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„Mythos in Stein gemeißelt“ – Kunsthistorikerin recherchiert im Volksbund-Archiv

Thema Langemarck: ein Gespräch mit der Doktorandin Ann-Kathrin Zeitz

Regelmäßig gehen Anfragen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ein. Gern unterstützt Archivarin Franziska Haarhaus mit ihrer Expertise und ermöglicht Einblicke in historische Bestände. So auch im Fall von Ann-Kathrin Zeitz. Um Quellen für ihre Promotion rund um den „Langemarck-Mythos” zu sichten, kam die 32-Jährige bereits mehrfach von Marburg nach Niestetal.

 

Liebe Frau Zeitz, was führt Sie ins Volksbund-Archiv? Woran arbeiten Sie?

Eigentlich arbeite ich im „International Office“ an der Uni Marburg. Ich betreue die ERASMUS+ Studierenden aus dem europäischen und nicht-europäischen Ausland und Lehrende sowie Dozierende, die an Partneruniversitäten gehen. 2018 habe ich in Marburg mein Kunstgeschichtsstudium abgeschlossen und meine Master-Arbeit über den Langemarck-Mythos geschrieben. Schon damals habe ich überlegt, eine Promotion anzufangen, was ich wegen meines Jobs aber zunächst verworfen habe.

Vor einem guten Jahr kehrten Idee und die Lust, weiterzuforschen, zurück. Das Thema ist einfach superspannend. Daraufhin habe ich meinen ehemaligen Professor kontaktiert und jetzt starte ich damit. 
 

Langemarck aus kunsthistorischer Perspektive – was heiß das konkret?

Mein erster Anknüpfungspunkt war die Langemarckhalle auf dem Berliner Olympiagelände. Über die Halle bin ich dann zu dem Friedhof gekommen. Da gibt es so viel Formensprache, so viel Mythos in Stein gemeißelt. Das hat mich fasziniert.

Vieles hat sich immer wieder verändert: der Mythos, aber auch die Gestaltung der Bauwerke und des Friedhofs. Verschiedene Institutionen, vor allem der Volksbund, haben Langemarck immer wieder überdacht und versucht, den Friedhof der jeweiligen Zeit und der Gedenk- und Erinnerungskultur anzupassen.
 

Das ist über die Jahrzehnte immer in Bewegung gewesen?

Genau. Ich bin über Architekturgeschichte zu dem Thema gekommen. Damals habe ich mich tatsächlich nur mit der Halle und ein bisschen mit dem Friedhof befasst. Jetzt möchte ich das Ganze im Kontext der Erinnerungskultur betrachten, also die komplette Zeitgeschichte von der Entstehung des Mythos bis heute.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es einen Bruch. Langemarck ist total in Vergessenheit geraten. Wenn ich heute jemandem davon erzähle, dann ist vielen Langemarck kein Begriff mehr. Ich glaube, vor 1945 sah das noch ganz anders aus. 

Aber seit zwei Jahrzehnten merkt man, dass in der Gesellschaft eine Aufarbeitung stattfindet. Man geht wieder zurück und überlegt: Wie gehen wir damit um? Gerade mit den vielen Langemarck-Straßen, Langemarck-Plätzen, die es noch gibt. In den Städten stehen viele Denkmäler ohne Bezeichnung, ohne Erklärungen und keiner weiß, wofür sie eigentlich stehen oder was sie darstellen. Da überlegt man jetzt, ob man sie entfernt oder kontextualisiert.

 

Wonach suchen Sie im Volksbund-Archiv?

Nach Dokumenten zum Friedhof. Zur Langemarckhalle habe ich auch ein bisschen was gefunden, aber eher weniger. Hier suche ich primär Material zur Kriegsgräberstätte, vor allem Informationen zur Gestaltung, auch zur Gartenbauarchitektur – denn dazu findet man einfach keine Literatur, vor allem keine neuere. Die hat 1950 aufgehört. 
 

Das klingt nach einem sehr umfassenden Projekt.

Ja, ich muss selbst noch meinen roten Faden finden. Denn natürlich kann man nicht alles im vollen Umfang betrachten. Aber weil es zum Langemarck-Mythos immer nur punktuelle Ansätze gegeben hat, würde ich das gerne mal im Ganzen betrachten – von damals bis heute. 

Die historische und kunsthistorische Perspektive überschneiden sich. Nimmt man noch die Erinnerungskultur hinzu, ist man auch ganz schnell bei der Soziologie.
 

Sind Sie durch Ihre Masterarbeit das erste Mal mit dem Volksbund in Kontakt gekommen?

Tatsächlich kannte ich den Volksbund nicht. Mir ist dann eingefallen, dass ich im Studium eine Kommilitonin kennengelernt hatte, die Jugendarbeit im Volksbund gemacht und Schulgruppen begleitet und betreut hat. Damals dachte ich mir: Okay, seltsames, aber interessantes Hobby! Ich hatte davon vorher tatsächlich noch nie gehört, auch nicht welches Ausmaß, welche Größe der Verband hat. Als ich mit meiner Recherche anfing, musste ich daran denken.
 

Entspricht das, was Sie jetzt vom Volksbund sehen und erleben, der Vorstellung, die Sie vorher hatten? 

(Lacht) Ich glaube, der Volksbund ist sehr viel dynamischer und netter, als ich ihn mir vorgestellt habe. Also, ich dachte ehrlich gesagt, ich komme in einen dunklen Archivraum und sitze dort ein paar Tage allein mit meinen Akten, aber es ist ja hier ein supernettes Umfeld. Ich komme gerne zum Arbeiten her.
 

Haben Sie eine Idee, wie man den Volksbund unter Studierenden bekannter machen könnte?

Generell wird an der Uni sehr wenig zu „Kriegsgräbern“ angeboten. Das Thema taucht nicht auf. Ich fände es spannend, wenn es mehr Angebote wie Vorlesungen oder Seminare gäbe. Mein erster Kontakt war ein Seminar zu Denkmälern in Berlin. Das hatte eigentlich auch nichts mit Kriegsgräbern zu tun. Es war Zufall, dass die Langemarckhalle diesen historischen Kontext hatte. Ich hätte genauso gut über das Brandenburger Tor oder das Holocaust-Mahnmal arbeiten können. 
 

Wie sehen Ihre Pläne aus? Haben Sie sich einen zeitlichen Rahmen für die Promotion gesetzt?

Ja, tatsächlich habe ich mir einen sehr weiten zeitlichen Rahmen gesetzt. Ich arbeite Vollzeit und habe mir gesagt: Ich will’s probieren! Wenn’s am Ende klappt, ist es super, aber ich will mir keinen ganz großen Druck machen. 

Mein Ziel wäre, bevor ich 40 bin, die Promotion fertig zu kriegen (lacht). Ansonsten weiß ich nicht, ob ich später noch einmal in die wissenschaftliche Schiene gehen möchte. Ich fühle mich ganz wohl in meinem Arbeitsbereich im „International Office“, finde es jetzt aber auch spannend, mal wieder eine andere Perspektive einzunehmen und wissenschaftlich zu arbeiten. Wer weiß, was sich ergibt.
 

Liebe Frau Zeitz, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre Promotion!


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