Das Motto der Volksbund-Jugendarbeit „Together for Peace“ ist auch beim Herbsttreffen in Mühlhausen präsent. (© Vanessa Lefarth)
Wiedersehen motiviert: Herbsttreffen der Volksbund-Jugend
Über den Sommer hinaus: Freunde treffen und sich gemeinsam engagieren
Anfang Oktober verbrachten 48 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnungen und Workcamps vier Tage in Mühlhausen (Thüringen), hielten Erinnerungen wach und stärkten gemeinsam ihre Motivation für ehrenamtliches Engagement.
„Ich bin hier, weil ich es besonders in den aktuellen Zeiten wichtig finde, mich für Frieden und Verständigung einzusetzen“, sagte Natalie Alder (21) aus Görlitz. „Das Herbsttreffen ist eine Möglichkeit, die Teilnehmenden aus meinem Camp wiederzusehen und sie zu animieren, sich selbst ehrenamtlich zu beteiligen.“
Erinnern vor Ort
Auf dem Neuen Friedhof Mühlhausen setzten sich die Jugendlichen mit Erinnerungskultur auseinander. Sie besuchten Gräber unterschiedlicher Opfergruppen – von deutschen Soldaten und Zivilistinnen über KZ-Opfer bis hin zum sowjetischen Ehrenhain – und halfen unter fachkundiger Anleitung bei der Pflege.
„Erinnerungskultur ist wichtig“, so Merle Puck (17) aus Wiesbaden. „Viele Jugendliche wissen nicht, dass die Auseinandersetzung mit Erinnerungen auch Arbeit auf dem Friedhof bedeutet. Mir hat mein erstes Workcamp im Sommer so gut gefallen, dass ich die Menschen, die ich dort kennengelernt habe, gerne wieder treffen und neue kennenlernen wollte.“
Der unbekannte Vater
Ein besonders berührender Moment war die Begegnung mit Martina Bergmann und Ursula Nowak, den Töchtern des Soldaten Paul Welsch, der im April 1945 bei Cottbus fiel. Seine jüngere Tochter lernte er nie kennen. Im Gespräch mit der Gruppe betonten beide Frauen, wie viel es ihnen bedeutet, dass junge Menschen heute den Friedhof besuchen und sich mit der Geschichte – auch mit der ihres Vaters – auseinandersetzen.
„Eigentlich ist es nur lobenswert. Nach dem Krieg wurde ja gar nicht über solche Dinge geredet, das verwuchs sich. Dass heute junge Leute die Gräber pflegen und sich damit beschäftigen, finde ich richtig schön, das ist tröstlich“, sagten die Töchter.
Verlust gehörte zum Alltag
Sie erzählten, dass sie selbst lange nicht über den Verlust ihres Vaters nachgedacht hätten, da dies damals für viele Familien Alltag gewesen sei. Erst im Erwachsenenalter sei ihnen bewusst geworden, was gefehlt habe. Aus ihrer Sicht sei das Engagement der Jugendlichen nicht nur symbolisch, sondern schaffe einen direkten Bezug zu den Menschen auf dem Friedhof.
Im Anschluss an das Gespräch mit den Schwestern reinigten die Jugendlichen Grabsteine, entfernten Laub und Moos und legten Blumen nieder – aktive Erinnerungspflege, die viel über die Bedeutung des Gedenkens vermittelt.
Von Stadtführung bis Filmbesprechung
Darüber hinaus bot das Programm eine bunte Mischung aus Bildung und Begegnung. Die Jugendlichen erkundeten Mühlhausen bei einer Führung zur wechselvollen Geschichte der Stadt und besuchten die Landesausstellung „500 Jahre Bauernkrieg“.
Ein Highlight war das Gespräch mit der Filmemacherin Christa Pfafferot über ihren Dokumentarfilm „Die Ecke“. Sie erzählt darin die Geschichte eines Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg und zeigt, wie eine Dorfgemeinschaft damit umgeht. Christa Pfafferot stand den Jugendlichen Rede und Antwort, ebenso zwei Dorfbewohnerinnen, die von ihren persönlichen Erfahrungen berichteten.
Handeln, reden und informieren
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten das Herbsttreffen auch für Austausch, Diskussionen und Beteiligungsmöglichkeiten. So informierten sie sich über aktuelle Volksbund-Projekte und die bevorstehende Wahl der Jugendvertretung im nächsten Frühjahr.
Über Pelle Rößling lernten sie auch das Volksbund-Angebot „Regionalkoordinator” kennen: Er ist einer von sechs jungen Leuten, die sich 2025 bundesweit an dem Pilotprojekt beteiligen (mehr lesen: Regionalkoordinatoren: „Mit Leidenschaft für den Volksbund“). Das Treffen und die Regionalkoordinatoren wurden aus Mitteln des EU-Programms „Erasmus+” finanziert.
Neue Impulse
Fazit: Die vier Tage in Mühlhausen haben gezeigt, wie lebendig Erinnerungskultur sein kann, wie motivierend Engagement und Gemeinschaft sind und wie wichtig es ist, junge Menschen für aktive Beteiligung zu inspirieren. Kurz: Ein Wochenende voller Austausch, Lernen und gemeinsamer Erlebnisse, das allen neue Impulse für ihr Engagement gegeben hat.
Text: Anne Schieferdecker
Kontakt
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Der Volksbund ist ...
… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
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