Mit der Sammeldose unterwegs im Oldenburger Land (von links): Alexander Jarecki (ehemals 10a, jetzt 11. Klasse), Lisa Jarecki (Schülerin der 9G1) und Jovan Gvero (ehemals 10a, jetzt Auszubildender zum Automobilkaufmann) (© Kristina Seibel )
Sammeln für den Volksbund – drei Jugendliche berichten
Hochsaison für die Haus- und Straßensammlung – auch junge Menschen engagieren sich
Äußerst erfolgreich war die Klasse 10a der Oberschule Belm im Landkreis Osnabrück 2023. Sie hatte derart viele Spenden für den Volksbund zusammengetragen, dass sie eine Auszeichnung bekam. In der Potsdamer Gedenkstätte „Wald der Erinnerung“ würdigte General a. D. Hans Peter von Kirchbach diesen Sommer das Engagement der Jugendlichen. Aktuell gehen sie wieder von Tür zu Tür. Mit Jovan Gvero und den Geschwistern Lisa und Alexander Jarecki sprach Bildungsreferentin Kristina Seibel.
Was hat Euch zum Sammeln für den Volksbund motiviert?
Jovan: Ich interessiere mich für Krieg im Allgemeinen und auch für Kriegsgräber. Das Sammeln ist eine gute Aktion für ihren Erhalt und für die Erinnerung an die verstorbenen Soldaten.
Alexander: Der Krieg forderte viele Opfer. Mit der Sammlung ist es uns möglich, an sie zu erinnern und sie nicht zu vergessen.
Lisa: Das Sammeln ist eine Möglichkeit, den Angehörigen oder denen, die Kriege erlebt haben, etwas Gutes zu tun.
Habt Ihr mal eine Kriegsgräberstätten besucht? Welche Gefühle hat das in Euch ausgelöst?
Jovan: Wir waren hier in Belm auf der Kriegsgräberstätte. Die Erfahrung war interessant und zugleich erschreckend. Ich stand länger an den einzelnen Grabsteinen und habe überlegt, wie traurig das ist.
Alexander: Ja, ich bin auch hier in Belm auf der Kriegsgräberstätte gewesen. Es war interessant zu sehen, wie alle in unserer Gruppe sofort still geworden sind.
Im Sommer hat Euch General a. D. Hans-Peter von Kirchbach für Euer Engagement ausgezeichnet. Was bedeutet diese Ehrung im „Wald der Erinnerung“ für Euch, wo die Bundeswehr ihrer Einsatztoten gedenkt?
Jovan: Mich hat es wegen meiner Familiengeschichte sehr mitgenommen. Meine Familie kommt vom Balkan, mein Vater ist auch Soldat gewesen. Als ich die Gedenkstätte in Potsdam gesehen habe, musste ich daran denken, dass dort auch der Name meines Vaters stehen könnte. Der Gedanke, ohne Vater aufwachsen zu müssen, machte mich sehr traurig. Was die Ehrung angeht: Mich macht es stolz, selbst etwas geleistet zu haben.
Alexander: Der „Wald der Erinnerung“ ist ein interessanter Ort, weil die Kriegserlebnisse und auch die Verluste viel deutlicher wurden. Außerdem kann nicht jeder von sich behaupten, von einem ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr geehrt worden zu sein.
Wie bewertet Ihr Kriegsgräberstätten als Lernorte?
Jovan: Man sollte die Menschen, die hinter den Ereignissen stecken, nicht vergessen. Ich finde, auf einer Kriegsgräberstätte wird das nochmal deutlicher als im Geschichtsunterricht.
Alexander: Ich denke, man sollte einmal eine Kriegsgräberstätte besucht haben, um die Ereignisse besser zu verstehen und vielleicht auch eine andere Perspektive für die Zukunft zu entwickeln.
Lisa: Es ist wichtig, dorthin zu fahren. Vielleicht kann der Besuch einer Kriegsgräberstätte dazu beitragen, Krieg und alles, was damit zusammenhängt, besser zu verarbeiten.
Welche Erfahrungen habt Ihr beim Sammeln gemacht? Wie haben die Menschen reagiert? Gab es besondere Begegnungen?
Jovan: Natürlich sind wir auch abgewiesen worden. Aber das hat mich nicht demotiviert, denn ich fühle mich durch meine Geschichte dieser Aufgabe verbunden. Es hätte auch sein können, dass ich für das Grab meines Vaters hätte sammeln müssen. Deshalb bin ich dann einfach weitergezogen zur nächsten Haustür.
An eine Begegnung kann ich mich noch gut erinnern: Es war eine ältere Dame, vielleicht um die 90 Jahre alt. Sie hat uns erzählt, dass sie ihren Vater verloren hat, und wie traurig sie war, dass er nicht mehr nach Hause kam. Zum Schluss hat sie uns gesagt, sie hoffe, dass wir eine solche Zeit niemals erleben werden.
Alexander: Am ersten Tag haben wir sofort eine Abfuhr bekommen. Diese Begegnung war für mich besonders, weil die Frau uns sagte, dass ihr Mann bei der Bundeswehr sei, sie aber nicht spenden wolle. Dann hat sie uns die Tür vor der Nase zugeschlagen. Später haben wir auch andere Erfahrungen gemacht. Uns sind auch Menschen begegnet, die es gut finden, dass junge Leute für Kriegsgräber sammeln gehen und diese Orte nicht vergessen werden.
Lisa: Ich habe bisher noch nicht gesammelt, dieses Jahr ist das erste Mal. Ich bin vor allem gespannt, welche Altersgruppe spendet.
Welchen Beitrag leistet das Sammeln für die Erinnerungsarbeit? Was ist Euer Anteil daran?
Jovan: Ich finde, ich habe einen Beitrag geleistet. Denn durch das Sammeln kann die Pflege der Gräber gewährleistet werden. So bleiben sie erhalten und man kann sich an die Menschen und ihre Geschichte erinnern.
Alexander: Ich bin auch der Meinung, dass das Sammeln einen Beitrag zur Erinnerungsarbeit leistet. Die Suche und das Identifizieren der Toten ist weiterhin möglich und es bleibt ein Ort zum Trauern.
Lisa: Noch habe ich nicht gesammelt, aber ich denke, dass ich einen Beitrag leisten werde. Das Sammeln hilft, die Erinnerung an die Geschichte aufrechtzuerhalten, damit sie sich Geschichte nicht wiederholt.
Würdet ihr wieder Sammeln?
Jovan: Ja, denn ich möchte nicht, dass die Gefallenen vergessen werden.
Alexander: Ja. Beim Sammeln kommt man ins Gespräch und erfährt von Einzelschicksalen, die einen sehr bewegen können.
Was ist Euer Appell an andere, um sie motivieren, Eurem Beispiel zu folgen?
Jovan: Tote sollten im Gedächtnis weiterleben. Man sollte an sie erinnern und daran, was passiert ist. Durch das Sammeln und die Pflege der Gräber geht das.
Alexander: Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten. Das Sammeln hilft dabei.
Lisa: Man kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Wir können aber die Zukunft beeinflussen und mit dem Sammeln können wir dazu beitragen, die Kriegsgräberpflege fortzuführen und weiter zu erinnern.
Vierstimmiger Aufruf im Vorfeld
Ansporn, mit einer Sammeldose loszugehen, ist alljährlich der gemeinsame Aufruf von Bundeswehr, Reservisten und Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan. Neu in diesem Jahr ist ein Appell an die Jugend.
Wer sich für die Kriegsgräberfürsorge engagieren möchte, wendet sich am besten an den jeweiligen Landesverband. Und wer spenden möchte, kann das jederzeit auch online tun:
Einen weiteren Artikel finden Sie hier: Haus- und Straßensammlung: Unterstützung im Großen und Kleinen.
Zeiträume der Landesverbände
Baden-Württemberg: 20.10. bis 24.11.
Bayern: 11.10. bis 3.11.
Brandenburg: 1. bis 30.11.
Berlin: 28.10. bis 30.11.
Bremen: 1.10. bis 30.11.
Hamburg: 16.10. bis 22. 11.
Hessen: 4.9. bis 24.11.
Mecklenburg-Vorpommern 28.10. bis 24.11.
Niedersachsen: 1.9. bis 31.12.
Nordrhein-Westfalen: 15.10. bis 30.11.
Rheinland-Pfalz: 31.10. bis 25.11.
Saar: 19.10. bis 24.11.
Sachsen: 9.10. bis 24.11.
Sachsen-Anhalt: 17.10. bis 17.11.
Schleswig-Holstein: 1.11. bis 1.12.
Thüringen: 28.10. bis 17.11.
Der Volksbund ist…
... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Fast 12.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 46 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Der Volksbund ist dringend auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Die Haus- und Straßensammlung ist die wichtigste Spendenaktion im Jahr.