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Der ganze Himmel voller Fallschirme

Volksbund-Ausstellung in Maleme eröffnet neue Perspektiven mit Blick auf die leidvolle Geschichte Kretas im Zweiten Weltkrieg

Streng genommen gibt es nur ein Zeitfenster in der neuen Ausstellung in Maleme auf Kreta. Es projiziert unzählige Fallschirme und Flugzeuge vom 20. Mai 1941 auf das heutige Panorama der Bucht – und schlägt so unmittelbar und mit Wucht eine Brücke in die Vergangenheit. Tatsächlich aber sind es viele Zeitfenster, die der Volksbund am 24. Oktober 2021 offiziell auf der deutschen Kriegsgräberstätte öffnet. Fenster, die neue Perspektiven ermöglichen und die leidvolle Geschichte der Insel im Zweiten Weltkrieg in vielen Facetten und Grautönen sichtbar machen.

Im Fokus stehen dabei neben den 4.468 deutschen Soldaten, die auf dem deutschen Soldatenfriedhof Maleme begraben sind, auch alle anderen Gruppen, die an Kriegshandlungen und Besatzungsherrschaft bis Mai 1945 beteiligt waren oder unter ihnen gelitten haben. Das ist neu und soll dazu beitragen, Gräben, die es nach wie vor gibt, weiter zuzuschütten. Dass dabei Biographien eine besondere Rolle spielen, gehört zum Ausstellungskonzept, das der Volksbund nicht nur an diesem Ort zugrunde legt.

Maleme ist eine von 19 ausgewählten Kriegsgräberstätten, an denen der Volksbund das Lernen aus der Geschichte – gerade an diesen Orten der Trauer und Mahnung – besonders unterstreicht. Die 16 Lebensbilder helfen dabei. Sie sind kurz und prägnant und mit Fotos, Briefen und Dokumenten nachgezeichnet.
 

 

Gestorben am ersten, zweiten, dritten Tag

Zu den Porträtierten gehört der 19-jährige Siegfried Tanner aus Rheda in Westfalen, der den ersten Tag der Invasion nicht überlebte. Dazu gehört auch der Kreter Michael Tsoulakis, der Heraklion mit verteidigte und im Straßenkampf am zweiten Tag der Invasion erschossen wurde. Dazu gehört der britische Archäologe John Pendlebury, der Kontakt zum Widerstand und zu den Alliierten hielt. Er starb an Tag drei der Invasion an einer Schussverletzung.

Die Ausstellung ist dreisprachig (Griechisch, Deutsch, Englisch) und gemeinsam mit der Dresdner Agentur „kursiv“ und Corinna Kuhr-Korolev als Kuratorin entwickelt worden. Sie bietet ein völlig neues Design, das sich an den Maßstäben moderner Gedenkstättenpädagogik orientiert. Draußen auf der Kriegsgräberstätte gehören neben der künstlerischen Installation des Zeitfensters Pulte, Tafeln und eine Hörstation dazu.

Von Invasion bis Versöhnungsarbeit

Das Herzstück der Ausstellung aber befindet sich im renovierten Friedhofsgebäude: Fünf Themenblöcke behandeln dort die Kapitel Invasion und Kriegsparteien, Besatzungsherrschaft, Geschichte des Friedhofs, Erinnerungskultur und Versöhnungsarbeit. Denn natürlich ist auch das militärische Geschehen nachgezeichnet, ist die Entwicklung der 1974 eröffneten Anlage genauso Thema wie das Engagement des Volksbunds heute.

Multimediale Inhalte wie Filminterviews mit griechischen Zeitzeugen und deutschen Schülern, private Film- und Fotoaufnahmen von Kriegsteilnehmern unterschiedlicher Nationen und zentrale militärische Dokumente ergänzen das Bild vom Krieg auf Kreta und seinen Folgen. Und auch das Friedhof-Namenbuch mit den Lebensdaten der Toten sowie den Grablagen dokumentiert das Morden und Sterben dieser Zeit.

 

Schneller Einstieg – tiefes Eintauchen

Die Ausstellung ist mehrstufig aufgebaut. Das macht den schnellen Einstieg in die Thematik ebenso möglich wie das tiefe Eintauchen – die intensive Beschäftigung mit einzelnen Aspekten. Und sie ist damit ausdrücklich auch auf Besucherinnen und Besucher ohne Vorkenntnisse zugeschnitten. Schon vor der offiziellen Eröffnung gibt es positive Rückmeldungen: Besucher aus Deutschland berichten, dass sie sehr angetan und berührt waren von der neuen Ausstellung und ihrem Konzept.

„Da es in Griechenland nur zwei deutsche Kriegsgräberstätten gibt, reicht die Bedeutung von Maleme als Gedenkort weit über Kreta hinaus“, sagt Kuratorin Corinna Kuhr-Korolev. „Es ist wichtig, an dieser Stelle die vom nationalsozialistischen Deutschland ausgehende Gewalt und Zerstörung deutlich zu benennen.“

 

Unterschiedliche Erinnerungskulturen

Dabei geht es dem Volksbund nicht darum, eine schematische Täter-Opfer-Erzählung zu schaffen, sondern die vielen Facetten des komplexen Geschehens sichtbar zu machen und den Fokus auf unterschiedliche Sichtweisen und Erinnerungskulturen zu lenken. Den Blick verändern will die Ausstellung – das Zeitfenster mit den unzähligen grauen Fallschirmen vor blauem Himmel steht symbolisch dafür.

Von Grund auf saniert

Knapp 220.000 Euro hat der Volksbund in Maleme in Gebäude-Sanierung und auf dem Gelände investiert. Dazu gehören kleine Posten wie Geländer und die Fundamente für die Außenelemente, etwa das Zeitfenster und die Hörstation. Dazu zählen aber auch umfangreiche Maßnahmen wie die Sanierung der Bausubstanz, Elektroinstallationen und neue sanitäre Anlagen, Instandsetzung der Stützmauer zum Parkplatz hin und vieles mehr. Ins Auge fallen Faltelemente mit dem Volksbund-Logo, mit denen sich die Ausstellung außerhalb der Öffnungszeiten schließen lässt.

Weitere Veröffentlichungen:

„Wichtig für Kreta und ganz Griechenland“: Bericht von der Eröffnung der Ausstellung am 24. Oktober 2021

„Sprung in den Tod“: Artikel zum Schicksal Siegfried Tanners in der Ausgabe 2 2021 der Mitgliederzeitschrift FRIEDEN (S. 23)

„Hervorragend umgesetzt und anschaulich gemacht“: Schreiben des Tanner-Neffen Siegfried Kuknat an das Volksbund-Team

Feldpostbrief in einer Vitrine auf Kreta“: Welchen Weg nimmt biographisches Material, bis es eine Volksbund-Ausstellung bereichert?

Biographisches in fremde Hände geben“: Interview mit Ingrid Heubeck, Nichte von Karl Lüftl, der ebenfalls mit einer Kurzbiographie vorgestellt ist

„Neue deutsch-griechische Perspektive“: Workshop auf Kreta: Studentinnen und Studenten erarbeiten Material für Workcamps in Maleme

Der Volksbund ist ...

... ein 1919 gegründeter, gemeinnütziger Verein, der seine Arbeit vor allem aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert. Maleme ist eine von 832 deutschen Kriegsgräberstätten, die der Volksbund im Auftrag der Bundesregierung in 46 Ländern pflegt. Mit modern konzipierten Ausstellungen sorgt er auch dafür, dass das Schicksal einzelner in Erinnerung bleibt.