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Wann ist das Pflichtteilsrecht verwirkt?

Wann ist das Pflichtteilsrecht verwirkt?

Der Entzug des Pflichtteils und die Gründe für die Pflichtteilsunwürdigkeit müssen zwingend die Form eines Testaments haben, entschied das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 4.1.2018, den die DVEV verkürzt wiedergibt.

(OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 4.1.2018, 12 U 1668/17, BeckRS 2018, 2099)

Der Fall

In seinem Testament setzte der 2016 verstorbene Erblasser seine Frau zur Alleinerbin ein. Dessen Vater verklagte die Witwe auf Auskunft und Wertermittlung des Nachlasses, um seine Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Die Witwe verweigerte das, da der Vater durch sein Verhalten gegenüber dem verstorbenen Sohn sein Pflichtteilsrecht verwirkt habe. Er habe dem Kind keinen Unterhalt geleistet, den Sohn fortwährend gedemütigt, beleidigt, misshandelt, geschlagen, sein Geld veruntreut und ihn mit 14 Jahren aus dem Haus getrieben und ihn - mit bedingtem Tötungsvorsatz – mit einem Schraubenzieher angegriffen. Das OLG Nürnberg hatte zu entscheiden, ob der Vater sein Pflichtteilsrecht verwirkt hatte.

Die Entscheidung

Das Recht auf einen Pflichtteil haben die engsten Verwandten. Da die Witwe Alleinerbin ist, steht dem enterbten Vater grundsätzlich ein Pflichtteil zu. Ein Entzug des Pflichtteils ist nach § 2333 BGB möglich, wenn der Vater dem Sohn nach dem Leben trachtete, er sich gegen den Sohn eines vorsätzlichen Verbrechens oder schweren Vergehens schuldig machte oder seine Unterhaltspflicht böswillig verletzte. Allerdings führen diese Gründe nur dann zum Entzug, wenn sie nach § 2336 BGB in testamentarischer Form festgehalten sind. Die Vorfälle müssen eigenhändig, handschriftlich, mit Zeitangabe, dem Ort und den Umständen der Tat aufgeführt sein - was hier nicht geschehen ist. Das OLG prüfte weiterhin, ob der Angriff mit dem Schraubenzieher nicht zur Pflichtteilsunwürdigkeit nach §§ 2345, 2339 BGB geführt hatte. Wer den Erblasser vorsätzlich zu töten versucht, ist pflichtteilsunwürdig und hat sein Pflichtteilsrecht ebenfalls verwirkt. Der Vater bestritt den Vorfall und die Witwe bot dafür keinen Beweis an. Da die Pflichtteilsunwürdigkeit nur behauptet, aber nicht bewiesen wurde, entschied das OLG zu Gunsten des Vaters und sprach ihm den Pflichtteilsanspruch zu.

DVEV-Expertenrat

Dazu sagt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV: „Nicht alle Eltern haben ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern, nicht alle Kinder wachsen in einer liebevollen und fürsorglichen Umgebung auf. In manchen Familien gehört Gewalt zum Alltag. Sollte das der Fall sein, dann muss rechtzeitig reagiert werden, damit nicht der Peiniger, ob auf der Eltern- oder Kinderseite, nach dem Tod des Opfers von dessen Vermögen profitiert. Die beste Möglichkeit, dies zu verhindern, ist das Verfassen eines Testaments. Um die Fehler zu vermeiden, die der Sohn im oben geschilderten Fall machte, empfiehlt es, sich einen Fachanwalt für Erbrecht zu Rate zu ziehen.“

Weitere Informationen:

Fundstelle: OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 4.1.2018, 12 U 1668/17, BeckRS 2018, 2099

Quelle: Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V. (DVEV)