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Mit Spachtel und Spaten: Freiwilligeneinsatz in der Slowakei

Ehrenamtliche pflegen Friedhof des Zweiten Weltkrieges

Aus ganz Deutschland kamen die Freiwilligen, die sich im September auf den Weg in das kleine Dorf Hunkovce machten. Auf der örtlichen Kriegsgräberstätte übernahmen sie Garten-, Bau- und Renovierungsarbeiten. Gemeinsam mit Einheimischen gedachten sie der dort bestatteten Kriegstoten. 

Von „Böhmischen Dörfern“ spricht man, wenn man etwas nicht versteht oder keine Ahnung davon hat. Wenn „Hunkovce“ für jemanden ein „Böhmisches Dorf“ ist, dann ist das – geografisch gesehen – gar nicht so falsch. Denn dieses kleine Dorf mit 311 Einwohnern liegt – genau wie Böhmen – weit im Osten, nämlich im Nordosten der Slowakei. Von dort sind es nur neun Kilometer bis zur polnischen Grenze und knapp fünfzig Kilometer zur Ukraine. Von Hannover beträgt die Entfernung rund 1.000 Kilometer. Wegen dieser großen Strecke legte unser Bundeswehrbus einen Übernachtungsstopp in Frankfurt/Oder ein. Von dort ging es auf die 800 Kilometer lange Reise quer durch Polen bis nach Hunkovce.
 

Bunt gemischte Gruppe

Im Bus, den zwei Fahrer abwechselnd steuerten, saß eine bunte Gruppe aus allen Teilen Deutschlands: überwiegend Männer, aber auch acht Frauen – darunter zwei Ehepaare. Die jüngste Teilnehmerin zählte gerade 21 Lenze, der älteste Teilnehmer stolze 87 Jahre. Sogar ein Amerikaner war dabei. 

Die Palette der Berufe war breit gefächert. Das gemeinsames Ziel: die Kriegsgräberstätte Hunkovce wieder in einen würdigen Zustand zu versetzen. Übrigens: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer melden sich freiwillig zu solchen Einsätzen. Geld gibt es dafür nicht. Im Gegenteil: Alle zahlen einen Teilnehmerbeitrag. Das können bis zu 1.000 Euro sein, je nach Dauer, Einsatzort und Unterbringung. 

Geschichte der Kriegsgräberstätte

In Hunkovce ruhen 3.311 Soldaten des Zweiten Weltkrieges – überwiegend deutsche, aber auch einige ungarische. Sie sind im Herbst 1944 bei den Kämpfen um den nahegelegenen Dukla-Pass gefallen. Bei dieser „Ostkarpatischen Operation“ (8. September – 28. Oktober 1944) kämpften 378.000 sowjetische und tschechische Soldaten gegen rund 300.000 Deutsche und Ungarn. Die Verluste waren unvorstellbar: 60.000 gefallene Sowjets und 2.500 Tschechen auf der einen, 11.000 Deutsche und Ungarn auf der anderen Seite. 

Ein Teil von ihnen fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Hunkovce, den die Wehrmacht in den letzten Kriegsmonaten angelegt hatte. In den Jahren 1994/95 wurde er vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. neugestaltet, erweitert und als Sammelfriedhof konzipiert. Auch die heute immer noch in diesem Gebiet gefundenen Gebeine von Gefallenen werden dort beigesetzt.

Unter jedem der exakt ausgerichteten Granitgrabkreuze werden bis zu elf Gefallene bestattet.

Name, Dienstgrad sowie Geburts- und Todestag sind dort eingemeißelt. Sehr oft steht aber auch eine Formulierung wie „drei unbekannte deutsche Soldaten“. Erschreckend viele waren jünger als zwanzig Jahre. Einer fiel genau an seinem 18. Geburtstag. Das macht nachdenklich.

Handfeste Arbeitseinsätze

Unser Tagesablauf hielt sich an einen festen Plan – ausgearbeitet von einem pensionierten Oberstabsfeldwebel. An den Werktagen gab es ab 7 Uhr Frühstück im Hotel. Pünktlich um 8 Uhr fuhren wir zum Einsatzort. Dort versorgten sich die verschiedenen Arbeitsgruppen mit Werkzeug und Material. 

Dann ging es los: Bäume und Hecken schneiden, das große Holzkreuz spachteln und streichen, Neuverfugen der mit Natursteinen belegten Steinwege, Erneuerung und Streichen morscher Holzteile … 

Die größte Baustelle war das Eingangstor zum Friedhof. 

Dort mussten die alten Holzschindeln entfernt und durch neue ersetzt werden. 

Nichts für Leute mit zwei linken Händen! Höhenangst durfte man auf keinen Fall haben! 

Es war eine echte Herausforderung, in einer Höhe von bis zu acht Metern zahlreiche Holzlatten exakt zu befestigen und dann rund zweitausend Holzschindel darauf anzunageln.

Unser Arbeitseinsatz war dem slowakischen Fernsehen ein Besuch wert. Der gesendete Beitrag gab einen guten Überblick über unsere vielseitigen Tätigkeiten.

Kennenlernen der Umgebung

Bei einem Ausflug in die Kreisstadt Presov (81.000 Einwohner) sahen wir viele Gebäude, die an Zeiten erinnerten, als dieses Gebiet ein Teil von Österreich-Ungarn war. 

Der Besuch des heftig umkämpften Dukla-Passes am Sonntag war beeindruckend. Ein gut ausgestattetes Museum mit vielen Exponaten, Karten der Frontverläufe und Filmen machten die Schrecken dieser Schlachten deutlich. Dazu gehörten auch Panzer, Geschütze und anderes schweres Kriegsgerät, das – sorgfältig gepflegt – in größerer Zahl an verschiedenen Stellen mitten im Gelände stand.

Abschluss mit gemeinsamen Gedenken

In dem kleinen Ort Hunkovce gab es für so viele Leute keine Unterkunft. Deshalb waren wir in der Kreisstadt Svidnik im Hotel „Rubin“ untergebracht. Dort gab es auch Frühstück und Abendessen. Deftige und schmackhafte Mittagessen bereiteten zwei Bundeswehrköche am Friedhof zu. Sie waren erstaunlich gut dafür ausgestattet.

Pflegeeinsätze auf Kriegsgräberstätten enden traditionell mit einer feierlichen Gedenkveranstaltung. In der Regel beteiligen sich daran Einheimische, wie Bürgermeister, Vertreter örtlicher Vereine oder Abordnungen von Soldaten oder Veteranen. Bei uns waren Vertreter der Gemeinde und mehrere Soldaten mit Gewehr und in Paradeuniform erschienen. Als ein Trompeter der slowakischen Streitkräfte die Feier mit „Ich hat‘ einen Kameraden“ beendete, musst ich zum Taschentuch greifen.

Text: Bernd Zürn; Fotos: Bodo Henze