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Nach 150 Jahren gefunden und bestattet

Deutsch-Französischer Krieg: Einbettung in Gravelotte

Am 18. August 2020 sind auf den Tag genau 150 Jahre seit der Schlacht von Gravelotte im Deutsch-Französischen Krieg vergangen. Am 14. August, dem Jahrestag der Schlacht von Colombey, bettete der Volksbund auf dem Friedhof von Gravelotte die Gebeine von sechs preußischen Soldaten in geweihter Erde ein. Die Gebeine waren im Juni 2020 bei Waldarbeiten in der Nähe des Schlosses Aubigny östlich von Metz gefunden worden. Eine Identifizierung erwies sich mangels verwertbarer Spuren als unmöglich (wir berichteten).

Glückliche Umstände

Die sterblichen Überreste wurden in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof von Gravelotte beigesetzt - unter reger Anteilnahme von rund 50 meist französischen Gästen. Dabei waren der Bürgermeister von Gravelotte, Michel Torloting, Vertreter der Stadt Metz, der französischen Partnerorganisationen des Volksbunds ONAC und DRAC sowie Werner Hillen als Vorsitzender des Volksbund-Landesverbandes Saar.

In seiner Gedenkansprache unterstrich Arne Schrader, Abteilungsleiter im Gräberdienst, den ungewöhnlichen Charakter einer Beisetzung nach 150 Jahren, aber auch die glücklichen Umstände, die zur Auffindung, Bergung und Beisetzung der Toten beigetragen hatten. Dabei gebühre den Schlosseigentümern von Aubigny, der Familie d’Ornellas, besonderer Dank, da diese die Bergung nicht nur gestattet, sondern nach Kräften gefördert hatte.

Trompetenklänge am offenen Grab

Die 150 Jahre lassen sich mit Blick auf Deutschland und Frankreich in eine 75-jährige Periode des Krieges (bis 1945) und eine des Friedens (ab 1945) unterteilen. Heute, nach drei Kriegen mit vielen Millionen Toten, haben Deutsche und Franzosen die einstige „Erbfeindschaft“ überwunden. Sie zogen die Lehren aus den bitteren Erfahrungen der Geschichte und wirken seit 1945 gemeinsam für ein friedliches Europa.

Zur Bestattung senkten sich die Fahnen französischer Abordnungen über das Grab, als Arne Schrader das „Lied vom guten Kameraden“ auf der Trompete intonierte. In Ermangelung eines (Feld-)Geistlichen vollzog Dr. Reitz vom Landesverband Sachsen als Laienprediger die Begräbnisordnung nach dem evangelischen Militärgesangbuch. Für den musikalischen Rahmen sorgten die christlichen Pfadfinder aus Saarbrücken unter der Leitung von Wolfgang Pester.

Historischer Hintergrund

Die Fundsituation der Gebeine lässt darauf schließen, dass es sich um Gefallene der Schlacht von Colombey (in Frankreich: Schlacht von Borny) vom 14. August 1870 handelt. Sie zählt zu den weniger bedeutenden, aber dennoch verlustreichen Gefechten unter den Grenzschlachten des Sommers 1870, mit denen Preußen und seine deutschen Verbündeten den Feldzug in Frankreich eröffnet hatten.

Bekannter sind die Schlachten von Wörth und Weißenburg, die Gefechte um die Spicherer Höhen bei Saarbrücken und die Schlachten von Vionville/Mars-La-Tour sowie die Schlacht von Gravelotte, westlich Metz, die am 18. August 1870 geschlagen wurde.

Aus dem Heeresbericht

Der Heeresbericht vermerkt über die Schlacht nur lakonisch: „Am 14. August verzögerte die 1. Armee in der Schlacht von Colombey-Nouilly den Abzug der Franzosen durch Metz und gewann damit für die 2. und 3. Armee einen Tag für den Moselübergang“. Wieviel Leid und Tod zwischen diesen Zeilen stecken, verrät der Heeresbericht nicht. Überhaupt verliefen die Schlachten dieses Feldzuges für die deutsche Seite zwar siegreich, doch meist unter enormen Verlusten, die nicht nur dem überlegenen französischen Chassepot-Gewehr zuzuschreiben waren, sondern vor allem dem überzogenen Angriffsgeist der unteren und mittleren deutschen Führung. Diesen kritisiert König Wilhelm I. von Preußen in einem Tagesbefehl vom 21. August 1870 ungewöhnlich scharf: „ …daß es der Intelligenz meiner Offiziere gelingen werde durch eine rechte Ausnutzung des Terrains, die Wahl zweckmäßiger Formationen und eine gründlichere Vorbereitung des Angriffs künftig dieselben Erfolge mit geringeren Opfern zu erreichen…“.

Modern konzipierte Ausstellung im Museum

Das Museum in Gravelotte, das an die Ereignisse von 1870 erinnert, zeigt bemerkenswerte Exponate zum deutsch-französischen Krieg, die nach modernsten ausstellungsdidaktischen Kriterien aufbereitet sind. Überhaupt bieten die Schlachtfelder dieses Krieges von Wörth im Süden bis Sedan im Norden an der Maas teils ausgezeichnete Einblicke in das militärhistorische Geschehen, das zum Teil heute ins Gelände projiziert und nachvollzogen werden kann. Daneben bieten zahlreiche deutsche und französische Friedhöfe und Gedenkstätten Gelegenheit zum stillen Verweilen und Nachdenken über das Wesen des Krieges, der die Menschheit als „anthropologische Konstante“ (John Keegan) seit Anbeginn begleitet.

Abstecher nach St. Privat

Auf dem Schlachtfeld von Gravelotte lohnt neben dem Besuch der Ortschaft noch ein Abstecher nach St. Privat – zehn Kilometer nördlich. Dort war die am 18. August 1870 schon fast verlorene Schlacht durch den Angriff des XII. sächsischen Armeekorps, durch den das Schlüsselgelände um den Kirchhof von St. Privat eingenommen wurde, doch noch mit einem verlustreichen Sieg zu Ende gegangen. Am Abend des 18. August 1870 war die Bilanz: 5.200 gefallene Deutsche und 1.100 französische Tote, von den in Summa 30.000 Verwundeten beider Seiten und den gefallenen und verwundeten Pferden nicht zu reden.

Der englische Feldmarschall Wellington fasste dieses Bild des Grauens nach der Schalcht von Waterloo (18. Juni 1815) zusammen: „Well, thanks God! I don’t know what it is to loose a battle, but certainly nothing can be more painfull than to gain one with the loss of so many of one’s friends.“

Text: Dr. Dirk Reitz

 

Weiterführende Literatur und Links:

BREMM, Klaus-Jürgen: 70/71 Preußens Triumph über Frankreich und die Folgen. Darmstadt 2019.

MGFA (Hg.): Entscheidung 1870. Stuttgart 1970.

Als Quellenmaterial sei auf das preußische Generalstabswerk von 1875 zum deutsch-französischen Krieg verwiesen. Ebenfalls lesenswert sind die Erinnerungen des amerikanischen Generals Sheridan, der als Beobachter auf deutscher Seite am Geschehen teilnahm: SHERIDAN, Philipp: Von Gravelotte nach Paris. Leipzig 1889.

Museum Gravelotte

Verarbeitung in Kunst und Literatur:

Gedichte: „Die Trompete von Gravelotte“ und die „Rosse von Gravelotte“. Vor allem die „Trompete" gehörte zum Standardrepertoire des Geschichtsunterrichts im Kaiserreich.

Malerei: Alphonse de Neuville: Friedhof St. Privat - Angriff von Teilen des XII. (sächs.) Corps auf den Kirchhofs von St. Privat und die tapfere Verteidigung durch französische Truppen