An seinem Schreibtisch in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Bundesgeschäftsstelle: Fiete Schrader (© Christina Söder)
Volksbund-Eindrücke: Die ersten Monate eines Jahrespraktikanten
Ein Gespräch mit Fiete Schrader
Der Niedersachse macht zurzeit sein Jahrespraktikum beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. – ein Bestandteil seines Fachabiturs. Drei Abteilungen lernt er dabei kennen. Gerade hat er seine Zeit in der Öffentlichkeitsarbeit beendet und wechselt nun in die Personalabteilung. Der 21-Jährige kommt aus Lechstedt, einem Dorf in der Nähe von Hildesheim. Er möchte Politik- und Rechtswissenschaften studieren. Ein Interview.
Fiete, wie bist Du zum Volksbund gekommen?
Das ist meinem familiären Hintergrund geschuldet, da mein Onkel hier beim Volksbund arbeitet – Arne Schrader. Er leitet die Abteilung Kriegsgräberdienst und internationale Beziehungen. Durch ihn habe ich von der Arbeit des Vereins erfahren.
War das ein Thema bei Familientreffen?
Ja, mehr oder weniger. Mein Onkel hat häufig bei familiären Feierlichkeiten oder Geburtstagen von seiner Arbeit erzählt, aber nie so detailreich, dass ich mir konkret etwas darunter vorstellen konnte. Er sprach von Ausbettungen im Ausland und dem Dienst an den Toten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Aber mir war nicht klar, was der Volksbund im Ganzen leistet und wie zum Beispiel die Arbeit in der Bundesgeschäftsstelle aussieht.
Ist jetzt ein bisschen Licht ins Dunkel gekommen?
Auf jeden Fall. Natürlich wird das noch heller für mich, wenn ich die Abteilungen wechsle. Meine nächste Station ist die Personalabteilung. Da weiß ich noch nicht, was auf mich zukommen wird. Der letzte Bereich ist in vier Monaten die Abteilung Kriegsgräberstätten. Ich bin sehr gespannt, ob ich vielleicht sogar mal auf eine Dienstreise zu einer Kriegsgräberstätte im In- oder Ausland mitfahren kann.
Auch hier in Kassel gibt es Kriegsgräberstätten, zum Beispiel in Niederzwehren. Bist Du schon mal dort gewesen?
Nein, noch nicht, aber ich möchte gerne mal einen Ausflug dorthin machen. Auch im Stadtteil Bettenhausen ist ein Friedhof mit Kriegsgräbern. Und dann hatte mir Danny Chahbouni, Referatsleiter Ausstellungen und Informationsgrundlagen, noch vom Kasseler Hauptfriedhof erzählt.
Was genau hast Du denn in der Öffentlichkeitsarbeit gemacht?
Ich hatte die Aufgabe, für eine Kriegsgräberstätte südlich von Rom – für Pomezia – eine Broschüre beziehungsweise einen „Reader“ zu entwerfen. Das sollte etwas zwischen einem kleinen Flyer und einer pädagogischen Handreichung werden. Kriegsbiographien deutscher Soldaten und Zivilisten, die auf dieser Kriegsgräberstätte liegen, sollte ich recherchieren und einbauen – unter Berücksichtigung des historischen Kontextes.
Außerdem musste ich Karten und weitere Informationen integrieren: die Auflistung aller deutschen Kriegsgräberstätten in Italien, Zeichnungen sowie Beschreibungen der zentralen Plastiken und Denkmäler auf dieser Kriegsgräberstätte. Das gesamte Werk hat 24 Seiten.
Hast Du Text und Layout gemacht?
Beides. Bei der Arbeit mit dem Content-Management-Sytem hat mir Frank Wagner ein bisschen geholfen und beim redaktionellen und wissenschaftlichen Arbeiten haben mich Flemming Menges und Danny Chahbouni unterstützt. Da waren wir – muss ich sagen – ein super Team. Auch wenn sie bescheiden sein wollen und sagen: „Ja, Fiete, Du hast das schon selbst gemacht.“
Natürlich mussten sie mir bei der einen oder anderen Sache die Eckpfeiler setzen und zur Hilfe kommen. Es war eben das erste Mal für mich, dass ich so eine Arbeit gemacht habe.
Dann hast Du ein Ergebnis, das Du vorzeigen kannst.
100 Prozent! Das kann ich jetzt vorweisen. Frau Menegoni, die Friedhofverwalterin in Italien, war auch begeistert, dass wir das Projekt umgesetzt haben. Es bot sich an, dass ich mich dem als Praktikant mit meiner ganzen Zeit gewidmet habe.
Hast Du was dabei gelernt?
Auf jeden Fall. Das Wichtigste war für mich das wissenschaftliche Arbeiten. Das letzte Mal, dass ich so etwas ähnliches gemacht habe, war in der Oberstufe, als ich meine Facharbeit zu Dietrich Bonhoeffer geschrieben habe. Da musste ich mit Fußnoten arbeiten und richtig zitieren. Für dieses Heft war das nicht in dem Umfang nötig. Aber: Wir haben Lese-Tipps am Ende.
Wie bei #volksbundhistory…
Ja, da haben wir uns das abgeschaut. Ich habe auch gelernt, Quellen zu überprüfen, was total wichtig ist. Neutralität und Sachlichkeit sind entscheidend.
Ist Dir etwas besonders aufgefallen?
Ja, bezüglich der Fotos, die wir eingebaut haben. Vorweg ist mir gar nicht klar gewesen, dass man bei Fotos extrem aufpassen muss – auch mit Blick auf die Bildunterschriften. Selbst wenn wir Fotos aus dem Volksbund-Archiv verwenden, müssen wir sie prüfen. Erstmal denkt man: „Super, die können wir nehmen! Da können wir einfach die Bildunterschrift angeben, wie sie dasteht.“ Aber so einfach ist das nicht: Wir müssen bei jedem einzelnen Bild schauen, ob alles korrekt ist.
Wie erklärst Du Deinen Freunden den Volksbund?
Wenn meine Freunde fragen: Was ist eigentlich der Volksbund? Dann erkläre ich ihnen, wie ich den Volksbund erlebe, und welche Aufgaben er hat. Das Problem ist, dass er in meiner Altersklasse ziemlich unbekannt ist und durch den demographischen Wandel auch noch unbekannter wird und gar nicht mehr im Gedächtnis der Leute vorkommt. Der Volksbund vertritt vor allem die Aufgabe zu vermitteln, den Frieden zu bewahren und daran zu erinnern, wie wichtig die Versöhnung über den Gräbern ist.
Wie würdest Du denn Deinen Freunden den Volksbund schmackhaft machen? Ist er für Deine Generation relevant?
Ich muss ehrlich sagen: Relevant ist er eigentlich nicht. Weil viele keine Ahnung haben, was der Volksbund ist und was er macht. Aber: Die Versöhnung über den Gräbern und das Mahnen zum Frieden sind wichtig.
Wenn man sich die Nachrichten anschaut, sieht man, dass es alles andere als friedlich in der Welt ist …
Genau, deswegen ist es heutzutage wichtiger denn je. Wie ich den Volksbund schmackhaft machen würde, ist eine gute Frage. Ich glaube, ich würde vor allem von den internationalen Workcamps und PEACE LINE erzählen. Auch mich interessiert das.
Mit seinen Jugendangeboten zielt der Volksbund darauf ab, dass junge Menschen weg vom Handy hin zum Dialog mit anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen – und das über Ländergrenzen hinweg. Ich finde es klasse, dass der Volksbund Jugendarbeit leistet. Genau mit diesem Punkt würde ich zu meinen Bekannten kommen und sagen: „Hier, guckt Euch mal die Angebote des Volksbundes an!“ Über die Arbeit mit jungen Leuten aus anderen Ländern lernt man und es ist attraktiv, sich mit der Vergangenheit des eigenen Landes und der Geschichte Europas auseinanderzusetzen. Dann kann man auch den europäischen Gedanken in die Zukunft zu tragen.
Eine abschließende Frage: Wie sehen Deine Pläne aus? Was hast Du vor?
Eigentlich möchte ich Politik- und Rechtswissenschaften studieren, weiß aber noch nicht ganz genau, wo da mein Schwerpunkt liegen soll. Durch meine Erfahrung beim Volksbund ist natürlich auch Geschichte spannend. Im November bin ich mit meinem Jahrespraktikum fertig und dann kann ich im März 2026 mit dem Studium beginnen – wahrscheinlich in Hannover. Zwischen dem Ende meines Praktikums und dem ersten Semester möchte ich noch nach Namibia. Da wohnt ein Bekannter meines Onkels, der eine Hotelkette und Bierbrauerei in Windhoek hat. Während des Studiums möchte ich auch gerne ein Jahr ins Ausland. Ich bin gespannt, wohin es mich verschlagen wird.
Lieber Fiete, danke für das Gespräch und alles Gute für Dich und Deine Pläne!
Der Volksbund ist...
... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 11.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
