Angehörige des Soldaten Siegmund Metzler auf der Kriegsgräberstätte Bertrimoutier in Frankreich. Das Volksbund-Engagement für jüdische Soldaten des Ersten Weltkrieges bedeutet ihnen unglaublich viel. (© Uwe Zucchi)
Siegmund Metzler ruht nun unter dem Davidstern
„Operation Levi“: Volksbund weiht Grabstele für jüdischen Soldaten in Bertrimoutier ein
Die Erinnerungen sind auch nach mehr als 100 Jahren lebendig: Auf der Kriegsgräberstätte Bertrimoutier in den französischen Vogesen weihte der Volksbund eine Grabstele für einen jüdischen Soldaten aus Südhessen ein. Zehn Angehörige von Siegmund Metzler waren dazu aus den Vereinigten Staaten angereist.
Unter großer Beteiligung von Gästen aus Frankreich, Deutschland, Israel und den USA ist die Stele von Siegmund Metzler auf der deutsch-französischen Kriegsgräberstätte Bertrimoutier in den Vogesen eingeweiht worden. Hier liegen 6.749 deutsche und 950 französische Gefallene des Ersten Weltkrieges unter schwarzen und weißen Kreuzen bestattet. Vier jüdische Soldaten ruhen unter Grabstelen mit dem Davidstern. Nun ist das fünfte Grabzeichen dieser Art dazugekommen.
Tod im zweiten Kriegsmonat
Siegmund Metzler, geboren 1880, lebte mit Frau und fünf Kindern in Wiesbaden. Der Wehrmann der 8. Kompanie eines Landwehr-Infanterie-Regimentes wurde am 29.9.1914 auf der Höhe 717 (Schlangenburg, Pierre Piquée) schwer verwundet und starb noch am selben Tag. Der 34-jährige Altwarenhändler hinterließ seine junge Frau und vier kleine Kinder. Das jüngste kam zwei Monate nach seinem Tod zur Welt.
An einem sonnigen Maitag fast 111 Jahre später stehen Metzlers Enkel, die Geschwister Barbara Wetzler-Topolosky und Howard Wetzler, an seinem Grab in den Vogesen und würdigen den Großvater. Es sei schwierig, so Barbara Wetzler-Topolosky, über eine Person zu sprechen, die man nie kennengelernt habe. Aber es sei auch richtig und erfüllend, das zu tun. „Wir wissen“, sagte sie, „dass er eins von 14 Kindern war, und es wird berichtet, dass er nach dem Tode seines Vaters die Rolle des Familienoberhauptes übernahm.”
Leben geopfert fürs Vaterland
Siegmund Metzler starb mit 34 Jahren im Jahr 1914. „Er gab sein Leben für sein Vaterland, opferte sich für das Land seiner Geburt. Seine Kinder konnten ihn nicht kennenlernen. Meine Mutter wusste von ihm nur, dass er in Frankreich kämpfte, starb und begraben wurde. Heute an diesem Tag wäre ihr Geburtstag gewesen. Ich bin sicher, sie lächelt aus dem Himmel auf uns herab“, so die Enkelin.
„Cruel War“ heißt das Lied, das die kanadische Mezzosopranistin Patricia Hammond anstimmt, begleitet von ihrem musikalischen Partner Matt Redmann. Als die Stele enthüllt ist, dankt Volksbund-Generalsekretär Dirk Backen dem Soldaten Metzler im Namen der Bundesrepublik Deutschland für seinen Dienst.
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Zurück in der jüdischen Gemeinschaft
Das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprachen Militärbundesrabbiner Zsolt Balla und Rabbi Dr. Jacob J. Schacter. Mit der korrekten Grabkennzeichnung – einer Stele mit Davidstern statt eines christlichen Grabkreuzes – will der Volksbund dem deutschen Soldaten Siegmund Metzler seine religiöse Identität wiedergeben.
So konnte Rabbi Dr. Jacob J. Schacter Metzler wieder im Kreise der Familie, seiner Enkel und Urenkel in der jüdischen Gemeinschaft willkommen heißen. Das Gedenken für den Soldaten Siegmund Metzler auf dem deutsch-französischen Friedhof endete mit dem deutschen und dem französischen Totensignal. Nacheinander erklangen das Stück der „Der gute Kamerad“ und das französische „Sonnerie aux morts“, gespielt von einem Trompeter der Bundeswehr und des französischen Militärs.
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Die „Operation Levi“
Mehr als 100.000 Soldaten jüdischen Glaubens kämpften im Ersten Weltkrieg in den Armeen des Deutschen Kaiserreichs, davon 77.000 an der Front. Mehr als 12.000 bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Viele waren glühende Patrioten. Viele hofften auch, dass das Vaterland ihnen ihr Engagement endlich mit bürgerlicher Gleichberechtigung danken würde. Doch stattdessen wurden sie zum Sündenbock, wurde ihnen Drückebergerei und Feigheit unterstellt.
Mehr als 100 Jahre später engagiert sich der Volksbund für die Erinnerung an diese jüdischen Soldaten in deutschen Uniformen. „Sie waren unsere Kameraden. Wir haben sie verraten. An sie zu erinnern, ist das mindeste, was wir tun können“, so erklärt Generalsekretär Dirk Backen die Verantwortung des Volksbundes (Rede im Wortlaut deutsch/englisch).
Zu dieser erinnerungskulturellen Verantwortung gehört die „Operation Levi“: Ihr Ziel: Grabkreuze, unter denen jüdische Soldaten bestattet sind, durch Stelen mit dem Davidstern ersetzen. Mit der korrekten Grabkennzeichnung will sie ihnen ihre religiöse Identität wiedergeben.
Angereist aus Israel und den USA

Das geschah am 20. und 21. Mai auf fünf Kriegsgräberstätten, die der Volksbund in Frankreich pflegt. 30 Vertreter der amerikanisch-israelischen Organisation „Operation Benjamin“ waren aus Israel und den USA angereist – unter ihnen auch zahlreiche Angehörige von Siegmund Metzler, Fritz Rahmer und von Meyer Levi. Dessen Grab in Warmeriville bei Reims hatte den Anstoß für die „Operation Levi“ gegeben.
Militärbundesrabbiner, Zsolt Balla, und der amerikanische Historiker, Rabbi Dr. Jacob J. Schacter von der New Yorker Yeshiwa University, nahmen an der Einweihung der Grabzeichen auf den Kriegsgräberstätten Betrimoutier und Warmeriville sowie in La Neuville-en-Toure-à Fuy, Berru und Souain und Bertrimoutier teil.
Rede des Volksbund-Generalsekretärs Dirk Backen auf der Kriegsgräberstätte Warmeriville im Andenken an den Soldaten Meyer Levi im Wortlaut: deutsch / englisch
Mehr lesen Sie hier:
Volksbund erinnert an deutsche Soldaten jüdischen Glaubens
Auch der Deutschlandfunk hat berichtete: Davidstern statt Kreuz: Umgestaltung jüdischer Weltkriegsgräber in Frankreich
Der Volksbund ist ...
… ist ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Bundes- und europaweit ist er ein wichtiger Akteur der Gedenkkultur. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
