschäftsführer des Volksbund-Landesverbandes Sachsen.

Aufmarsch vollkommen getarnt

Trotz anfänglicher Überlegenheit an Panzern und Artillerie, der vollkommenen Tarnung des Aufmarschs und der damit verbundenen Überraschung blieb die deutsche Offensive nach zehn Tagen stecken  – ohne die Zwischenziele erreicht zu haben, ganz zu schweigen von der Vorgabe, Antwerpen binnen sieben Tagen einzunehmen. Auch war die klassische Überlegenheit im Verhältnis 3:1 für einen erfolgreichen Angriff nicht gegeben. 
 

Unrealistische Einschätzung

Hitler bewertete Stärken und Schwächen der eingesetzten Kräfte unrealistisch. Vor allem legte er für die Operation Annahmen zugrunde, die nicht mehr die Wirklichkeit abbildeten. 

Dies galt insbesondere für die Luftüberlegenheit. Sie war weder punktuell noch flächendeckend erreichbar. Die Offensive stand unter der Prämisse einer länger anhaltenden Schlechtwetterperiode: Man ging davon aus, dass die anglo-amerikanische Luftwaffe wetterbedingt nicht in die Kämpfe am Boden eingreifen könnte. 
 

Risiko und Ressourcenknappheit

Zudem berücksichtigte man nicht die limitierte Beweglichkeit der eigenen Truppe: Es gab zu wenig Treibstoff. Mit „Beute-Treibstoff“ sollte der Mangel ausgeglichen werden. 

Eine langandauernde Schlechtwetterperiode zur Grundlage der Operationsplanung zu machen, war ein großes Risiko. Die Überschätzung der Durchsetzbarkeit des eigenen Willens trübte den Blick für die logistischen Realitäten. Umso erstaunlicher sind die Geländegewinne der ersten Tage, die vor allem dem Überraschungsmoment des Angriffs zuzuschreiben sind. 
 

Unwegsames Gelände

Das starkbewaldete Mittelgebirge der Ardennen erstreckt sich auf einer Fläche von etwa 80 mal 80 Kilometer im Westen von Luxemburg bis zur Maas. Die Täler sind teils schluchtartig eng und von Gewässern durchzogen, nur wenige Straßen sind befestigt. Für einen Angriff mit gepanzerten Truppen waren die Ardennen denkbar ungeeignet.

Die anfängliche deutsche Panzerüberlegenheit konnte nicht zum Tragen kommen, da die Panzereinheiten an die wenigen Straßen gebunden waren und das Gelände zur Entfaltung nicht nutzen konnten. 
 

Ausgebrannt und abgekämpft

Der Stoß der deutschen Armeen aus den Ardennen im Rahmen des Frankreichfeldzuges 1940 hatte unter völlig anderen Voraussetzungen stattgefunden. Sowohl beim deutschen Angriff im Dezember 1944 als auch später beim alliierten Gegenangriff im Januar 1945 genügten wenige panzerbrechende Waffen und Infanterie in Zugstärke, um Straßen hinhaltend zu sperren. Außerdem waren die deutschen Verbände im fünften Kriegsjahr ausgebrannt und abgekämpft. 

Infolge der Räumung Frankreichs durch deutsche Truppen im August 1944 hatte sich die Wehrmacht entlang der Reichsgrenze und des Westwalls zur Verteidigung eingerichtet. Die Verluste an Waffen und Ausrüstung konnten zum Teil wieder ausgeglichen werden und bereits zu dieser Zeit – Zusammenbruch Ostfront seit Juni 1944, Heeresgruppe Mitte/Süd – gab Hitler erste Weisungen, um im Westen erneut offensiv vorzugehen. 
 

Hitlers Plan im Westen

Was ihn dabei bewegte, bleibt Spekulation. Jedenfalls setze er sich im Herbst gegen Bedenken des Oberbefehlshabers West, Feldmarschall Gerd von Rundstedt (1875-1953), mit seiner Absicht einer großrahmigen West-Offensive durch. 
 

Geheime Vorbereitungen in der Eifel

Bei allergrößter Geheimhaltung und Tarnung bezogen die 6. SS-Panzerarmee und die 5. und 7. Armee Bereitstellungsräume zwischen Aachen und Trier mit Schwerpunkt in der Eifel. Erstaunlich bleibt, dass der Aufmarsch der alliierten Luftaufklärung entging und die Truppen im Angriffsstreifen keinerlei Alarmpläne oder Auffangstellungen für den Fall eines deutschen Angriffs vorbereitet hatten.

Weder erreichten die Deutschen die Maas, noch überquerten sie den Fluss. Die deutschen Angriffsspitzen stockten ostwärts Dinant, nachdem sie etwa 120 Kilometer in westlicher Richtung vorgestoßen waren. Dabei blieben starke amerikanische Kräfte der 101. US-Luftlandedivision im Rücken der deutschen Kräfte zurück, die den Verkehrsknotenpunkt Bastogne hielten und Anfang Januar entsetzt werden konnten.
 

Verteidigung und Gegenangriff

Insgesamt lief sich die deutsche Offensive trotz gründlicher Vorbereitung und Tarnung rasch fest. Die Treibstoffvorräte waren erschöpft und der zunächst überraschte Gegner formierte sich zu Verteidigung und Gegenangriff. 

Mit einsetzendem Frost und klarer Sicht machte sich die alliierte Beherrschung des Luftraums ab Jahresende deutlich bemerkbar, die jedwede Truppenbewegung bei Tag unterband – die Ardennen-Offensive war gescheitert. Im Laufe des Januars drängten britische und US-Kräfte die Deutschen in zähen und verlustreichen Kämpfen in einer Linie Monschau /Echternach auf die Reichsgrenze und in die ursprünglichen Bereitstellungsräume zurück.
 

„Blutiger Epilog“

Die Frage von Sieg und Niederlage oder nach dem Kulminationspunkt des Zweiten Weltkriegs in Europa war seit Stalingrad, spätestens aber mit der Landung britisch-amerikanischer Truppen in der Normandie im Juni 1944 entschieden. Damit gehört die Ardennen-Offensive im Dezember 1944 in das Kapitel „blutiger Epilog” des Krieges. 

Lohnt es sich, sich mit dieser letzten großen Angriffsoperation der Deutschen Wehrmacht zu beschäftigen? Immerhin zeigt die Ardennen-Offensive, zu welcher Kraftanstrengung die Wehrmacht in der Endphase des Krieges letztmalig imstande war. Sie beweist, wie sich Adolf Hitler über alle objektiven Kriterien hinwegsetzte und in reinem Wunschdenken phantastisch-unrealistische Ziele verfolgte, denen sich die militärische Elite nicht verweigerte – wider bessere Einsicht. 
 

Fanatischer Durchhaltewille 

Die Offensive offenbart, wie seit dem Personalwechsel nach dem 20. Juli 1944 eine Kohorte militärischer Führer das Feld beherrschte, deren in hitlerischem Sinne „fanatischer” Durchhaltewille während der letzten elf Monate des Krieges horrende personelle Verluste forderte. 

Hierfür steht die letzte Generation der Feldmarschälle mit den Namen Walter Model im Westen und Ferdinand Schörner im Osten – hochprofessionelle „Nur-Soldaten”, denen die Einsicht des Generalobersten Ludwig Beck fehlte, dass „ein Soldat in höchster Stellung nicht nur in dem begrenzten Rahmen seiner militärischen Aufträge“ handeln dürfe.
 

„Battle of the Bulge“

Exemplarisch zeigt die Ardennen-Offensive aber, dass ein objektiv geschlagener Gegner nicht unterschätzt werden sollte und noch zu unerwarteten Leistungen fähig ist. Der Schrecken, den diese letzte deutsche Offensive bei Briten und Amerikanern auslöste, mag für die Prominenz sorgen, die „the battle of the bulge“ (so der englische Name, „bulge“ für „Beule“ oder Frontvorsprung) in der amerikanischen Literatur genießt. Hinzu kommt das populäre Heldenepos der Verteidigung der Ortschaft Bastogne durch amerikanische Fallschirmjäger unter General „NUTS“ McAuliffe (1898-1975). 

Operativ konnten die deutschen Geländegewinne binnen eines Monats rückgängig gemacht werden. Inwieweit die Ardennen-Offensive die politische Konstellation des Kriegsendes beeinflusste, bleibt spekulativ. Jedoch darf vermutet werden, dass der Einsatz der letzten nennenswerten personellen und materiellen operativen Reserven der Wehrmacht den Erfolg der Weichsel-Oder-Operation der Roten Armee ab dem 12. Januar 1945 nicht vereitelt hätte. 
 

Verzögerter Vorstoß nach Osten

Gewiss verzögerte die Ardennen-Offensive den westalliierten Vorstoß auf Reichsgebiet ––der mit der Bildung von Brückenköpfen auf dem ostwärtigen Rheinufer für Januar 1945 geplant war – um vier bis sechs Wochen. Die Operationen östlich des Flusses begannen dennoch planmäßig ab Anfang März. 

Zudem dürfen Auswirkungen auf die Konferenz der späteren Sieger im russischen Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945 angenommen werden, denn Churchill und Roosevelt standen durch die anfänglichen Misserfolge in den Ardennen Stalin düpiert gegenüber. Dessen Truppen nahmen inzwischen die Ausgangstellungen an der Oder für den Angriff auf die Reichshauptstadt Berlin ein. 


Gräber als Zeugen

Von den Verlusten beider Seiten zeugen zahlreiche Friedhöfe in Luxemburg und westlich des Rheins, darunter die deutschen Kriegsgräberstätten Recogne-Bastogne und Sandweiler sowie der amerikanische Friedhof in Henry Chapelle. Auch auf der Kriegsgräberstätte Hürtgenwald-Vossenack in Nordrhein-Westfalen ruhen Soldaten der Ardennen-Offensive. Immer wieder Anlass für Diskussionen bietet das Grab von Feldmarschall Walter Model, der hier nach seinem Freitod im April 1945 bestattet wurde. 

Text: Dr. Dirk Reitz
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Lesetipps

Bröckermann, Heiner: Die Ardennen-Offensive. ZMSBw, Die aktuelle Karte [ZMSBw 04368-06, Die Ardennen-Offensive vom 16. bis 24. 12.1944], 2023.

Eisenhower, John S. D.: The Bitter Woods: The Battle of the Bulge. New York, 1969.

Heeresamt (Hg.): Ausbildungsmappe Militärgeschichtliche Geländebesprechung Ardennenoffensive. Köln 1993.

Keegan, John: Die Ardennenschlacht 1944: Hitlers letzte Offensive. München, 1985.

Kulpe, Waldemar/Reitz, Dirk: Militärgeschichtliche Geländebesprechung Ardennen-Offensive für WBK IV / 5. PzDiv. Mainz 2001. 

Seidler, Franz W.: Schlachten des Zweiten Weltkriegs: Die Ardennen-Offensive. Augsburg, 1995.

Vogel, Detlef: Deutsche und Alliierte Kriegführung im Westen. In: Horst Boog, Gerhard Krebs und Detlef Vogel, Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943-1944/45, Stuttgart 2001 [Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, 7], S. 619-639.

ZMSBw (Hg.): Militärgeschichte: Die Ardennen-Offensive: Hintergründe und Verlauf. Potsdam, Ausgabe 3/2014.
 

#volksbundhistory

Ob der Beginn einer Schlacht, ein Bombenangriff, ein Schiffsuntergang, ein Friedensschluss – mit dem Format #volksbundhistory möchte der Volksbund die Erinnerung an historische Ereignisse anschaulich vermitteln und dabei fachliche Expertise nutzen. Der Bezug zu Kriegsgräberstätten und zur Volksbund-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Beiträge werden sowohl von Historikern aus den eigenen Reihen als auch von Gastautoren stammen. Neben Jahres- und Gedenktagen sollen auch historische Persönlichkeiten und Kriegsbiographien vorgestellt werden. Darüber hinaus können Briefe, Dokumente oder Gegenstände aus dem Archiv ebenfalls Thema sein – jeweils eingebettet in den historischen Kontext.

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