Zum Inhalt springen

Vom Freund zum Feind: Deutschland und Italien in den Weltkriegen

#volksbundhistory blickt zum Volkstrauertag 2025 auf das wechselhafte Verhältnis beider Länder

Italien ist das Partnerland bei der zentralen Gedenkveranstaltung am 16. November in Berlin – Präsident Sergio Matarella hält die Gedenkrede. Gemeinsames Erinnern und gemeinsame Werte stehen im Mittelpunkt. Doch das Verhältnis beider Länder war nicht immer so harmonisch. Insbesondere in den beiden Weltkriegen veränderten sich die deutsch-italienischen Beziehungen immer wieder.

 

Im Ersten Weltkrieg verhielt sich Italien als Mitglied des Dreibundes – einem Verteidigungsbündnis zwischen dem Deutschen Kaiserreich, Österreich-Ungarn und Italien zunächst neutral, schloss sich jedoch im April 1915 der „Triple-Entente” an. Dieses militärische Bündnis bestand zwischen Frankreich, Großbritannien und Russland. Im Mai 1915 griff Italien unmittelbar in den Krieg ein. Auch wenn die Hauptkämpfe zwischen Italien und Österreich-Ungarn ausgetragen wurden, kämpften ab 1917 auch mehrere deutsche Divisionen am Isonzo und am Piave-Fluss.

 

Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unser Autor heute: Dr. Christian Lübcke. Der Militärhistoriker ist Geschäftsführer des Landesverbandes Hamburg.

Mussolini als Vorbild

Im Nachkriegsdeutschland verfolgten die Nationalsozialisten mit großem Interesse den Aufstieg Benito Mussolinis in den 1920er Jahren. Adolf Hitler versuchte im November 1923, Mussolinis „Marsch auf Rom“ seinerseits mit einem „Marsch auf Berlin“ zu kopieren. Der Putsch der Nationalsozialisten scheiterte jedoch kläglich – bereits am Ausgangsort München – am Widerstand der örtlichen Polizei.

Während seiner kurzen und vergleichsweise angenehmen Haft orientierte sich Hitler in der Gestaltung seiner zukünftigen Selbstdarstellung weiterhin an Mussolini. Nach seiner vorzeitigen Freilassung vollzogen die Nationalsozialisten neben einer ideologischen Annäherung auch eine zunehmend politische Annäherung an Mussolinis Diktatur. 
 

Gemeinsam im Krieg

Im Spanischen Bürgerkrieg griffen das Deutsche Reich und Italien bereits als Verbündete ein. Dem Hitler-Mussolini-Abkommen nach der deutschen Annexion Österreichs folgte im Mai 1939 der so genannte „Stahlpakt“, der eine militärische Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung im Kriegsfall vorsah. Nach anfänglichem Zögern trat Italien im Mai 1940 auf der Seite des Deutschen Reichs im Krieg gegen die Alliierten ein. Schwere militärische Niederlagen Italiens in Griechenland und Nordafrika führten bald zu einer engen Verknüpfung deutscher und italienischer Militäroperationen. 

Zahlreiche Kriegsgräberstätten legen noch heute Zeugnis ab vom Tod deutscher und italienischer Soldaten. Ob in Rossoschka nahe Stalingrad (heute Wolgograd/Russland) oder in El Alamein (Ägypten): tausende deutsche und italienische Kriegstote haben dort ihre letzte Ruhe gefunden.
 

Militärischer Seitenwechsel

Im Sommer 1943 änderte sich das deutsch-italienische Verhältnis extrem. Nach der alliierten Invasion Siziliens (Operation „Husky“) wurde Benito Mussolini am 25. Juli 1943 entmachtet. Der ihm nachfolgende Regierungschef Pietro Badoglio versicherte dem deutschen Botschafter zwar die ungebrochene Unterstützung des deutschen Reichs, bereitete jedoch insgeheim einen Waffenstillstand und den militärischen Seitenwechsel vor.

Von deutscher Seite schenkte man diesen Erklärungen jedoch wenig Glauben. Stattdessen wurden alle Vorbereitungen zur gewaltsamen Besetzung Italiens, der Entwaffnung der italienischen Armeen und der Befreiung Benito Mussolinis getroffen. 

 

Gewalt gegen einstigen Verbündeten

Nachdem britische Truppen am 3. September erfolgreich und fast widerstandslos auf dem italienischen Festland gelandet waren, trafen Italien und die Alliierten eine offizielle Einigung. Die deutsche Reaktion folgte sofort: Deutsche Divisionen, die unter dem Vorwand, die alliierten Invasoren bekämpfen zu wollen, nach Italien gesandt worden waren, besetzten nun alle wichtigen Städte.

Auch an allen größeren Kriegsschauplätzen (Balkan/Ägäis/Ostfront) wurde der so genannte „Fall Achse“ umgesetzt. Alle italienischen Truppen wurden entwaffnet. Geringster Widerstand seitens der italischen Soldaten wurde mit drakonischer Gewalt beantwortet und mündete vor allem in der Ägäis in zahlreichen Massakern. Über 25.000 italienische Soldaten starben im Zuge ihrer Gefangennahme oder während des Transports. 
 

Die volle Wut Hitlers

Die Befreiung Mussolinis und die Installierung eines Marionettenstaates namens „Republik von Salò“ änderte wenig am Status Italiens als de facto besetztes Gebiet. Währenddessen ging der Kampf zwischen deutschen und alliierten Armeen auf italienischem Boden mit unverminderter Härte weiter und führten zu erheblichen Zerstörungen.

Das italienische Volk traf die volle Wut Hitlers über den militärischen Seitenwechsel. Neben 650.000 internierten italienischen Soldaten wurden auch über 700.000 italienische Zivilisten als Zwangsarbeiter verschleppt. Zugleich verschärfte sich auch die Judenverfolgung in Italien und das deutsche Militär führte einen erbarmungslosen Kampf gegen Partisanen im italienischen Hinterland. 
 

Dem Erdboden gleichgemacht

Im Gegenzug töteten italienische Partisanen deutsche Gefangene – selbst Nachschub- und Lazaretteinheiten – ohne jede Gnade. Beim Kampf gegen vermeintliche oder tatsächliche Widerstandsnester wurden tausende unbeteiligte italienische Zivilisten von Militär-, Polizei- und SS-Angehörigen hingerichtet. Tausende politische Gegner, Geiseln, antifaschistische Widerstandskämpfer und Juden wurden im Verlauf von anderthalb Jahren gefangen genommen und ermordet. Teilweise wurden ganze Ortschaften dem Erdboden gleich gemacht. 

Im Juli 1944 erwirkte Mussolini von Hitler die Entlassung der internierten italienischen Soldaten aus der Zuständigkeit der Wehrmacht. Die deutschen Behörden erklärten sie zu Zivilarbeitern. Sie durften nun ihre Lager verlassen und erhielten leichteren Zugang zu Lebensmitteln. Für die Überwachung der Italiener waren nun Polizei und Gestapo zuständig. Die Arbeitsbedingungen änderten sich jedoch nicht. 
 

Zwangsarbeiter und Kriegstote

Bei Kriegsende 1945 befreiten die Alliierten über 11 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter. Die Italiener wurden nur sehr verzögert in ihre Heimat zurückgebracht, da man ihnen als Kriegsgegner zunächst keine Priorität einräumte. Eine Entschädigung der überlebenden italienischen Zwangsarbeiter erfolgte nicht.

Auch die Überführung der etwa 50.000 auf deutschem Boden verstorbenen italienischen Kriegstoten nach Italien geschah nur sehr verzögert und wurde am Ende nicht abgeschlossen. Schließlich wurden in der Mitte der 1950er Jahre viele italienische Kriegstote umgebettet und auf deutschen Kriegsgräberstätten zentral bestattet. Die größte deutsche Kriegsgräberstätte in Deutschland befindet sich heute in Hamburg-Öjendorf, wo 5.857 italienische Kriegstote begraben sind. 
 

Text: Dr. Christian Lübcke
Kontakt

Die zentrale Gedenkstunde am Volkstrauertag (16. November) mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Matarella als Redner überträgt die ARD live ab 13.30 Uhr.
 

Literaturtipps:

Hammermann, Gabriele: Zwangsarbeit für den »Verbündeten«. Die italienischen Militärinternierten 1943–1945, Berlin 2002

Hammermann, Gabriele (Hrsg.): Zeugnisse der Gefangenschaft. Aus Tagebüchern und Erinnerungen italienischer Militärinternierter in Deutschland 1943–1945, München 2014

Schreiber, Gerhard: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945. Verraten, verachtet, vergessen, München 1990

https://www.ns-zwangsarbeit.de/italienische-militaerinternierte


#volksbundhistory

Ob der Beginn einer Schlacht, ein Bombenangriff, ein Schiffsuntergang, ein Friedensschluss – mit dem Format #volksbundhistory möchte der Volksbund die Erinnerung an historische Ereignisse anschaulich vermitteln und dabei fachliche Expertise nutzen. Der Bezug zu Kriegsgräberstätten und zur Volksbund-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Beiträge werden sowohl von Historikern aus den eigenen Reihen als auch von Gastautoren stammen. Neben Jahres- und Gedenktagen sollen auch historische Persönlichkeiten und Kriegsbiographien vorgestellt werden. Darüber hinaus können Briefe, Dokumente oder Gegenstände aus dem Archiv ebenfalls Thema sein – jeweils eingebettet in den historischen Kontext.
 

Der Volksbund ist...

… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
 

Jetzt unterstützen

zur Startseite