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Ein notarielles Testament erspart nicht immer das Erbscheinsverfahren

Ein notarielles Testament erspart nicht immer das Erbscheinsverfahren

Ist bei einem gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen der Ehe-gatten zur Schlusserbeneinsetzung nicht eindeutig erkennbar und wird durch den überlebenden Ehegatten ein weiteres notarielles Testament errichtet, muss die Erbfolge in einem Erbscheinsverfahren zweifelsfrei geklärt werden, so das OLG München in seinem Beschluss vom 22.3.2016, den die DVEV mit seinem wesentlichen Inhalt wiedergibt.

(OLG München, Beschluss vom 22.3.2016, 34 Wx393/15, BeckRS 2016,05903)

Der Fall

Die verwitwete Erblasserin hatte 1987 mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Ehegatten gegenseitig und ihre Kinder zu Schlusserben einsetzten. Weiterhin wurde bestimmt, dass der überlebende Teil in keiner Weise beschränkt oder beschwert wird. Er kann über das beiderseitige Vermögen in gleicher Weise frei verfügen. 1994 errichtet die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie ihre Tochter zur Alleinerbin einsetzte. Sie fügte hinzu, dass laut gemeinschaftlichen Testaments von 1987 sie als überlebender Ehegatte hinsichtlich des geerbten Nachlasses und des eigenen Vermögens auch von Todes wegen frei verfügen könne.

Nach dem Tod der Erblasserin wies das Grundbuchamt den Antrag der Tochter auf Grundbuchberichtigung gemäß des notariellen Testaments von 1994 zurück, mit der Begründung, die Erbfolge sei nicht zweifelsfrei geklärt. Das sei nur in einem Erbscheinsverfahren möglich. Dagegen legte die Tochter Beschwerde ein.

Die Entscheidung

Das OLG München wies die Beschwerde als unbegründet zurück und gab dem Grundbuchamt Recht. Es besteht die Möglichkeit, dass das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament der Eheleute aus dem Jahre 1987 eine Bindungswirkung entfaltet. Eine Abänderung der ursprünglichen Erbeinsetzung aller Kinder durch das spätere, allein von der Mutter errichtete notarielle Testament wäre dann nicht mehr möglich. Ob eine solche strenge Bindungswirkung des Testaments von 1987 vorliegt oder nicht, ist auslegungsbedürftig und kann nicht durch das Grundbuchamt überprüft werden. Daher ist das Grundbuchamt berechtigt und verpflichtet, zum Nachweis der Erbfolge einen Erbschein zu verlangen. Nur durch ein Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht sind umfassende Ermittlungen möglich, um den wahren Willen der Ehegatten im Hinblick auf ihre Erbfolge feststellen zu können.

Tipp des Rechtsexperten

Eine Erbberechtigung kann entweder durch einen Erbschein oder ein notarielles Testament nebst Eröffnungsniederschrift nachgewiesen werden. Der voranstehende Fall des OLG München zeigt nur eine Fallkonstellation auf, in der trotz Vorliegen eines notariellen Testaments noch ein Erbscheinsverfahren durchgeführt werden muss. „Die Anwaltschaft und Gerichte sind zunehmend mit Fällen beschäftigt, in denen es auch um die Wirksamkeit notarieller Testamente geht. Die oft zu lesende Aussage, dass man sich mit der Errichtung eines notariellen Testaments die Kosten für ein Erbscheinsverfahren spart, ist nur bedingt zutreffend.“, so Rechtsanwalt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer der DVEV.

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG München, Beschluss vom 22.3.2016, 34 Wx393/15, BeckRS 2016,05903

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge . V. (DVEV)