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„Hoffnung und Mut machen – gerade im Angesicht des Todes“

Volksbund bettet 305 Kriegstote bei Gedenkveranstaltung im polnischen Stare Czarnowo (früher Neumark) ein

Zwei offene Gruben mit aufgereihten Sarkophagen zeugen von Tod und Sterben im Zweiten Weltkrieg. 272 Soldaten und 33 Zivilisten, darunter Kinder und Säuglinge, erhalten an diesem Tag ihre letzte Ruhestätte auf der Kriegsgräberstätte Stare Czarnowo südlich von Stettin (heute Szczecin). Die Umbetterteams um Tomasz Czabanski und Matti Milak von den Partnerfirmen Pomost und Metodis haben die Kriegstoten an verschiedenen Orten in Polen geborgen.

 

 

Wer sind die Toten?

"Wir wissen noch nicht, wer die Toten sind“, erklärte Thomas Schock, Leiter des Umbettungsdienstes beim Volksbund, zu Beginn der Veranstaltung. Mehr als 250 Gäste aus Deutschland und Polen sind angereist, auch mehrere Schulklassen. „Die Identifizierung braucht Zeit“, fährt Schock fort. Viele der Toten konnten die Suchtrupps in Küstrin (Kostrzyn) an der Oder bergen, einige auch in Feldgräbern bei Danzig.

„Jeder stirbt für sich allein”

„Jeder stirbt für sich allein. Wie wird man dem Grauen des Sterbens gerecht, dem Schrecken, der jeden Einzelnen in der Stunde seines Todes packt? Wie der nackten Angst gerecht werden? Jeder stirbt für sich allein.“ Mit diesen Worten begann Heiko Miraß, Staatssekretär für Vorpommern, seine Gedenkrede. „Jeder dieser Menschen hatte in den letzten Minuten seines Lebens unmenschliche Angst.“ Keines dieser Einzelschicksale dürfe übersehen oder vergessen werden, betonte Miraß.

Von der Gedenkveranstaltung auf der Kriegsgräberstätte zeigte sich der Staatssekretär in seinem Videostatement sichtlich beeindruckt:
„Ich glaube, dass die Arbeit, die dahintersteckt, diese 305 Menschen hier in diesen pommerschen Boden zu betten, nicht umsonst ist. Insbesondere fand ich wichtig, dass hier viele junge Menschen teilgenommen haben, denen dieses Ereignis vielleicht auch eine Mahnung für die Zukunft sein wird“, sagte er.  

Zum Videostatement von Staatssekretär Heiko Miraß

„Maikäfer flieg”

Militärpfarrer Bernhard Riedel aus Torgelow spannte in seiner Predigt einen Bogen vom deutschen Volkslied „Maikäfer flieg“ über die aktuellen Ereignisse in der Ukraine bis hin zum letzten Buch der Bibel – zur Apokalypse. 

„Vor ein paar Wochen war hier noch alles trostlos und kahl und jetzt blühen hier die Blumen und die Bäume sind grün. Ich glaube, wir alle brauchen Hoffnungsbilder, die uns über das Schlimme und Schreckliche im Leben hinaustragen“, sagte Riedel und nahm damit Bezug auf das Volkslied aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Es sei heute noch aktuell: „Es besingt eine ganz tiefe Traurigkeit. Der Vater ist nicht mehr da, alles ist zerstört. Nur die Mutter ist noch da. Das ist ein Bild, das wir jetzt in der Ukraine erleben und überall auf der Welt, wo Kriege stattfinden. Dagegen steht dieses Bild von der blühenden Wiese und dem neuen Leben, das die Bibel ganz ans Ende stellt. Das ist mir wichtig: den Menschen Hoffnung und Mut zu machen – gerade im Angesicht des Todes und dieser vielen Särge, die wir heute vor uns gesehen haben“.

Trost für Hinterbliebene

Worte, die Edelgard Gurske zumindest ein wenig trösten. Die 87-jährige Zeitzeugin hat ihren Bruder im Zweiten Weltkrieg verloren. Mit 16 Jahren wurde er eingezogen – wie genau er ums Leben kam, weiß sie nicht. „Wahrscheinlich Genickschuss." Bis heute gilt er als vermisst, wie ihr Mitarbeiter des Referats Gräbernachweis des Volksbundes bestätigten.

Gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter nahm sie an der Einbettungsfeier auf dem Friedhof teil. Ihre Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wird sie wohl nie vergessen. Als Kind erlebte sie den ersten großen Bombenangriff auf Stettin. Ihre Botschaft ist klar:

„Ich möchte Frieden haben."

Zum Videostatement von Edelgard Gurske

Mit den Augen eines Umbetters

Dem konnte sich Thomas Schock nur anschließen. Zehntausende Kriegstote hat er im Laufe seiner Tätigkeit für den Volksbund schon umgebettet. Die Einbettung auf diesem Friedhof in Stare Czarnowo war die letzte, die er vor seinem Ruhestand als Leiter des Umbettungsdienstes begleitete. Schock hält einen Moment vor dem offenen Grab inne, in der Hand eine rote Blume.

„Ich bin traurig und glücklich zugleich. 30.097 Menschen haben wir in den vergangenen 20 Jahren hier bestattet. Damit ist der Friedhof zu 90 Prozent belegt. Leider reicht die Fläche nicht aus." Auch wenn der Krieg nun schon fast 80 Jahre zurückliegt, sei die Dankbarkeit der Angehörigen immer wieder bewegend und überraschend. Wenn Familienmitglieder vermisst würden, sei das immer eine Wunde und eine Lücke.

Zum Video der Einbettungsveranstaltung

„Die Menschen suchen Gewissheit, sie suchen ihre Wurzeln. Das zeigt, wie wichtig diese Friedhöfe sind.“

Thomas Schock, Leiter des Umbettungsdienstes
Simone Schmid Referentin Kommunikation/Social Media